Sofortprogramm Pflege Mehr als Impulsgeber gegen den Pflegenotstand?

Seit dem vergangenen Jahr soll das „Sofortprogramm Pflege“ des Bundesgesundheitsministeriums für nachhaltige Verbesserungen im deutschen Pflegesystem sorgen. Doch die Diskussionen um die geplanten Maßnahmen und gesetzgeberischen Veränderungen halten an, von sofortiger Hilfe kann keine Rede sein. Wie müssten also Lösungen aussehen, mit denen Krankenhäusern, Ärzten, Pflegekräften und vor allem Pflegebedürftigen geholfen ist?

Krankenhausalltag: Viel Betrieb, wenig Personal

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Pflege bleibt ein akutes Problemfeld

„Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“ ist ein aktuelles Beispiel, wie dringend sofortige Hilfen im Pflegebereich immer noch sind. Ähnliche Volksbegehren wie in Bayern laufen auch in Berlin und Hamburg, sie stehen trotzdem nur stellvertretend für ein flächendeckendes Problem: Ob in Krankenhäusern oder anderen Pflegeeinrichtungen, die Pflege bleibt ein kritisches Thema, daher die Initiative für den „Volksentscheid für gesunde Krankenhäuser“.

Volksbegehren gegen Pflegepolitik

Die Frist für das bayrische Innenministerium läuft bald aus, dann muss eine Entscheidung gefällt werden, ob das vorgetragene Volksbegehren mit dem Motto „Stoppt den Pflegenotstand an Bayerns Krankenhäusern“ für einen Volksentscheid zugelassen wird. Hintergrund der Aktion, mit der die Initiatoren über 100.000 Unterschriften gesammelt haben: Laut Peter Hoffmann, dem Vorsitzenden des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte, fehlen in den Krankenhäusern des Freistaats rund 12.000 Pflegestellen – mit den zu erwartenden Folgen.

Durch die Unterbesetzung leiden nicht nur hier die pflegerischen Tätigkeiten, der Job wird schnell zur Belastung und entsprechend schnell gewechselt. Eine Lösung sehen die Organisatoren des Volksbegehrens in einem gesetzlich verankerten Personal-Patienten-Schlüssel, um die Standards der Pflege zu gewährleisten. Gleichzeitig gehören eine bessere Entlohnung und gesellschaftliche Anerkennung zum Forderungskatalog der Initiative.

Volksbegehren in Bremen vor dem Aus

Mit einem ganz ähnlichen Anliegen war das „Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus“ an den Gesundheitssenat von Bremen herangetreten, initiiert wurde die Unterschriftensammlung für das Volksbegehren auch in der Hansestadt von der Gewerkschaft ver.di, der Partei Die Linke und dem Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte.

Per Änderung des Bremischen Krankenhausgesetzes sollen neue Regelungen zur Personalbemessung in Krankenhäusern dafür sorgen, dass die in Bremen und Bremerhaven fehlenden 1.600 Pflegestellen besetzt werden. Außerdem soll eine Expertenkommission zukünftig für den Personalbedarf zuständig sein. Ein Erfolg dieses Vorstoßes scheint aktuell jedoch fraglich, trotz rund 12.000 gesammelten Unterschriften.

Laut Einschätzung von Gesundheitssenatorin Eva Quante-Brandt bestehen hinsichtlich der Inhalte des Volksbegehrens zwar durchaus übereinstimmende Meinungen, für eine Änderung des Landesgesetzes fehle jedoch die rechtliche Grundlage. Nicht zuletzt deshalb, weil der Bund mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz bereits Gebrauch von seiner Gesetzgebungskompetenz gemacht hat. Der Senat will die Angelegenheit deshalb für eine juristische Klärung der Zulässigkeit des Volksbegehrens vor den Staatsgerichtshof bringen.

Innerhalb des Bündnisses sieht man allerdings trotz der neuen Pflegegesetzgebung noch Spielraum für darüber hinaus gehende Änderungen. Damit würden vom Bund lediglich Untergrenzen eingeführt, die für bestimmte Klinikbereiche gelten. In Anbetracht des weiterhin bestehenden Personalmangels und der damit einhergehenden Folgen für die Pflege in den Krankenhäusern ist daher nach wie vor Handlungsbedarf vorhanden.

Diskussion mit dem Gesundheitsminister

Ähnliche Zustände hatte auch Tanja Pardela, ehemals Stationsleiterin der Kardiologie in Sindelfingen, inzwischen Lehrerin an der Nachwuchsakademie der Klinik, moniert und das direkt bei Gesundheitsminister Jens Spahn. Der signalisierte immerhin Gesprächsbereitschaft, allerdings richtet sich die Kritik von Pardela und der Pflegedirektorin des Klinikverbunds Südwest auch genauso direkt gegen die Gesetzespläne, mit denen das Pflegepersonal eigentlich gestärkt werden soll.

