Kürzere Siestas, teurer Wein: Südeuropäer trinken weniger

Berlin (dpa) - Im Trinken sind die Europäer Weltmeister. „Der europäische Alkoholkonsum ist mehr als doppelt so hoch wie der globale“, sagte der Psychologe Jürgen Rehm von der Technischen Universität Dresden am Montag in Berlin.

Daran habe sich in den vergangenen zehn Jahren nichts geändert. Allerdings gebe es unter den Ländern deutliche Unterschiede. „Die gesamten südeuropäischen Länder haben in den vergangenen 30 bis 40 Jahren ihren Alkoholverbrauch mindestens halbiert“, berichtete Rehm. In Deutschland tue sich so gut wie nichts und in Osteuropa sei die Tendenz steigend. Die Trinkgewohnheiten in Europa seien allerdings nicht so gefährlich wie in anderen Teilen der Welt.

Zum Weltdrogentag an diesem Dienstag stellte Rehm als Mitglied der Initiative „AktivA“ einen Bericht zum Alkoholkonsum in Deutschland vor und bezog sich dabei auch auf Zahlen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Demnach lag der durchschnittliche Alkoholkonsum von Europäern ab 15 Jahren im Jahr 2009 bei 12,5 Litern puren Alkohols. Der Verbrauch in Deutschland lag mit 12,9 Litern leicht darüber. 12,9 Liter - das entspricht den Experten zufolge etwa 800 Flaschen Bier oder 153 Flaschen Wein. Grundlegend geändert habe sich der Verbrauch in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten nicht, ergänzte Rehm.

Anders sieht das in Südeuropa aus: Tranken etwa die Italiener Anfang der 1970er Jahre noch 19 Liter reinen Alkohols pro Jahr, waren es 2009 noch etwa 7 Liter. Ähnliche Entwicklungen seien auch in Spanien, Portugal und Frankreich zu beobachten, sagte Rehm. Als Gründe nannte er die immer kürzer werdenden Mittagspausen und gestiegene Alkoholpreise.

In Osteuropa, Skandinavien und Finnland, aber auch Großbritannien und Irland werde seit einigen Jahren mehr getrunken, sagte Rehm, ohne detaillierte Zahlen für alle Länder zu nennen. In Großbritannien stieg beispielsweise der Konsum laut Bericht von etwa sieben Liter (1970) auf fast elf Liter im Jahr 2009.

Während in Europa zwar viel, aber regelmäßig getrunken werde, seien die Trinkmuster in anderen Gebieten deutlich problematischer. „Es gibt Regionen im Rest der Welt, wo die Mehrzahl aller Trinkgelegenheiten zum Rausch führt“, betonte Rehm. Dies berge besondere Risiken für eine Alkoholabhängigkeit. In Europa ende das Trinken nicht so oft mit einem Rausch.

In Deutschland trinken sich vor allem Jugendliche oft in den Rausch. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat jetzt wieder vor dem Komasaufen von Teenagern gewarnt. „Knapp 180 000 Jugendliche trinken sich einmal pro Woche in einen Rausch“, sagte BZgA-Direktorin Elisabeth Pott der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Montag).

„AktivA“ steht für „Initiative für eine aktive Alkoholtherapie“. Sie ist eigenen Angaben zufolge ein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, Organisationen und Unternehmen. Ein Ziel ist es, das Thema Alkoholerkrankung bei Erwachsenen auf die öffentliche Agenda zu setzen.