Trotz Masern-Tod: Rückkehr zur Impfpflicht kein Thema

Berlin (dpa) - Ein anderthalb Jahre alter Junge ist nach Angaben der Berliner Gesundheitsverwaltung das erste Todesopfer der Masern-Welle in der Hauptstadt. Das Kleinkind war nicht gegen die Viruserkrankung geimpft.

Foto: dpa

Es sei am 18. Februar in einem Krankenhaus gestorben, sagte der Berliner Gesundheitssenator Mario Czaja (CDU) am Montag. Die Charité teilte jedoch am Abend mit, dass die Todesursache noch nicht abschließend untersucht sei. Dort war der Junge behandelt worden.

Masern-Impfungen sollen in Deutschland trotzdem vorerst freiwillig bleiben. Die Impflücke müsse durch eine gemeinsame Kraftanstrengung von Ärzten, Kitas, Schulen und allen anderen Verantwortlichen geschlossen werden, sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). „Wenn das nicht gelingt, ist eine Impfpflicht kein Tabu, aber sie steht jetzt nicht an.“

Wie sich der Junge in Berlin angesteckt hat, war zunächst nicht bekannt. „Das Kind war geimpft, aber nicht gegen Masern“, sagte Czaja. Es hatte demnach keine chronischen Vorerkrankungen. In der Kindertagesstätte des Jungen seien alle „notwendigen Maßnahmen“ eingeleitet worden: In solchen Fällen würden Kontaktpersonen und deren Impfstatus geprüft, sagte eine Sprecherin Czajas. Die Informationen zu dem Fall bezog die Senatsverwaltung nach eigenen Angaben vom Landesamt für Gesundheit und Soziales und vom Gesundheitsamt Reinickendorf.

Die Masern-Welle in Berlin begann im Oktober: Von Beginn des Ausbruchs bis zum 23. Februar wurden dem Landesamt für Gesundheit und Soziales 574 Fälle gemeldet. Der Tod des kleinen Jungen mache deutlich, dass es sich um eine schwerwiegende Erkrankung handele, sagte Senator Czaja.

Masern schwächen das Immunsystem und können bei Komplikationen zu schweren Infektionen wie Lungen- und Gehirnentzündungen führen. Laut Statistik sterben zwei von 1000 Patienten an den Folgen einer Masern-Infektion.

Czaja forderte alle Bürger auf, ihren Impfschutz zu überprüfen. „Es gibt viele Impfgegner, die Masern als Kinderkrankheit abtun“, kritisierte er. Zwar seien mehr als 90 Prozent der Berliner Kinder bei der Einschulung geimpft. Große Lücken gebe es aber bei Erwachsenen - vor allem denjenigen, die nach 1970 geboren wurden.

Warum es gerade in Berlin immer wieder einmal zu Masern-Ausbrüchen kommt? Bei Schülern seien die Impfraten in Berlin nicht schlechter als anderswo, sagte die amtierende Leiterin des Fachbereichs Impfprävention am Robert Koch-Institut, Anette Siedler. Allerdings bestehe bei der zweiten Masern-Impfung noch Nachholbedarf. Ausbrüche in Berlin sieht sie weniger in Zusammenhang mit Impfverweigerern: Die Großstadt mit ihren Großveranstaltungen und dem Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum biete der Krankheit eher einen Nährboden.

Gröhe betonte: „Es geht auch darum, manchem Ammenmärchen und mancher Panikmache von Impfgegnern entgegenzutreten.“ Die Masern-Impfung sei nach Ansicht internationaler Experten sicher. Das minimale Restrisiko durch Nebenwirkungen sei um ein Vielfaches geringer als die zum Teil dramatischen und lebensbedrohlichen Risiken einer Masern-Erkrankung. Wer sein eigenes Kind nicht impfen lasse, gefährde auch den Gruppenschutz in Kita oder Schule, verhalte sich also auch anderen Kindern gegenüber verantwortungslos.

Die Bundesregierung plant ein Präventionsgesetz, wonach sich Eltern künftig vom Arzt beraten lassen müssen, bevor sie ihr Kind in die Kita geben.

Wegen eines an Masern erkrankten Jugendlichen blieb am Montag in Berlin auch eine Schule vorsorglich geschlossen. Der Schulleiter habe am Freitag von dem Fall erfahren und erst am Montag mit dem Gesundheitsamt Rücksprache halten können. Dieses sah laut Czaja dann aber keinen Grund zur Schließung. Mitschüler und Lehrer des Jugendlichen müssen nun Impfbücher vorlegen. An diesem Dienstag soll die Schule wieder öffnen.