Sucht im Alter bleibt oft unerkannt
Bremen (dpa) - Die Deutschen werden immer älter, der Anteil der Senioren an der Bevölkerung steigt. Doch mit ihren Problemen wie Alkoholsucht, Depressionen und Einsamkeit bleiben sie oft allein. Die Mediziner müssten besser dafür geschult werden.
„Wir nehmen die Suchtprobleme sowohl in den Kliniken als auch in den Praxen viel zu wenig wahr“, sagt der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG), Werner Hofmann. Die Aus- und Weiterbildung der Ärzte müsse dringend im Fachbereich Geriatrie verbessert werden. „Medizinstudenten müssen an jeder Universität eine geriatrische Ausbildung bekommen“, fordert Hofmann. Bislang gebe es nur an drei von 36 Medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl für Geriatrie. „Deutschland hängt da weltweit hinterher.“
„Wir rechnen damit, dass etwa drei Prozent der Heimbewohner und ebenfalls drei Prozent der älteren Patienten in den Kliniken eine Alkoholkrankheit aufweisen“, sagte Hofman, der am Friedrich-Ebert-Krankenhaus in Neumünster Chefarzt ist. In den Hausarztpraxen seien es geschätzt etwa fünf Prozent. Doch die Erkennung sei schwierig. „Zum einen verbergen ältere Menschen diese Sucht geschickt, zum anderen führen manche Symptome auf die falsche Fährte.“ Ältere seien ohnehin sturzgefährdeter, hätten oft Schwierigkeiten beim Gehen, schwankten gerne mal oder wiesen auch mal Verwirrtheitszustände auf. „Dinge, die man dann häufig dem Alter zuschreibt und dabei nicht so sehr daran denkt, dass es mit durch eine Alkoholsucht bedingt sein kann.“
Ein weiteres, gravierendes Problem sei die Polypharmazie. Viele alte Menschen im Alter von 85, 90 und 95 Jahren nehmen täglich mehr als 15 verschiedene Medikamente ein. „Zusätzlicher Alkoholkonsum wird dann unkalkulierbar.“ Selbst mäßig genossener Alkohol - „es gibt gute Hinweise, dass ein Glas Rotwein am Tag durchaus vor Demenz vorbeugt“ - könne in seiner solchen Konstellation ins Gegenteil umschlagen, sagte Hofmann. Sucht habe viel mit Depression zu tun, und beides mit Vereinsamung. „Das Alter bringt nicht nur die gesundheitlichen Verlusterscheinungen der körperlichen Fitness, sondern auch die Vereinsamung durch den Verlust des Lebenspartners.“ Deshalb müssten die Alten nicht nur im soziales Netz eingebunden sein, sondern sollten Aufgaben übernehmen. „Man muss die entpflichteten Ruheständler durchaus wieder vermehrt in die Pflicht nehmen, soziale Aufgaben mit zu übernehmen.“ Das seien die besten Faktoren, um Sucht, Depression und Suizidgefährdung vorzubeugen. Die Rahmenbedingungen müsse die Politik schaffen.