Wenn der Rachen Feuer fängt Scharfes Essen hat Fans in Deutschland

Ludwigshafen (dpa) - Mit Respekt betrachtet Jörg Ceglarek die rote Chilischote. Der Gewürzhändler aus Ludwigshafen weiß, wie sich ein höllisches Brennen anfühlt. Er verkauft nicht nur Gewürze aller Art, er entwickelt auch selbst welche.

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Dazu gehören scharfe Exemplare wie das „teuflische Etwas“, eine Mischung aus schwarzem und weißem Pfeffer sowie Koriander und etwas Chili. Das Resultat: „Eine sofort kommende Schärfe, die länger anhält und sich über den Mundraum in den Rachen verteilt“, schildert der gelernte Metzger. Den Namen für das Gewürz erfand jemand aus dem Familienkreis, in dem Ceglarek seine „normalen“ und scharfen Kompositionen gerne testet.

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Zu seinen scharfen Werken gehört auch der Senf „Luzifers Erbe“. Dafür hat Ceglarek die Chilisorte Bih Jolokia verarbeitet. Sie sei etwa 300 Mal schärfer als Tabasco, sagt er. In „Luzifers Erbe“ stecken pro Kilo etwa 30 bis 35 Gramm davon. „Ich selber habe mich nicht getraut, den Senf zu probieren“, sagte der 55-Jährige, der bei der Zubereitung des Produkts Mundschutz, Schutzbrille und Handschuhe trägt. Insgesamt hat er etwa 230 Gewürze im Programm, vom Pommes- bis zum Putenschnitzel-Zusatz, darunter circa 50 Eigenkreationen, zu denen auch Chiliprodukte zählen.

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Wieso kreiert man derart scharfe Sachen? Kundenwunsch, sagt Ceglarek, der seine Gewürze auf Wochen- und Bauernmärkten sowie Messen verkauft. „Sie wollten einfach einen richtig schönen, scharfen Senf.“ Auf Wunsch stellt er auch Chilimischungen in Pulverform her. Interessant sei, dass nicht Produkte nachgefragt würden, die bloß 30, 40 oder 50 Mal schärfer als Tabasco sind, sondern „es wird das Extreme verlangt“. Gefragt sind also Sorten wie die Bih (oder auch Bhut) Jolokia oder die Trinidad Scorpion, einst Weltrekordhalterin in Sachen Chili-Schärfe.

Für die Schärfe sind fünf Alkaloide unter dem Überbegriff Capsaicin verantwortlich, eines davon heißt selbst auch Capsaicin. Die Stoffe wirkten auf die Nerven im Mundraum, erklärt Ceglarek. „Sie haben das Gefühl, sie verbrennen sich.“ Um den Schmerz zu lindern, schüttet der Körper Glückshormone aus - wie bei Extremsportlern. „Dadurch empfindet man die Schärfe als angenehm, und ich sag mal ganz blöd: Man freut sich darüber“, schildert der Händler. Der Mensch gewöhne sich an die Chili-Schärfe, behauptet er.

Auf die Fans feuriger Geschmacksrichtungen haben sich diverse Anbieter eingestellt. Die Versandhändler Chili Food und Pepperworld Hot Shop zum Beispiel versprechen die „schärfsten Produkte der Welt“ beziehungsweise „Feuriges vom Feinsten“.

Wer sind die Kunden, sind sie an irgendwelchen Besonderheiten zu erkennen? „Absolut nicht“, sagt Michael Dietz, der vor elf Jahren die Bad Dürkheimer Firma Chili Food gegründet hat. „Sie haben jede Altersstufe, sie haben jedes Geschlecht“, wobei das Verhältnis von Männern zu Frauen zwei Drittel zu einem Drittel betrage. Aber sonst: „Sie haben jede soziale Schicht. Es ist egal, ob es ein Professor ist oder ein Büroangestellter.“

Die Anfänge der richtig scharfen Sachen in Deutschland datiert Dietz auf die Zeit zwischen 2000 und 2005. Aus anderen Ländern, in denen scharfes Essen Tradition hat, sei der Trend damals übergeschwappt. Als Beispiel nennt er die USA, wo scharfes Essen wegen der Nähe zu Mexiko und der Karibik verbreitet ist. Oder Großbritannien, wo Inder und Pakistaner die Küche beeinflussen. Zum Mainstream-Essen sind die richtig scharfen Sachen in Deutschland bislang nicht geworden. „Es ist halt eine Nische“, sagt Dietz, der unter anderem Chili-Soßen mit den Namen „Klapperschlange“ oder „Schwarze Witwe“ im Programm hat.

Wie groß der Markt für Chili-Produkte in Deutschland ist, weiß er nach eigener Aussage nicht. Es gebe viel Konkurrenz. Was sind die Trends? Neben mexikanischem Essen sei es das Anpflanzen von Chilis zu Hause - und der jeweilige Chili-Weltrekordhalter in Sachen Schärfe sei ein Thema. Das ist seit 2013 die Sorte Carolina Reaper, die „fast tödlich scharf ist“ und auf Durchschnittswerte von 1 569 300 Scoville-Einheiten kommt. Die Skala soll zeigen, wie viele Milliliter Wasser nötig sind, um einen Milliliter der Chili-Sorte zu neutralisieren. Alles über 200 000 gilt als unmenschlich scharf. Ist das noch gesund? Als mögliche Risiken - etwa bei Chili-Ess-Wettbeweben - nennt Ceglarek Schweißausbrüche, Herzrasen und einen Kollaps.

„Eine Gruppe von Verbrauchern liebt es scharf - und andere eben weniger“, sagt Dirk Radermacher, Hauptgeschäftsführer des Fachverbands der Gewürzindustrie. Ein aktueller Trend sei scharfes Essen nicht. Dass es in Deutschland dennoch eine Rolle spielt, erklärt er so: „Es ist schon seit vielen Jahren so, dass die Leute den Geschmack aus dem Urlaubsland mit nach Hause nehmen und dort haben wollen.“ Das habe zuerst für Italien, Spanien und Jugoslawien gegolten, später sei es Richtung Südamerika gegangen, dann habe es sich „schwerpunktmäßig Richtung Asien fortgesetzt“.