Studie: Implantierte Elektroden helfen Parkinson-Kranken
Kiel (dpa) - Parkinson-Kranke können zwar nicht auf Heilung hoffen, aber auf bessere Lebensqualität: Eine Studie belegt, dass eine bisher nur als letzte Möglichkeit genutzte Hirnstimulation einigen Patienten frühzeitiger helfen und Symptome lindern kann.
Eine frühzeitige Hirnstimulation kann die Lebensqualität einiger Parkinson-Kranker einer deutsch-französischen Studie zufolge besser erhalten als Medikamente alleine. Dabei werden in ein bestimmtes Hirnareal Elektroden eingepflanzt, die Impulse von einem Schrittmacher am Schlüsselbein erhalten. Diese Methode sei bisher praktisch nur als letzte Möglichkeit langjähriger Erkrankung angewandt worden, sagte Studienleiter Prof. Günther Deuschl in Kiel. Jetzt sei nachgewiesen, dass ein solcher Eingriff schon im früheren Krankheitsstadium helfe. Das Team präsentiert die Arbeit in der US-Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“.
„Die Patienten haben eine bessere Motorik, mehr Beweglichkeit und weniger Zittern, vor allem aber insgesamt länger gute Phasen“, sagte Deuschl, Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in Kiel. „Zwei Jahre nach dem Eingriff zeigten die Operierten eine um 26 Prozent verbesserte Lebensqualität im Vergleich zu medikamentös behandelten Patienten.“ Die Mobilität im schlechtesten Zustand wurde laut Studie um 53 Prozent gesteigert, die Aktivitäten des täglichen Lebens um 30 Prozent. Die Nebenwirkungen durch den Wirkstoff L-Dopa wurden um 61 Prozent reduziert.
Für die zwei Jahre dauernde Untersuchung schlossen sich neun deutsche und acht französische universitäre Behandlungszentren zusammen. Eingebunden waren 251 Patienten, die durchschnittlich 52 Jahre alt und im Mittel seit sieben Jahren an Parkinson erkrankt waren. Eine Hälfte wurde rein medikamentös behandelt, wie dies üblich ist, die andere erhielt zusätzlich die Tiefe Hirnstimulation (THS).
Dabei werden Elektroden in den sogenannten Nucleus subthalamicus im Hirn eingesetzt. Eine Leitung unter der Haut gibt dann Impulse von einem Gerät am Schlüsselbein ins Gehirn. Zur Vorbereitung werde ein Patient zunächst mehrere Stunden sediert, um Bildaufnahmen vom Gehirn zu machen und den Zielpunkt der Elektroden zu berechnen, erklärte Deuschl. Während der anschließenden Operation, die etwa zwei bis drei Stunden dauere, müsse der Patient mitwirken, etwa Hände bewegen oder Bewegungen durch die Luft machen. „Dabei testen wir zum Beispiel auch die Verspannung der Muskulatur, um zu sehen, ob die Elektrode tatsächlich optimal im Gehirn platziert ist.“ Nach dem Eingriff erhalten die Patienten im Schnitt nur noch die Hälfte der Medikamentendosis.
An der Operation sei kein Patient gestorben und niemand habe bleibende Schäden davongetragen, außer eine Narbe bei einem Patienten. Allerdings traten vorübergehend 27 schwere operative Nebenwirkungen auf, also etwa bei jedem Fünften. „Wir sind vom Ergebnis positiv überrascht und führen dies auf das relativ niedrige Alter der Operierten zurück.“ Bisher seien die operierten Patienten im Schnitt 61 Jahre alt gewesen. In der Vergangenheit sei diese erstmals 1993 in Grenoble erprobte Methode bei Parkinson-Kranken angewandt worden, „wenn gar nichts mehr ging“.
Insbesondere die sogenannten schlechten Phasen der Patienten werden laut Deuschl verbessert und erträglich gemacht. So könnten sie selber essen, in der Regel auch gehen, Termine wahrnehmen und den Alltag meistern. Mit dem Fortschreiten der Krankheit lassen laut Deuschl aber einige Verbesserungen wieder nach. Dies hätten die bisherigen Erfahrungen gezeigt.
Nicht jeder der etwa 250 000 bis 350 000 Parkinsonkranken in Deutschland ist für die Operation geeignet. Deuschl nannte zwei Voraussetzungen: Erstens muss der Patient auf L-Dopa ansprechen und zweitens darf er keine schweren kognitiven Einschränkungen haben. Rund 30 überwiegend universitäre Behandlungszentren in Deutschland seien in der Lage, solche Eingriffe zu machen. Die Krankenkassen bezahlten die Operationen. Die Elektroden müssen nicht ausgetauscht werden, dafür aber der Schrittmacher etwa alle fünf Jahre. „Das ist Routine“, sagte Deuschl. „Wir haben keine Therapie zur Heilung von Parkinson, aber wir können sehr gut die Symptome reduzieren“, fasste der Mediziner die Ergebnisse zusammen.
Während der Studie hatten sich zwei Patienten der THS-Gruppe und einer aus der Medikamentengruppe umgebracht. In jeder Gruppe gab es zudem zwei belegte Suizidversuche. Parkinson geht oft mit Selbstmordgedanken einher. Nach Meinung Deuschls sollten THS-Patienten regelmäßig auf suizidale Tendenzen überwacht werden.
Im Editorial des Fachmagazins bezeichnete Caroline Tanner vom Parkinson's Institute Sunnyvale in Kalifornien die Arbeit als eine der präzisesten Studien zur Neurostimulation. Sie verwies jedoch darauf, dass alle Probanden höchstens 60 Jahre alt und ansonsten bei guter gesundheitlicher und geistiger Verfassung gewesen seien. Das treffe nur auf wenige Parkinson-Kranke zu. Dennoch könne sie für einige, sorgsam ausgewählte Patienten möglicherweise viele zusätzliche körperlich aktive Jahre bringen.