Noch kein Keim-Nachweis bei Tiefkühl-Erdbeeren
Berlin (dpa) - Nach den massenhaften Magen-Darm-Erkrankungen in Ostdeutschland sind mehr als 700 verdächtige Erdbeer-Proben auf Keime untersucht worden. Bisher läge jedoch kein positiver Befund vor, sagte Holger Eichele, Sprecher des Bundesministeriums für Ernährung, am Samstag.
Die Untersuchungen in den Bundes- und Landeslaboren würden über das Wochenende fortgesetzt, hunderte weitere Proben würden getestet. Mit Ergebnissen der komplizierten Analysen sei aber erst in der kommenden Woche zu rechnen, ergänzte Eichele.
Am Freitagabend hatten die Behörden rund zehn Tage nach dem Ausbruch eine heiße Spur in der bislang größten lebensmittelbedingten Krankheitswelle in Deutschland gemeldet. Sehr wahrscheinlich sind tiefgefrorene Erdbeeren aus China Auslöser für den massenhaften Brechdurchfall, der vor allem Kinder und Jugendliche traf. Sie wurden von mehreren Großküchen in Ostdeutschland verarbeitet, darunter von Betrieben der Firma Sodexo mit Hauptsitz in Rüsselsheim.
Sodexo entschuldigte sich am Freitag bei den betroffenen Kindern und Familien und kündigte Entschädigungen an - in bisher nicht genannter Höhe. „Das ist kein Schuldeingeständnis“, erläuterte der Ernährungswissenschaftler Volker Peinelt von der Hochschule Niederrhein am Samstag. Nach dem Produkthaftungsgesetz müssten Firmen für ihre Produkte geradestehen. Auch, wenn sie den Fehler nicht verursacht hätten. Die Unternehmen hätten aber die Möglichkeit, sich zum Beispiel bei ihren Lieferanten schadlos zu halten, sagte er.
Peinelt forscht seit Jahren über Schulessen. Er kritisiert vor allem die geringen Budgets für die Mahlzeiten. Bundesweit lägen sie nur zwischen 2 und 3,50 Euro pro Kind. „Da muss ich natürlich beim Einkauf sehen, dass ich den billigsten Anbieter erwische. Und dann habe ich eben nicht die volle Sicherheit“, sagte er. Um solche Ausbrüche zu verhindern sei nicht nur eine Professionalisierung und Zertifizierung von Großküchen nötig. Auch die Gesellschaft müsse ihre Billig-Philosophie beim Essen überdenken. „Wir Deutschen neigen dazu, das Essen nicht so wertzuschätzen“, sagte er. Wandel brauche Zeit.
Ministeriumssprecher Eichele kritisierte solche Rückschlusse. „Statt Spekulationen in die Welt zu setzen und vorschnell Konsequenzen zu fordern, sollte das Ergebnis der Untersuchungen abgewartet werden“, sagte er. Noch sei offen, wo in der Lebensmittelkette es zu einer Verunreinigung gekommen sei. „Erst wenn die genaue Ursache bekannt ist, können wir seriös über Maßnahmen sprechen.“
Nach den bisherigen Erkenntnissen wurden die verdächtigen Erdbeeren nach ihrer Ankunft im Hamburger Hafen über einen Großhändler aus Sachsen in mehrere ostdeutsche Zentralküchen für Schulessen geliefert. In den Einzelhandel sind die Früchte wahrscheinlich nicht gelangt. Alle verdächtigen Lieferungen sind inzwischen gesperrt oder werden zurückgerufen. Fraglich ist noch, ob die gesamte 44-Tonnen-Fracht aus China möglicherweise verunreinigt ist - oder nur einzelne Chargen.
Höchstwahrscheinlich gelangten die Erdbeeren als Kompott in die Schulkantinen. Das Berliner Robert Koch-Institut (RKI) hat inzwischen in Thüringen, Sachen und Berlin mehr als 100 Schüler - sowohl gesundgebliebene als auch zuvor erkrankte - nach ihren Mahlzeiten gefragt. In vielen Fällen habe sich ein deutlicher Zusammenhang zu Erdbeerkompott ergeben, teilte das RKI am Samstag mit.
So stand in sächsischen Schulen zum Beispiel am 24. September „Grießbrei mit Erdbeerkompott und Kirschen, dazu Zucker und Zimt“ auf dem Speiseplan. Schüler, die diesen Nachtisch wählten, erkrankten auch. Vermutet wird auch, dass Kitas und Schulen, die das Kompott zuvor erhitzten, nicht betroffen waren. Das Erhitzen tötet Keime wie Noro-Viren ab, die hinter dem Ausbruch vermutet werden. Sie gelten als besonders kälteresistent und hitzebeständig. Ob sie wirklich die Übeltäter waren, war noch offen. Auch bakterielle Toxine werden im Moment weiter nicht ausgeschlossen.
In welche Staaten die verdächtigen Erdbeeren vielleicht noch geliefert wurden, soll auf EU-Ebene geklärt werden - um weitere Ausbrüche möglichst zu verhindern.