Kleine Bäckereien kämpfen ums Überleben
Frankfurt/Main (dpa) - Viele Verkaufsstellen, aber immer weniger Bäcker: Seit Jahren sinkt die Zahl der Bäckerbetriebe in Deutschland - ein Ende der Talfahrt scheint nicht in Sicht. Auch Bioprodukte bieten keine Garantie für wirtschaftlichen Erfolg auf dem umkämpften Markt.
Für den klassischen Bäckerbetrieb wird der Überlebenskampf immer härter. Ketten wie Kamps und Co., Backshops in Discountern sowie SB-Bäckereien machen ihm das Leben schwer. Anfang der 1990er Jahre gab es noch rund 26 000 Meisterbetriebe im deutschen Bäckerhandwerk, mittlerweile sind es nur noch etwa 14 500, Tendenz weiter fallend. Zugleich steigt die Zahl der Verkaufsstellen - Filialen von bundesweiten Ketten oder großen Bäckern.
„Ein Einzelgeschäft hat kaum Zukunftschancen“, prognostiziert Professor Ulrich Hamm, Experte für Lebensmittelmarketing im Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften der Universität Kassel. Es sei denn, „es gelingt dem Handwerksbetrieb, sich abzuheben von normalen Teiglingen und Brotmischungen“. Der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Bäckerhandwerks, Peter Becker, ist zuversichtlich: „Ich glaube, dass die Betriebe, die jetzt am Markt sind, stärker sind. Viele kleine haben in den letzten Jahren geschlossen.“
Die Mehrzahl der Bäcker - 52 Prozent - erwirtschaftet pro Jahr einen Umsatz von bis zu 500 000 Euro, ihr Marktanteil liegt bei gerade einmal 15 Prozent. Die wenigen großen Handwerksbetriebe (2,2 Prozent), die mehr als 5 Millionen Euro umsetzen, kommen auf einen Marktanteil von inzwischen 52 Prozent.
Selbst Bioprodukte helfen dem klassischen Einzelbetrieb kaum. Große Wachstumsraten scheinen zumindest beim Brot nicht drin zu sein. Der Bioanteil am gesamten Brotabsatz pendelt seit 2008 um die 4 Prozent, wie aus einer Analyse der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) auf Basis des GfK-Haushaltspanels hervorgeht.
Hinzu kommt, dass der Trend „viele Verkaufsstellen, aber wenig Bäcker, auch für den Biobereich gilt“, sagt Hamm. Der Grund ist simpel: Größe hilft, Kosten zu sparen, beispielsweise beim Einkauf von Rohstoffen oder bei der Anschaffung von Maschinen. „Auch bei reinen Biobäckern geht der Trend zur Filialisierung, um Kosten zu senken und näher am Verbraucher zu sein.“
Bäcker, die auf Handwerk setzten und mit Spezialitäten aus der Region lockten, hätten eine Perspektive - egal, ob Bio oder nicht, meint der Experte. „Für echte Spezialitäten, können die Bäcker auch andere Preise verlangen“, sagt Hamm. In diesem Punkt habe das Backhandwerk in den vergangenen 20 Jahren geschlafen. „Bio wäre für das Handwerk ein idealer Einstieg in die Spezialitätenbäckerei gewesen, doch die Großbäckereien haben den Handwerksbetrieben bei Bio schnell den Rang abgelaufen.“
Bäcker, die sich etwas einfallen ließen, zum Beispiel ihren Kunden morgens frische Brötchen liefern oder mit Spitzenrestaurants und Feinkostläden kooperieren, hätten durchaus Zukunftsperspektiven. „Masse können dagegen die Großen besser und vor allem billiger bereitstellen, insbesondere in den Städten“, sagt Hamm.
Dort hat es der kleine Bäcker um die Ecke besonders schwer. Die Konkurrenz ist groß und die meisten Kunden erwarten ein umfangreiches Sortiment vom Croissant über Vollkornbrötchen bis zur Torte. Für den kleinen Bäcker bedeutet dies, dass er jedes Mal für Minimengen extra einen Teig anrühren muss, was sich kaum lohnt. Einige Betriebe beziehen daher immer größere Teile ihres Angebots als fertige Backmischungen über Einkaufsgenossenschaften.
Die Folge: Brötchen, Brot oder Gebäck schmecken in ganz Deutschland immer ähnlicher. Fertige Backmischungen gibt es mittlerweile selbst für Biobäcker. Bio-Läden oder -Supermärkte können sich gekühlte Rohlinge zum Aufbacken liefern lassen. „Wenn sowieso alles gleich oder sehr ähnlich schmeckt und aussieht, wieso soll dann ein Kunde den Extra-Weg zu einem Bäcker gehen?“ fragt Hamm.
Neben großen Ketten wie Müller-Brot oder Kamps machen auch die Selbstbedienungsbäckereien den kleinen Betrieben das Leben schwer. Brötchen, Brot und Gebäck kosten dort meist deutlich weniger. Pionier Backwerk, der im Februar 2001 seinen ersten Discounter eröffnete, verspricht, etwa 30 bis 45 Prozent billiger zu sein. „Das Modell rechnet sich, wenn die Kasse häufig klingelt. Die Unternehmen brauchen dazu hochfrequentierte Standorte und davon gibt es nicht so viele“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbandes Deutscher Großbäckereien, Helmut Martell.