Verdacht auf Behandlungsfehler - Bettnachbar kann Zeuge sein

Berlin (dpa/tmn) - Der Patient erwacht aus der Narkose und merkt: Bei der OP ist etwas schief gelaufen. Eine Horrorvorstellung. Tausenden geht es jedes Jahr so. Die Krankenkassen helfen, Behandlungsfehler zu beweisen.

Betroffene sollten aber auch selbst aktiv werden.

Patienten in Deutschland haben sich im vergangenen
Jahr mehr als 23 000 Mal wegen des Verdachts auf fehlerhafte Operationen und Therapien beschwert. So viele Vorwürfe gingen allein bei den Krankenkassen und zuständigen Ärztestellen ein. In knapp
einem Drittel der untersuchten Fälle bestätigten die Gutachter den Verdacht auf Ärzte- und andere medizinische Fehler. 3932 Behandlungsfehler wurden allein von den Gutachtern des Medizinischen
Dienstes der Krankenkassen (MDK) bestätigt - insgesamt dürfte es weit mehr als 7000 bestätigte Fehler gegeben haben.

Die MDK-Gutachter erstellten 12 483 Expertisen zu vermuteten Behandlungsfehlern in teils detektivischer Arbeit, wie der MDK am
Mittwoch (15. Mai) in Berlin mitteilte. Auch Fälle von unzureichend geführten Akten nach Pfusch im Operationssaal seien aufgedeckt worden. Die
Zahlen lagen leicht unter denen des Vorjahres. Wie sollten Patienten sich verhalten, wenn sie glauben, ihrem Arzt sei ein Fehler unterlaufen?

Zeugen kontaktieren: Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, sollte er versuchen, Kontakt zu dem Patienten aufzunehmen, der mit ihm im Zimmer lag. Darauf weist Jürgen Arlt von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) hin. Der Bettnachbar könne als Zeuge helfen. Basiert der Behandlungsfehler zum Beispiel darauf, dass der Patient nicht ausreichend über Risiken aufgeklärt wurde, könne der Bettnachbar das möglicherweise bezeugen. „Er kann bei der Visite etwas mitbekommen haben, beispielsweise wie das Pflegepersonal gerufen wurde, aber stundenlang niemand kam.“

Sich die Kontaktdaten eines Zeugen zu besorgen, ist Teil der Beweissicherung, die jeder Patient bei Verdacht auf einen Fehler als erstes angehen sollte. „Je früher, desto besser“, sagt Arlt. Sonst sinke die Chance, den Bettnachbarn ausfindig zu machen.

Akten anfordern: Zur Beweissicherung gehört auch ein Anruf beim Krankenhaus oder in der Arztpraxis. Dort sollte der Patient Kopien der Behandlungsunterlagen anfordern. „Aber Sie müssen genau sagen, was Sie wollen. Sie dürfen sich nicht mit dem Entlassungsbrief abspeisen lassen“, warnt Arlt. Wichtig sind etwa das OP-Protokoll oder die Pflegeunterlagen.

Vor Gericht ziehen:Meldet sich ein Patient mit Verdacht auf einen Arztfehlerbei seiner Krankenkasse, beauftragt sie den MDK, ein Gutachten zu erstellen. Oft stellen die Gutachter tatsächlich einen Behandlungsfehler fest. Das heißt laut Arlt aber nicht, dass andernfalls definitiv kein Fehler vorliegt. Der MDS erstelle sein Gutachten nur „nach Papier“, erklärt Arlt, also auf Basis der Unterlagen, die ihm vorliegen. „Es kommt ja nicht zu einem Verfahren.“ Sei der Patient fest von einem Fehlverhalten des Arztes überzeugt, sollte er bei einem Gutachten, das etwas anderes bescheinigt, nicht einfach aufgeben. Er sollte sich einen Anwalt nehmen und vor Gericht ziehen. „Weil ich im Gericht andere Möglichkeiten habe“, sagt Arlt. Dazu zähle die Zeugenbefragung.

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