Unfälle in Kletterhallen - Leichtsinn vor dem Fall

München (dpa) - Alpinkletterer rümpften früher die Nase. Aber inzwischen hat sich das Klettern in der Halle etabliert. Immer mehr Menschen steigen damit in den Sport ein. Unfälle sind selten - und gehen oft auf Leichtsinn zurück.

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Die Griffe sind fest verschraubt, die Haken sitzen sicher, sogar die Schlaufen für das Seil sind schon eingehängt - und vor allem gibt es kein schlechtes Wetter: Klettern in der Halle boomt. Alles scheint einfach und sicher, ein schwerer Unfall fast unmöglich. Doch der Schein trügt - und lässt manchen leichtsinnig werden.

Mangelnde Kenntnisse bei der Sicherungstechnik und Unaufmerksamkeit seien die häufigsten Gründe für Unfälle in der Halle, berichtete der Deutsche Alpenverein. Erstmals präsentierte der Verband bei seiner Bergunfallstatistik auch Zahlen aus den Kletterhallen. In den Jahren 2012 und 2013 meldeten 31 DAV-Hallen 161 Unfälle: Fersenbrüche, weil jemand am Anfang der Route noch ungesichert abrutscht und regelrecht den Boden stampft, Prellungen, aufgeschürfte Arme oder Beine, aber auch Kopfverletzungen.

Dennoch sind die Unfallzahlen angesichts des Andrangs niedrig. Das Risiko liege bei 0,002 Prozent pro 1000 Stunden, sagt Christoph Hummel von der DAV-Sicherheitsforschung. „Wenn man zwei Mal die Woche drei Stunden Klettern geht, dann muss man weit über 100 Jahre klettern, bis man einen schweren Unfall hat“, rechnete er vor. „Daran sieht man, wie sicher das ist.“

Manchmal ist es freilich einfach nur Glück, wenn nichts passiert: Während der Kletterer oben mit dem nächsten Griff kämpft, hält sein Partner das Seil zu schlapp oder steht zu weit von der Wand weg. In beiden Fällen bedeutet das einen tieferen Sturz - und den Sichernden kann es durch die Wucht schmerzhaft an die Wand werfen. Auch das Ausgeben des Seils, wenn der Partner weiter steigt, erfordert Übung: Eine Hand muss fest am Bremsseil bleiben - ein Sturz ist in jeder Sekunde möglich.

„Es sind meistens Sicherungsfehler, falsche Handhabung des Sicherungsgeräts verbunden mit zum Beispiel einem ungünstigen Kletterpartner: einer zu schwer, einer zu leicht“, sagt Maria, Fachübungsleiterin Sportklettern in München. Faustregel: mindestens ein Drittel Gewicht des Partners oder bei Erwachsenen maximal 20 Kilogramm Unterschied. Gerade Neulinge unterschätzten oft die Anforderungen in der Halle. „Es ist wirklich so, dass die Leute kommen und sagen: Ich will klettern. Dann muss man ihnen klarmachen: so geht es nicht“, sagt die Expertin. Die Sicherungstechnik muss vorher gelernt und eingeübt werden.

Ein unterschätztes Verletzungsrisiko birgt auch das Bouldern, bei dem Kletterer an niedrigen Wänden ohne Seil schwere Stellen üben. Das Fallen in die Matte gehört dazu, wenn man an die Grenze gehen will. Verstauchte Knöchel und Verletzungen an den Ellbogen sind oft die Folgen. „Das Risiko beim Bouldern ist drei Mal höher als beim Seilklettern“, sagt Hummel.

Oft passiert es gerade dann, wenn niemand mit einer Gefahr rechnet - am Ende der Tour, wenn der Kletterer am Seil zu Boden gelassen wird. „Was beim Klettern immer wieder zu Unfällen führt, ist das Ablassen. Das ist etwas, was uns überrascht hat“, sagt Hummel. Zwölf Prozent der Unfälle ereignen sich dabei - „obwohl das eigentlich ein Vorgang ist, der zu 100 Prozent kontrollierbar ist.“ Mögliche Gründe: Leichtsinn, mangelnde Aufmerksamkeit, mangelnde Übung. Der DAV will hier weiter analysieren - und die Ergebnisse in seine Ausbildungen einfließen lassen.

Klettern boomt - drinnen wie draußen. Was die Halle indoor, ist der Klettersteig outdoor. Auch hier vermitteln fixe Seile und in den Fels gebohrte Tritte aus Stahl Sicherheit. Und gerade hier muss die Bergwacht immer wieder zu Rettungen ausrücken - weil Menschen keine Kraft mehr haben oder sich nicht weitertrauen. Denn die Steige werden immer schwieriger - und mancher schätzt die Lage falsch ein. „Das ist nicht jedem bewusst, dass das nicht der nächste Schritt nach dem Wandern ist“, sagt Florian Hellberg von der DAV-Sicherheitsforschung. Hier wie beim Klettern in der Halle gilt: „Man braucht ein Minimum an alpinistischen Grundwissen und an Sicherungskenntnissen.“