Meinung Pflegenotstand - Es tut sich was

Meinung · Die große Koalition hat sich dem Problem Pflegenotstand angenommen. Und tatsächlich - ihre aktuelle Zwischenbilanz muss sich nicht verstecken. Doch es gibt noch einige Felder zu bestellen.

Eine Kommission soll einen Ausweg aus dem Pflegenotstand finden.

Foto: dpa/Daniel Bockwoldt

Es ist aller Ehren wert, dass die Bundesregierung viel Energie darauf verwendet, um dem Pflegenotstand im Land abzuhelfen. Mehr Personal, mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen hat sich die große Koalition hier auf die Fahne geschrieben. Und ihre aktuelle Zwischenbilanz muss sich nicht verstecken. Die „Konzertierte Aktion Pflege“, die von gleich drei Bundesministern vor einem hal­ben Jahr im Zusammenspiel mit Pflege-Experten aus der Praxis gestartet wurde, ist jedenfalls keine Lyrik fürs Poesiealbum. Vielmehr zeichnet sich die Initiative durch konkrete Vorhaben aus, die die Bedingungen im Pflegebereich tatsächlich verbessern können.

Das gilt zuallererst für die geplante Ausbildungsoffensive. Bekanntlich werden die Menschen immer älter, weshalb auch ihr Pflege-Risiko steigt. Bereits heute sind 3,3 Millionen Bürger pflegebedürftig. In rund 30 Jahren werden es mehr als fünf Millionen sein. Dabei fehlt es schon jetzt an Personal. Vor allem in der Altenpflege. Im bundesweiten Schnitt bleibt dort eine Fachkraftstelle 186 Tage unbesetzt. Das ist deutlich mehr als in den allermeisten anderen Berufen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht nur um neue Azubis gehen, zumal hier schon die demographische Entwicklung Grenzen setzt. Die Verabredung, zusätzlich 5000 Weiterbildungsplätze auch für Berufsrückkehrer anzubieten, ist daher ebenfalls ein wichtiges Zeichen. Gerade für Altenpfleger gilt allerdings, dass sie etwa im Vergleich zu Krankenpflegern deutlich schlechter bezahlt werden. Hier ist es an Arbeitsminister Hubertus Heil, das Feld für bundesweite Tarifverträge zu bestellen. Denn alle Werbekampagnen werden ins Leere laufen, wenn sich dort nicht ordentlich verdienen lässt.

Aus Sicht der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen wird damit allerdings ein Problem sichtbar, das auf längere Sicht einer politischen Grundsatzentscheidung bedarf. Einer aktuellen Untersuchung zufolge müssen die Betroffenen für ihre Unterbringung in den Heimen nämlich immer mehr aus eigener Tasche bezahlen. Mit einer spürbar höheren Vergütung des Pflegepersonals dürfte sich diese Entwicklung weiter beschleunigen. Auch die Ausbildungsoffensive kostet. In der Folge wären immer mehr Pflegebedürftige (wieder) auf Sozialhilfe angewiesen.

Stefan Vetter

Foto: k r o h n f o t o . d e

Dabei war die Pflegeversicherung vor nunmehr fast zweieinhalb Jahrzehnten auch mit dem Vorsatz angetreten, diesen Trend zu stoppen. Die Frage ist also, was die Pflegeversicherung künftig leisten soll oder muss. Soll sie eine Art Teilkasko bleiben, oder soll, ja muss mehr daraus werden? Für die künftige Ausgestaltung der gesetzlichen Rente hat die Bundesregierung eine Expertenkommission ins Leben gerufen. Diesen Bedarf hat die Pflegeversicherung genauso.