Prinzip Hoffnung - Sind Nabelschnurblutspenden sinnvoll?
Dresden (dpa/tmn) - In Zeitschriften und im Internet tauchen immer wieder Anzeigen auf, mit denen private Nabelschnurblutbanken um Kunden werben. Eltern sollen mit der Bluteinlagerung in die gesunde Zukunft ihrer Neugeborenen investieren.
Fachleute sehen dies aber kritisch.
Stammzellen aus Nabelschnurblut gelten als kostbares Gut. Wissenschaftler erforschen, wie damit in Zukunft einmal Krankheiten behandelt werden könnten. Private Nabelschnurblutbanken werben in Zeitschriften und Onlineportalen, teils mit Prominenten: Eltern können die Zellen ihres Neugeborenen nach der Geburt einfrieren lassen. Es herrscht das Prinzip Hoffnung: Sollte das Kind mal ernsthaft erkranken, könnte es vielleicht mit seinen eigenen Zellen geheilt werden. Experten sehen das kritisch. Es gibt auch die Möglichkeit, die Zellen an öffentliche Blutbanken zu spenden.
„Man muss unterscheiden zwischen der Vorsorge für das eigene Kind, bei der Nabelschnurblut entgeltlich eingefroren wird. Dann gibt es den altruistischen Ansatz, das Blut einer Bank zur Verfügung zu stellen, so dass anderen Menschen mit den Stammzellen aus dem Blut geholfen werden kann, beispielsweise bei Bluterkrankungen“, sagt Prof. Gerhard Ehninger, Geschäftsführender Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie. Die dritte Variante sei die Spende dieses Bluts für ein erkranktes Geschwisterkind.
Die Vorsorge für das eigene Kind sieht Ehninger sehr kritisch: „Es gibt keine anerkannte medizinische Begründung, diese Zellen zu entnehmen und einzufrieren. Es wird behauptet, dass Kindern schon geholfen wurde damit“, sagt der Mediziner aus Dresden. „Das waren aber alles Behandlungen im Rahmen von experimenteller Medizin, das hat nichts zu tun mit einer Regelversorgung.“
Die Nachfrage ist jedoch groß. „Wir bekommen viele Anfragen von werdenden Eltern und auch Großeltern zum Thema Nabelschnurblut,“ sagt Ira Herrmann vom Kompetenznetzwerk Stammzellforschung NRW in Düsseldorf. Sie warnt jedoch: „Man muss den Menschen reinen Wein einschenken. Es gibt derzeit nur einen einzigen Bereich weltweit, in dem Stammzellen in klinisch anerkannten und geprüften Verfahren regelmäßig eingesetzt werden, und das sind Erkrankungen des Blut- und Immunsystems.“ Die Stammzellforschung sei sicherlich ein zukunftsträchtiger Zweig. „Aber kein seriöser Stammzellforscher wird Ihnen einen genauen Zeitpunkt nennen, ob und wann Krankheiten wie Diabetes oder neurodegenerative Erkrankungen mit stammzellbasierten Therapien standardmäßig behandelt werden können.“
Wer in Internetsuchmaschinen „Nabelschnurblut“ eingibt, stößt schnell auf private Anbieter. Glaubt man den Zahlen, haben zehntausende Familien die Angebote bereits genutzt. Die Unternehmen informieren in unterschiedlicher Weise über Preise und Geburtskliniken, an denen eine Nabelschnurblutentnahme möglich ist. Das Zentrale Knochenmarkspender-Register pflegt zudem eine Adressliste mit öffentlichen Nabelschnurblutbanken.
Bereits 2005 äußerten sich Hebammen kritisch zur privaten Einlagerung von Nabelschnurblut. Es werde ein „Geschäft mit der Angst der Eltern“ gemacht, hieß es in einer Mitteilung. „Die Haltung ist gleichgeblieben“, sagt Edith Wolber, Pressesprecherin des Deutschen Hebammenverbandes in Karlsruhe. „Den Eltern wird von den privaten Anbietern eine Sicherheit suggeriert, die wir gar nicht haben“, kritisiert sie. Es werde eine große Erwartung geschürt, was mit den Zellen einmal möglich sein würde, wenn das eigene Kind erkrankt.
Bedenken hat Wolber auch wegen des Zeitpunkts der Entnahme. „Man muss sich vorstellen, in welcher Situation das Nabelschnurblut abgenommen wird: Die Geburt ist noch gar nicht zu Ende, und dann müssen alle noch einmal zehn Minuten inne halten, damit das Blut unter quasi sterilen Bedingungen abgenommen werden kann.“ Zur Einlagerung von Nabelschnurblut und der Verwendung der Stammzellen gibt es auch technische Fragen. Unklar ist laut Herrmann, ob die Zellen nach Jahrzehnten im Eisschrank überhaupt noch verwendbar sind.
Ehninger findet klare Worte: „Ganz sicher hilft die private Nabelschnurbluteinlagerung denen, die es einlagern - bei ihnen klingelt nämlich die Kasse.“ Das müsse aber klar unterschieden werden von den Möglichkeiten, Nabelschnurblut für Forschungszwecke oder für andere Menschen zu spenden. Auch Wolber und Herrmann befürworten es, wenn Eltern sich über öffentliche Blutbanken informieren. Teils bieten die privaten Banken inzwischen auch eine Kombination an. Das heißt, die Zellen könnten auch anderen Bedürftigen zugutekommen.