Wann Muskelkrämpfe ein Fall für den Arzt sind
Halle (dpa/tmn) - Wenn die Wade zuckt, ist das nicht nur unangenehm, sondern womöglich ein Anzeichen für eine ernsthafte Erkrankung. Der Muskelkrampf kann viele Ursachen haben. Ein gründlicher Check beim Arzt hilft, Kritisches auszuschließen.
Mitten im Schlaf beginnt die Wade zu zucken. Die Muskulatur verhärtet sich, ein stechender Schmerz fährt durch das Bein. Treffen kann es jeden. Aber vor allem bei Sportlern und Älteren krampft regelmäßig der Muskel. Die meisten Muskelkrämpfe treten während einer längeren Ruhephase oder unter starker Belastung auf. In manchen Fällen steckt eine ernsthafte Erkrankung hinter dem Zittern.
„Muskelkrämpfe können ein Anzeichen für eine Unterfunktion der Schilddrüse oder eine Entzündung im Muskel sein“, sagt Prof. Stephan Zierz, Direktor der Neurologischen Uniklinik in Halle. Auch andere Erkrankungen, die den Muskel beschädigen, seien denkbar. „Muskelkrämpfe sind ein vieldeutiges Symptom.“
Ein Besuch beim Arzt bringt Aufklärung. „Wenn das Krampfen länger anhält und es zu einer Behinderung im Alltag kommt, sollte man sich untersuchen lassen“, rät Zierz. Der Krampf an sich sei zwar unangenehm, aber im Gegensatz zu einem epileptischen Anfall nicht gefährlich. Und auch nicht jedes Zittern ist gleich behandlungsbedürftig.
Wie genau der Muskelkrampf entsteht, ist unklar. „Bei einer Überlastung kann es zur Übererregung im Rückenmark kommen“, erklärt Prof. Dieter Böning, Vizepräsident des Berliner Sportärztebunds. Es entstehe ein „Wirrwarr“ in den Nerven, das auf die Muskeln übertragen wird. Das führe letztlich zu einem schnellen Wechsel von Krampfen und Entkrampfen. Die starken Schmerzen entstehen durch die Bewegung der Muskelfasern, die die umliegenden Schmerzrezeptoren erregen. „Um die Kontraktion zu beenden, sollte am Muskel gezogen werden“, erläutert Böning. „Dadurch werden die Zellen im Rückenmark blockiert.“ Entsteht der Krampf während einer sportlichen Betätigung, hilft es, den betroffenen Körperteil sofort zu entlasten.
Als Ursache wird bei Sportlern häufig ein Wasser- oder ein Elektrolytverlust ausgemacht. Auch Durchblutungsstörungen, ein schlechter Trainingszustand und Überanstrengung können den Muskelstoffwechsel unterbrechen und ein Verkrampfen provozieren. Die Beinmuskulatur trifft es dabei am häufigsten. „Das liegt daran, dass diese einer besonderen Belastung ausgesetzt ist“, sagt Böning. Vor allem die Wade und das Fußgewölbe werden beim Laufen beansprucht.
Die Einnahme von Kochsalz und das Trinken von isotonischen Getränken könne den Elektrolytmangel ausgleichen, empfiehlt Böning. Das beuge einem Krampf vor. „Das Erwärmen vor dem Sport und eine angepasste körperlichen Leistung senken das Risiko eines belastungsabhängigen Krampf“, erläutert Ute Repschläger vom Bundesverband selbstständiger Physiotherapeuten IFK in Bochum.
Um Krämpfe zu behandeln, wird die Muskulatur gedehnt. „Der Muskel kann passiv mit der Hand massiert oder aktiv mit Übungen gestreckt werden“, sagt Repschläger. „Das lockert die Muskulatur und löst die Verkrampfung.“ Langfristig hilft ein leichtes Kraft-, Ausdauer- und Koordinationstraining. Die Balance auf instabilen Geräten wie Kreiseln und Wackelbrettern zu üben, ist ebenfalls sinnvoll. Warme Wickel und heiße Bäder entspannen die Muskulatur zusätzlich. „Am besten den Muskel mit einem feuchtwarmen Handtuch massieren“, rät die Physiotherapeutin. Das senke den Muskeltonus. Eine Wärmflasche an der betroffenen Stelle könne auch helfen.
Bei starken oder wiederholt auftretenden Krämpfen können Ärzte Medikamente aus der Epilepsietherapie und der Schmerzforschung verordnen. „Herkömmliche Medikamente wie Aspirin und Paracetamol verschaffen keine Linderung“, sagt Zierz.
Von Nahrungsergänzungsmitteln wie Magnesium- und Kalziumtabletten raten die Experten ab. „In den wenigsten Fällen ist die Einnahme von Magnesium wirksam“, erläutert Zierz. „Nur bei akuten Veränderungen wie starkem Schwitzen oder Durchfall kann das sinnvoll sein.“ Wer unüberlegt zu solchen Präparaten greift, riskiere eine gefährliche Überdosis. Im Extremfall können Zierz zufolge die Leber und das Kleinhirn Schäden davon tragen.