Bislang ist das nicht ausreichend gelungen, die alten Probleme des Pflegesystems bestehen weiterhin fort. Schwierig ist nach wie vor die Frage der Finanzierung der Pflege, obwohl die gesetzlichen Änderungen gerade an diesem Punkt für Verbesserungen sorgen sollten. Ob diese allerdings tatsächlich bewirken können, dass Pflegepersonal in der benötigten Zahl eingestellt werden kann, ist derzeit ebenfalls noch offen.

Als Ergänzung zu den eingeführten Untergrenzen soll ein Pflegepersonalquotient dabei helfen, die notwendigen Finanzmittel für personelle Verstärkungen zu erwirtschaften. Hierzu wird aller Voraussicht nach der krankenhausindividuelle Pflegeaufwand ermittelt werden.

Pflegepersonal fehlt in vielen Bereichen nach wie vor.

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Darüber hinaus stehen für das kommende Jahr weitere Veränderungen an, wenn es um die Finanzierungsmethoden der Krankenhäuser geht: Geplant ist eine Bereinigung der DRG-Fallpauschalierung, in der die Kosten für die pflegerischen Tätigkeiten, die im Rahmen der unmittelbaren Patientenversorgung entstehen, bislang noch enthalten waren. Die Refinanzierung solcher Leistungen soll dann anhand von Pflegebudgets und Pflegeerlöskatalogen erfolgen. Dass durch dieses Prinzip mehr Geld für die Pflege zur Verfügung steht, bleibt jedoch fraglich.

Der Fehler im System

Im Interview mit der Bayerischen Staatszeitung weist die Pflegeverbandschefin Marliese Biederbeck auf die unterschiedlichen Problemstellungen hin, die trotz gesetzlicher Neuerungen noch immer nicht zufriedenstellend geklärt sind – die Leiterin der Geschäftsführung des DBfK Südost spricht von einem „Systemfehler“ bei der Pflege.

Gemeint ist damit das Ungleichgewicht zwischen medizinischer und pflegerischer Versorgung: In den vergangenen Jahren wurden auch auf Grundlage gesetzlicher Richtlinien mehr Ärzte eingestellt, die zudem – wegen des Fallpauschalensystems – mehr Diagnosen in Rechnung gestellt haben. Mehr finanzielle Mittel hat die Pflege durch diese Maßnahmen allerdings nicht bekommen, die Gelder für mehr Pflegepersonal fehlten und fehlen weiterhin, Stellen blieben unbesetzt.

Die Finanzierung der Pflege muss also auf anderem Wege funktionieren, die unwidersprochene Anhebung des Pflegeversicherungsbeitrags – mit dem in erster Linie die hohen Ausgaben kompensiert werden sollen – wertet Biederbeck als positives Signal dafür, dass es in der Bevölkerung die Bereitschaft gibt, „für gute Pflege Geld in die Hand zu nehmen.“

Pflege in der Familie ist oft nicht ohne Hilfe möglich.

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Pflegeversicherung als Problemfall

Unproblematisch ist diese Denkweise nicht, immerhin sind die Kosten für Pflegebedürftige und Angehörige schon jetzt eine erhebliche Belastung, zumal die Höhe des Eigenanteils bislang nicht gedeckelt ist. Vor dem Hintergrund der vieldiskutierten Altersarmut muss daher die Frage gestellt werden, ob die Refinanzierung über höhere Kosten für die Patienten und Pflegebedürftigen der richtige Weg ist. Die Verbraucherzentralen warnen dementsprechend bereits vor steigenden Zuzahlungen bei der Pflege.

Ansonsten muss die Altersvorsorge in Zukunft nicht mehr nur allein als Mittel zur Sicherung des Lebensstandards im Alter verstanden werden, sondern in zunehmendem Maße als eine Absicherung gegen finanzielle Nöte aufgrund einer Pflegebedürftigkeit. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, privat mit entsprechenden Vorsorgeprodukten rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, mit denen beide Bereiche abgedeckt werden könnten. Bei fondsgebundenen Anlageformen gibt es unterschiedliche Formen, bei denen am Ende eine entsprechende Rendite zu erwarten ist. Allerdings wird bei der Vorsorge oft hauptsächlich an die Deckung der üblichen Lebenshaltungskosten gedacht. Ist eine Pflege notwendig, kann der finanzielle Bedarf schnell erheblich ansteigen.

