Neue Grenzwerte für Blei im Trinkwasser - Rohre ersetzen

Berlin (dpa/tmn) - Verhaltensstörungen, Hyperaktivität, verminderte Intelligenz: Das können die Folgen sein, wenn Schwangere und Kinder bleihaltiges Wasser trinken. In Deutschland gibt es noch immer Bleirohre in Haushalten.

Sie müssen bis Dezember ausgetauscht werden.

Das Trinkwasser in Deutschland hat eine gute Qualität. Wer seinen Durst schnell löschen will, braucht zu Hause nur den Hahn aufzudrehen. Allerdings ist das Wasser aus der Leitung in manchen Häusern nur mit Vorsicht zu genießen: Bleirohre führen zu erhöhten Bleiwerten, die auf Dauer gesundheitsschädlich sind. Die Politik hat das Problem erkannt und den Grenzwert für Blei im Trinkwasser verschärft. Am 1. Dezember tritt die Änderung in Kraft. Um den neuen Höchstwert einzuhalten, müssen Hausbesitzer jetzt die alten Bleirohre austauschen.

„Blei ist ein Nervengift“, sagt Alexander Eckhardt, Toxikologe beim Umweltbundesamt im sächsischen Bad Elster. „Ein zu hoher Bleigehalt im Blut kann zu Verhaltensstörungen, Hyperaktivität, Beeinträchtigungen der Intelligenz, der Aufmerksamkeit und der Feinmotorik führen.“ Gefährdet sind vor allem Säuglinge, Kleinkinder und Schwangere.

Das besonders stark belastete Standwasser morgens erst einmal eine Weile ablaufen zu lassen, verringert zwar die Bleikonzentration. Doch das bietet langfristig keinen sicheren Schutz vor Gesundheitsschäden. Schon einmal wurde der Grenzwert für Blei im Trinkwasser deutlich gesenkt: Waren zuvor noch 40 Mikrogramm je Liter zugelassen, sind es seit Dezember 2003 nur noch 25 Mikrogramm. Ab 1. Dezember 2013 gilt ein Höchstwert von 10 Mikrogramm pro Liter.

„Dieser neue Grenzwert kann nirgendwo eingehalten werden, wo es noch Bleirohre gibt“, sagt Thomas Rapp, Trinkwasserexperte beim Umweltbundesamt. Alternativen wie die Auskleidung der Rohre mit Epoxid-Harz hält er für ungeeignet. „Löst sich die Beschichtung auch nur an der kleinsten Stelle, ist das ganze Verfahren umsonst.“ Auch Filter seien keine Lösung: Werden sie nicht regelmäßig gewartet, reichert sich Blei dort erst recht in hoher Konzentration an.

Die gesundheitsschädigende Wirkung des Schwermetalls ist schon lange bekannt. In Süddeutschland sind Bleirohre zum Transport von Trinkwasser seit 1878 verboten. In Nord- und Ostdeutschland hingegen wurden noch bis Anfang der 70er Jahre Bleirohre verlegt. Wie viele Altbauten noch betroffen sind, lässt sich schwer schätzen.

Laut einer nicht repräsentativen Auswertung der Stiftung Warentest wiesen 2010 die Regionen um Kiel, Hamburg, Bremen, Schwerin, Berlin, Potsdam, Magdeburg und Leipzig überdurchschnittlich häufig eine erhöhte Bleikonzentration im Trinkwasser auf. Rund fünf Prozent der eingesandten Proben enthielten mehr als 25 Mikrogramm pro Liter.

„Zunächst sollte der Mieter den Hausbesitzer auffordern, nachzuweisen, dass das Trinkwasser unbedenklich ist“, rät Sylvia Sonnemann vom Hamburger Verein „Mieter helfen Mietern“. Kommt dieser der Aufforderung innerhalb von zwei Wochen nicht nach, kann der Mieter selbst eine Analyse in Auftrag geben. Die Hamburger Wasserwerke etwa bieten kostenlose Untersuchungen für Haushalte mit Schwangeren und Kleinkindern bis zu einem Jahr an. Alle anderen zahlen 20,23 Euro für eine einfache Analyse.

„Die reicht aus, da es zunächst nicht auf gerichtsverwertbare Gutachten ankommt“, sagt Sonnemann. Stellt sich heraus, dass der Bleigehalt zu hoch ist, könne der Eigentümer zum Austausch der Rohre aufgefordert und verklagt werden. Werden die Grenzwerte regelmäßig überschritten, liegt ein gesundheitsgefährdender Mangel der Mietsache vor. Dieser berechtigt zu einer Mietminderung. Das Amtsgericht Hamburg hat einem Mieter eine Minderung von fünf Prozent zuerkannt, bei einem Kleinkind im Haus eine Minderung von neun Prozent. „Der Austausch der Bleirohre ist eine Instandsetzungsmaßnahme und keine Modernisierung. Die Kosten dürfen daher nicht auf die Mieter umgelegt werden“, erläutert Sonnemann.

Mit einem Blick auf die Rohre kann jeder schnell herausfinden, ob es sich Bleirohre handelt: Die silbergrauen Leitungen sind relativ weich und lassen sich mit einem Messer leicht einritzen. Beim Klopftest klingen sie dumpf und nicht metallisch.

Besser geeignet sind Kupfer, Edelstahl oder Kunststoffe. „Wenn man nicht auf die Kosten guckt, ist sicherlich Edelstahl das Optimum“, sagt Reimund Stewen vom Verband Privater Bauherren aus Köln. Für die Sanierung eines Einfamilienhauses geht er von Kosten um die 3000 bis 4000 Euro aus. Günstiger werde es, wenn man die alten Leitungen nicht herausreißt, sondern stilllegt, und die neuen über Putz verlegt.

Service:

Weitere Informationen bietet der kostenlose Ratgeber „Trink was — Trinkwasser aus dem Hahn“ des Umweltbundesamtes.