Probleme nach Schutzimpfungen melden
Berlin (dpa/tmn) - Jede Arznei, die gegen eine Krankheit wirkt, kann unerwünschte Effekte haben - sogenannte Nebenwirkungen. Das gilt für Impfstoffe ebenso: Sie sollen den Körper vor Infektionen schützen, können aber manchmal zu gesundheitlichen Schäden führen.
Impfungen sind eine segensreiche Erfindung: Sie bieten wirkungsvollen Schutz vor vielen Infektionskrankheiten. Dass sie dennoch immer wieder in der Kritik stehen, liegt daran, dass sie Nebenwirkungen nach sich ziehen können. Die sind manchmal so schwer, dass so manche sie deshalb scheuen.
„Impfungen greifen in unser Immunsystem ein. Das ist nötig, damit sie funktionieren, kann aber wie bei jedem wirksamen Medikament auch mal dazu führen, dass unerwünschte Nebeneffekte auftreten“, erklärt Jan Leidel, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert-Koch-Institut. Am häufigsten seien die sogenannten Impfreaktionen, die bei einigen Prozent der Impflinge auftreten und nicht weiter besorgniserregend sind: Dazu zählen kurzfristige, leichtere Lokal- und Allgemeinreaktionen wie Schmerzen an der Injektionsstelle oder grippeartige Beschwerden.
„Übersteigen die Beschwerden das normale Maß einer Impfreaktion, weil sie etwa sehr stark sind oder lange anhalten, spricht man von einer Impfkomplikation. Mit ihr sollte man zum Arzt“, erläutert Leidel. Das gilt zum Beispiel bei langandauerndem hohen Fieber oder wenn sich ein Abszess an der Einstichstelle bildet.
Impfkomplikationen sind selten - der Prozentsatz der betroffenen Impflinge liegt im Promillebereich - und machen meist nur eine vorübergehende Therapie nötig. Unter den Millionen von Menschen, die Jahr für Jahr geimpft werden, sind aber auch immer wieder solche, bei denen die Spritze schwerwiegende chronische Erkrankungen nach sich zieht. Dann spricht man auch von Impfschäden.
„Wohl zu den bekanntesten zählt das Guillain-Barré-Syndrom, eine Entzündung der Nerven, die zu Lähmungen und Muskelschwäche führen kann“, erklärt Martin Hirte von dem Verein Ärzte für individuelle Impfentscheidung. Ursprünglich eine mögliche Folgeerscheinung bestimmter Infektionskrankheiten, sei das Syndrom auch schon nach verschiedenen Impfungen aufgetreten, darunter jenen gegen Grippe und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME).
„Impfkomplikations-Verdachtsfälle“ sind laut Infektionsschutzgesetz durch den Arzt ans Gesundheitsamt zu melden und werden von Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und Robert-Koch-Institut eingehend untersucht. Das ist wichtig für die Arzneimittelsicherheit, denn so können Risikosignale erkannt und gegebenenfalls Maßnahmen ergriffen werden: Je nach Ausmaß und Schwere kann das ein Hinweis auf der Packungsbeilage, eine Indikationseinschränkung oder der Widerruf der Zulassung des Impfstoffs sein.
Folgt die Komplikation auf eine STIKO-empfohlene Schutzimpfung hat der Betroffene Anspruch auf staatliche Versorgungsleistungen. „Das gilt schon, wenn der ursächliche Zusammenhang von Impfung und Erkrankung lediglich wahrscheinlich ist“, sagt PEI-Pressesprecherin Susanne Stöcker. Das PEI hat die Aufgabe, alle Verdachtsmeldungen zu bewerten: Dabei wird unter anderem geprüft, ob die Symptome bereits als Nebenwirkung oder Impfkomplikation bekannt sind und ob die unerwünschte Reaktion wissenschaftlich erklärbar ist.
Zudem gilt es, andere potenzielle Ursachen, etwa die Veranlagung für eine Erkrankung oder einen Infekt, der selbige nach sich ziehen kann, auszuschließen. „Das ist oft echte Detektivarbeit“, erklärt Stöcker. Besonders schwierig werde es, wenn zwischen Impfung und Erkrankung längere Zeit vergangen ist.
Wohl auch deshalb stehen viele Impf-Spätfolgen nach wie vor in der Diskussion, obwohl sie laut Hirte in verschiedenen Studien als wahrscheinlich erkannt wurden. Zur Klärung wünscht sich der Arzt mehr Langzeitstudien und eine höhere „Impfschaden-Meldefreudigkeit“: „Derzeit würde ich die Quote auf zehn Prozent schätzen - viel zu wenig, um ein repräsentatives Bild entstehen zu lassen.“ So blieben etwaige ursächliche Zusammenhänge verborgen.
Dass die teils bestehen könnten, schließen auch STIKO und PEI nicht aus. „Es gibt bisher aber keinen eindeutigen Beleg: weder dafür noch dagegen“, betont Leidel. Er rät dringend davon ab, eine Impfentscheidung von Eventualitäten abhängig zu machen - um der eigenen, aber auch um der Gesundheit der anderen Willen. Generell gegen das Impfen ist auch Hirte nicht - wohl aber für eine individuelle, bewusste Impfentscheidung.