Es besteht die Gefahr, die Altersvorsorge wenigstens in Teilen ihrem eigentlichen Zweck zu entfremden, was besonders für Bezieher kleiner Renten in finanzielle Schwierigkeiten münden könnte. Eine Bundesratsinitiative, mit der die Pflegeversicherung dahingehend weiterentwickelt werden soll, um solche Szenarien zu verhindern, ist bereits von Hamburg ausgegangen, im Februar diesen Jahres hat sich der Berliner Senat diesem Vorstoß angeschlossen, ebenso wie Bremen und Schleswig-Holstein.

Der Entschließungsantrag wurde Mitte März dem Bundesrat vorgestellt, er sieht unter anderem vor, die Kosten für die medizinische Behandlung von den gesamten Pflegekosten zu entkoppeln. Daneben sollen die Höchstgrenzen für die Eigenanteile sowohl für die stationäre wie auch für die ambulante Pflege gelten. Seit Ende März sind die Fachausschüsse mit dem Antrag befasst.

Behelfsmäßige Strukturen bei der Pflege in der Familie

Mit den Vorschlägen zur Neuregelung der Pflegeversicherung ist allerdings nur eines von mehreren Problemfeldern in der Pflege abgedeckt. Vor Schwierigkeiten stehen beispielsweise Angehörige, die ihre pflegebedürftigen Familienmitglieder zu Hause versorgen wollen. Laut Ärzteblatt ist es in solchen Fällen weitgehend üblich, Pflegepersonal aus dem Ausland als Hilfen hinzuziehen. Vermittelt würden diese durch Agenturen, die die Frauen in Polen, Rumänien, der Slowakei oder anderen osteuropäischen Ländern anwerben. Die Tätigkeit umfasst neben rein pflegerischen Tätigkeiten auch die Unterstützung im Haushalt. Dabei spielt die zwischenmenschliche Ebene offenbar eine deutlich größere Rolle als die tatsächliche pflegerische Ausbildung.

Zudem sind diese „Pflegearrangements“, wie sie von der Arbeitsgruppe Sozialpädagogik der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, auf die sich das Ärzteblatt beruft, genannt werden, in vielen Fällen informell, ein reguläres Arbeitsverhältnis bestünde damit nicht. Experten weisen deshalb auf das Versäumnis der Politik hin, diese Form der Schwarzarbeit in der Pflege angemessen zu berücksichtigen. Das System funktioniert trotzdem und das sogar mit einer Flexibilität, die für alle Beteiligten Vorteile verspricht.

Ohne staatliches Eingreifen stehen allerdings die Familien weitestgehend allein in der Verantwortung, wenn es um die Organisation der Pflege zu Hause geht. Andere Lösungen, wie sie die Autoren etwa aus Österreich (qualitätsgesicherte 24‑Stunden-Betreuung) oder den Niederlanden (professioneller öffentlicher Pflegesektor) anführen, seien aber unter den herrschenden Bedingungen in Deutschland weder finanziell noch nach bestehender Gesetzgebung realisierbar.

Pflegesektor als Investmentmöglichkeit

Aus diesem Grund kann auf der anderen Seite beobachtet werden, dass immer mehr private Investoren in den stationären Pflegesektor vordringen. Der Betrieb von Pflegeheimen ist in Deutschland bereits zu einer Investmentmöglichkeit geworden – es winken hohe Umsätze, die durch den demografischen Wandel in Zukunft eher größer als kleiner werden dürften. Es geht dabei um einen Milliardenmarkt, der auch wegen seiner Fragmentierung Raum für unternehmerisches Wachstum lässt.

Dadurch lassen sich die Kostenstrukturen effizienter gestalten, was vor dem Hintergrund steigender Löhne für das Pflegepersonal und gedeckelten Beträgen aus der Pflegeversicherung schwierig ist. Personal und Investitionen in Material und die Einrichtung gehören für private Investoren daher zu den Möglichkeiten, ihre Gewinne zu steigern – auf Kosten der Pflegequalität, wie eine Untersuchung der Universität Witten in Zusammenarbeit mit der University of California, San Francisco, schon im Jahr 2016 belegte.

Dass der Pflegesektor in den Bereich der Marktwirtschaft übergeht, sieht auch der Sozialpädagoge Claus Fussek skeptisch. Als einer der führenden Pflegekritiker in Deutschland stellt er im Interview mit dem Deutschlandfunk aber auch klar, dass es Probleme an vielen Stellen innerhalb des Systems gibt.

