Weihnachtsgebäck im Herbst - ein Klassenschlager

Berlin (dpa) - Glühwein im Spätsommer? Lebkuchen-Herzen schon im Oktober? Ein Unding, finden die Deutschen jeden Herbst aufs Neue - und legen dann doch verstohlen eine Packung Dominosteine in den Einkaufswagen.

Auch wenn's am Ende keiner gewesen sein will, für den Handel ist der Verkauf der frühen Weihnachtsnaschereien längst ein Riesengeschäft. „Wenn sie da sind, werden sie auch gekauft“, sagt Real-Sprecher Markus Jablonski. Seit August führt der Lebensmittelhändler 80 solcher Artikel - von Spekulatius bis Printen.

Im Oktober beginne das volle Programm mit allem, „was richtig nach Weihnachten aussieht“. Und überhaupt: „Wer sagt denn, dass Spekulatius nur zur Weihnachtszeit schmecken dürfen?“, sagt Jablonski. In der Branche heißen solche Knuspereien deswegen „herbstliches Gebäck“. Konkrete Zahlen will das Unternehmen nicht nennen, nur so viel: Die Nachfrage sei „vom ersten Moment an“ groß. „Viele Kunden warten schon sehnsüchtig auf die ersten Dominosteine im Jahr.“

Über sich selbst würden so etwas wohl die wenigsten sagen. Im Online-Netzwerk Facebook hat sich sogar eigens die Gruppe „Kein Lebkuchen vor dem 1. Advent“ formiert. Doch warum lohnt der frühzeitige Handel damit trotzdem?

„Es ist jedes Jahr dasselbe“, sagt Stefan Hertel, Sprecher des Handelsverbands Deutschland (HDE) in Berlin. „Man echauffiert sich und kauft es dann doch.“ Eine Rolle spiele dabei möglicherweise auch, dass so schon ein kleines Vorspiel für Weihnachten anfangen könne, sagt Hertel. „Es mag verblüffend sein - auch für viele Leute, die sich dann selber dabei erwischen.“

Für die Händler ist das frühzeitige Geschäft mit Lebkuchen & Co. teilweise sogar einträglicher als in der Adventszeit. „Im Dezember und kurz vor Weihnachten verzehren die Kunden ihre eigenen selbstgebackenen Sachen und greifen auf die Ware in den Märkten nur schleppend zurück“, sagt Rewe-Group-Sprecher Thomas Bonrath. Konkrete Zahlen nennt auch er nicht. Aber: „Gehen Sie davon aus, dass im Oktober mehr als doppelt soviel Weihnachtsgebäck verkauft wird wie im Dezember.“

Der Aachener Lebkuchenhersteller Lambertz bestätigt diese Tendenz. „Im Monat Dezember erhält Lambertz naturgemäß weniger Order von unseren Handelspartnern, da die Lebkuchensaison ab Mitte Dezember langsam ausläuft“, teilte das Unternehmen mit.

Lambertz verweist zudem auf Zahlen des Marktforschungsinstituts GfK. Demnach wird nach Lebkuchen in den Monaten September bis November fünfmal mehr verlangt als nach zeitlosem Gebäck.

Größere Einbußen bei anderen Naschereien müssen Händler trotzdem nicht befürchten: „Schokolade gibt es das ganze Jahr, da hat man so seine Gewohnheiten, wann man eine braucht“, sagt HDE-Sprecher Hertel. „Spekulatius ist ja dann schon was Besonderes - das geht eher zusätzlich weg.“ Real-Sprecher Jablonski bestätigt: „Das ist zum größten Teil nochmal on top.“

Warum viele Kunden vorher erst einmal meckern? Die „skeptischen Verbraucherstimmen zum frühen Verkauf“ stünden zumindest „im direkten Widerspruch zu den sehr hohen Absatzzahlen“, sagt Bonrath von der REWE Group.

Was noch erstaunlich ist: Zu Ostern stören sich die Wenigsten an frühzeitigen Schoko-Hasen und Fondant-Eiern. Bei Real kommen die ersten Oster-Artikel Ende Februar in die Regale. „Da meckert komischerweise niemand“, sagt Jablonski. „Das Thema scheint emotional nicht so aufgeladen zu sein.“