Wachkoma: Angehörige haben kein automatisches Mitspracherecht
Braunschweig (dpa) - Was tun, wenn ein Angehöriger im Wachkoma liegt und die Ärzte keine Hoffnung mehr haben? Ohne Patientenverfügung eine heikle Situation, wie ein aktueller Fall zeigt.
Wenn bei einem Wachkoma-Patienten keine Patientenverfügung vorliegt, wird es kompliziert, erklärt der geschäftsführende Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung Eugen Brysch vor dem Hintergrund des Falls eines 26-Jährigen, der seine im Wachkoma liegende Mutter getötet hat und dafür nun ins Gefängnis muss. Über die rechtliche Situation von Patienten im Wachkoma und ihren Angehörigen spricht Brysch im Interview „Drei Fragen, drei Antworten“.
Können Angehörige den Tod eines Wachkoma-Patienten rechtlich durchsetzen?
Brysch: „Patienten im Wachkoma sind keine sterbenden Menschen. Sie haben ein Recht auf Therapie. Jedoch müssen Ärzte immer wieder überprüfen, ob ihr Angebot einen Vorteil für den Betroffenen bringt. Ist der nicht gegeben, dann ist Sterbebegleitung angezeigt. Anders sieht das bei dem Betroffenen aus. Jeder Mensch hat das Recht, über sein Sterben selbst zu entscheiden. Das Dilemma beginnt, wenn sich der Patient nicht mehr äußern kann. Deshalb sind Patientenverfügungen so wichtig. Liegt keine Patientenverfügung vor, muss der mutmaßliche Patientenwille ermittelt werden. Angehörige haben kein automatisches Mitspracherecht. Dazu bedarf es einer entsprechenden Vollmacht.“
Sind Pflegeheime gesetzlich verpflichtet, Angehörige neutral über die gesetzlichen Möglichkeiten aufzuklären?
Brysch: „Auch das Pflegeheim hat kein Mitspracherecht bei der Frage von Leben und Sterben. Einzig und allein der Wille des Patienten zählt. Immer wieder erfahren wir, dass Pflegeheime praktisch eine Art höhere Instanz übernehmen wollen. Wenn Bevollmächtigte unsicher sind, sollten sie Rat bei einer unabhängigen Pflegeberatung oder der Patientenschutzorganisation einholen. Der Rat kostet nichts.“
Kann eine Patientenverfügung eine Situation wie die des 26-Jährigen vermeiden?
Brysch: „Der Gesetzgeber hat im Patientenverfügungsgesetz sehr genau formuliert, welche Anforderungen ein schriftliches Dokument erfüllen muss, damit es umgesetzt werden kann. Leider liegen in der Regel - wie auch in diesem Fall - keine differenzierten Dokumente vor. Dann kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Patienten an. In der Praxis kommt es vor, dass bei Befragungen von Angehörigen von unterschiedlichen Erinnerungen berichtet wird. Manchmal werden auch eigene Wertvorstellungen auf den Betroffenen projiziert. Deshalb ist das Gespräch zwischen Bevollmächtigten und Arzt unerlässlich.“