Das „Sofortprogramm Pflege“

Seit dem 1. Januar 2019 ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) in Kraft, es soll flächendeckend für eine Entlastung des Pflegepersonals sorgen und nicht weniger als den Umbruch der pflegerischen Versorgung einleiten.

Die gesetzlichen Neuregelungen versuchen dabei, an den wichtigsten Punkten anzusetzen, die für den aktuellen Pflegenotstand gesorgt haben: Mehr Geld soll aus dem Krankenhausstrukturfonds für die Finanzierung der Krankenhäuser bereitgestellt werden, in den kommenden vier Jahren jeweils 1 Milliarde Euro pro Jahr.

Altenpfleger erhalten in Zukunft Verstärkung.

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In der Intensivmedizin, der Geriatrie, der Kardiologie und der Unfallchirurgie gelten seit Jahresbeginn Pflegepersonaluntergrenzen, die diesbezügliche Umsetzung wurde fristgerecht von allen Krankenhäusern vollzogen, wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) mitteilte.

Um in der vollstationären Altenpflege für Entlastung zu sorgen, sollen die Voraussetzungen für insgesamt 13.000 neue Stellen geschaffen werden. Die Finanzierung liegt dabei in Händen der Krankenkassen, sie soll nicht über die Pflegebedürftigen erfolgen. Refinanziert werden überdies auch zusätzliche Stellen in der Krankenhaus-Pflege.

Außerdem wurden die Voraussetzungen für die Vergütung der Pflegekräfte neu geregelt. Steigen die Tariflöhne, so werden diese Steigerungen von den Kostenträgern refinanziert und zwar vollständig. Zusätzliche Finanzmittel sollen für solche Tariferhöhungen verwendet werden, worüber Rechenschaft abgelegt werden muss. Für die Vergütung von Auszubildenden, die ihr erstes Ausbildungsjahr in einem der Bereiche Kinderkrankenpflege, Krankenpflege oder Krankenpflegehilfe absolvieren, werden ebenfalls die Kostenträger herangezogen.

Neben der Bezahlung zielt das „Sofortprogramm Pflege“ auch die Arbeitsbedingungen der Pflegekräfte ab: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf soll erleichtert werden, von den Krankenkassen sollen zusätzliche 70 Millionen Euro pro Jahr in die betriebliche Gesundheitsförderung in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen fließen, aus der Pflegeversicherung werden 12.000 Euro pro Einrichtung für die Förderung der Digitalisierung bereitgestellt.

Eine erste umfassende Zwischenbilanz der Branche zu den Auswirkungen der neuen Gesetzgebung wird es ab dem 21. Mai beim Hauptstadtkongress 2019 geben. Dieser steht unter dem Motto „Gesundheitspolitik, Gesundheitsversorgung, Gesundheitsberufe in Zeiten des digitalen Wandels“, das Programm sieht aber auch etliche Punkte vor, in denen die gesetzgeberischen Bemühungen um eine Neuaufstellung der Pflege diskutiert werden sollen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn wird sich dabei auf weitere Kritik gefasst machen müssen, denn trotz aller Notwendigkeit zur Erneuerung wurden und werden die gestarteten Maßnahmen von vielen Vertretern der Gesundheitsbranche mehr oder wenig heftig hinterfragt.

Kritik an den Maßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums

Einigkeit herrscht bei allen Beteiligten und Betroffenen bezüglich der Notwendigkeit, auf dem Gesetzeswege bessere Rahmenbedingungen für die Pflege und Pflegeberufe zu schaffen. Allerdings werden nicht alle Maßnahmen gleichermaßen von Wohlwollen getragen.

Der AOK-Bundesverband hat etwa in seiner Stellungnahme zu den neuen Pflegegesetzen darauf hingewiesen, dass verbesserte Arbeitsbedingungen zwar unbedingt erforderlich sind, die Kosten für die Förderung der Digitalisierung oder besondere Betreuungsangebote für Pflegekräfte mit Kindern nicht aus den Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung bestritten werden sollten.

Ein ähnliches Problem sieht der Bundesverband auch bei der Finanzierung von weiteren Ausbildungsberufen nach KHG, die ebenfalls nach dem Gesetzentwurf des Bundesministeriums von der öffentlichen Hand zu den Beitragszahlern verschoben würde. Die vollständige Tarifrefinanzierung wird sogar grundsätzlich abgelehnt. Gefordert wird außerdem mehr Transparenz und Kontrolle, damit die zusätzlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel auch wirklich zweckgebunden eingesetzt würden.

Hindernisse beim erforderlichen Personalaufbau

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft sieht hierin allerdings eher ein Hindernis für den geforderten und gewünschten Personalaufbau. Vor dem Hintergrund der neuausgerichteten Pflegefinanzierung, durch die es für die Krankenhäuser laut Stellungnahme der DKG „für den Bereich der Pflege schon ab dem Jahr 2019 keinen Grund mehr für Personaleinsparungen“ gibt, werden die mit der Festlegung der Pflegepersonaluntergrenzen verbundenen Dokumentations- und Darlegungspflichten als überflüssig bewertet.

Hinsichtlich des Personalaufbaus sieht der GKV-Spitzenverband aber noch ein ganz anderes potenzielles Problem, das mit der vollständigen Refinanzierung von zusätzlichem Personal in den Krankenhäusern einhergeht. Befürchtet wird, wie es in der GKV-Stellungnahme heißt, „dass sich Krankenhäuser einen Überbietungswettbewerb um neue Pflegekräfte liefern werden, der im Ergebnis zu Lasten der geringer entlohnten Beschäftigung in der Altenpflege geht.“

Nach Wunsch des GKV solle mit Hilfe des Strukturfonds eher dafür gesorgt werden, um neue Strukturen zu schaffen, in denen vorhandene Pflegekräfte zeitnah effektiver eingesetzt werden können. Der Schwerpunkt bei der Neugestaltung der Krankenhauslandschaft in Deutschland und der damit verbundenen Gesetzgebung müsse sich dazu mehr an „internationalen Trends, technischen Möglichkeiten und medizinischen Entwicklungen“ orientieren.

Pflegebedarf als maßgeblicher Faktor

Der Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte verweist außerdem auf einige unbeantwortete Fragen, die mit der Finanzierung des Pflegepersonals nach dem Selbstkostendeckungsprinzip bzw. der Personalbemessung im Allgemeinen zusammenhängen. So kann die Festlegung der Pflegepersonaluntergrenzen nur ein erster Schritt hin zu einer bedarfsgerechten Personalbemessung sein.

Versorgungsbedarf des Patienten im Fokus.

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Statt marktwirtschaftlicher Erwägungen, wie sie bereits im Kontext privater Investoren in Pflegeheimen beschrieben wurden, oder der Attraktivität des Standorts sollte in erster Linie die Notwendigkeit zur Versorgung der Patienten der ausschlaggebende Faktor bei der Frage sein, wo Personal eingesetzt werden sollte. Der Versorgungsbedarf sollte darüber hinaus nicht nur in Personalfragen, sondern im Hinblick auf die gesamten Betriebskosten der vorrangige Maßstab sein.

Die Suche nach Lösungen

Bei aller Kritik an den Plänen des Gesundheitsministeriums und eigenen Vorstellungen von der Zukunft der Pflege in den verschiedenen Institutionen bleibt immer noch die Frage, welche konkreten Lösungen daraus abgeleitet werden können.

Beispielsweise bei der großen Frage, woher die Krankenhäuser und Pflegeheime das Personal überhaupt nehmen sollen, für dessen Einstellungen die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen wurden. Die Anreize für eine verstärkte Ausbildung sind gesetzt, die Ausbildungsoffensive für die Pflege wird allgemein begrüßt. Dieser Lösungsansatz muss aber perspektivisch betrachtet werden, während der personelle Notstand umgehend behoben werden müsste – bei einem weitgehend ausgeschöpften Arbeitsmarkt.

Dass das „Sofortprogramm Pflege“ daher tatsächlich eine sofortige Verbesserung herbeiführt, ist in vielen Bereichen des Pflegesystems als unwahrscheinlich zu erachten. Die Umgestaltung ist ein Prozess, in dem selbst Maßnahmen, die unmittelbar greifen – wie die Einführung der Personaluntergrenzen und den damit zusammenhängenden Dokumentationen oder die Neuregelungen von Finanzierungsfragen – erst auf lange Sicht eine wirkliche Veränderung herbeiführen.

Angesichts der Umstände, die ein Ergebnis langer Jahre ohne notwendige Reformen sind und die sich allen Prognosen zufolge schon in naher Zukunft verschärfen könnten, wäre schnelle Hilfe, etwa bei den fehlenden Stellen, wünschenswert gewesen. In der praktischen Umsetzung ist es allerdings nicht realistisch anzunehmen, dass ein „Sofortprogramm“ Missstände in dieser Größenordnung tatsächlich sofort beheben kann.

Dennoch bleiben die mit der neuen Gesetzgebung gesetzten Impulse ein wichtiger Anfang, um das Pflege- und Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen.