Forscher wollen Meeressteuer zum Schutz der Ozeane
Hamburg (dpa) - Mit einer international gültigen Meeressteuer könnte nach Ansicht von Wissenschaftlern der Schutz der Ozeane deutlich vorangetrieben werden.
Bei einer Konferenz in Hamburg schlugen Meeresforscher aus Europa und den USA am Freitag eine Art „Tobin-Steuer“ für alle Nutzer vor - etwa für jeden transportierten Container, aber auch für Taucher. Die Tobin-Steuer ist eine bisher nicht eingeführte Finanztransaktionssteuer auf internationale Devisengeschäfte. Die Ausbeutung der Ozeane koste die Gesellschaft schließlich zehn- bis hundertmal mehr als deren vorsorglicher Schutz, begründeten die Wissenschaftler ihren Vorstoß.
Bei der Tagung - der ersten von drei geplanten Ozeankonferenzen - diskutierten rund 70 Forscher über mögliche internationale Regelungen für einen vernünftigen Umgang mit den Meeren. Dabei geht es vor allem um den Zwiespalt zwischen Meeresschutz und wirtschaftlichen Interessen wie Ölförderung oder Fischfang. „Nutzung und Schutz zusammenzubringen, das ist eine ganz schwierige Frage“, sagte Prof. Martin Visbeck vom Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“.
Gerade in der Arktis zeigt sich dieser Konflikt deutlich: Sie ist vom Klimawandel besonders betroffen - und gleichzeitig ringen dort Staaten um die Gewinnung fossiler Brennstoffe. „Obwohl die fossilen Brennstoffe der Grund sind, dass die Arktis so unter Druck ist“, sagte Prof. Peter Schlosser von der Columbia University in New York.
Nicht einmal aus der Umweltkatastrophe nach der Havarie der Ölplattform „Deepwater Horizon“ hätten die Beteiligten gelernt, kritisierte der Vorstand der Golf von Mexiko Stiftung, Quenton R. Dokken. Noch immer seien die konkreten Folgen von Ölverschmutzungen für das Meer wissenschaftlich weitgehend unbekannt. Auch der Kieler Klimaforscher Prof. Mojib Latif beklagte die „nachhaltige Tatenlosigkeit“ von Politik und Wirtschaft bei Meeres- und Klimaschutz. „Wir verschenken das Tafelsilber der Meere, noch bevor wir es richtig kennen“, monierte die Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven, Prof. Karin Lochte.
Es gebe zwar Konventionen zum Meeresrecht, sagte Visbeck - aber manche Staaten hätten nicht den Willen, sich daran zu halten, oder schlicht nicht die Kapazitäten für Kontrollen. Nach seiner Ansicht wäre es sinnvoll, politischen Institutionen für ihr Engagement beim Meeresschutz eine Art Zeugnis auszustellen. „Das wird in Amerika recht erfolgreich gemacht.“
Die politische Bewertung und der gesetzliche Schutz der Meere seien auch deshalb schwierig, weil der Wert des Ozeans schwer zu beziffern ist. „Nur ein Bruchteil der Lebewesen in den Ozeanen ist bekannt, und es gibt viel zu wenige Informationen über Technologien zur Nutzung der Meere“, betonte Prof. Doris König von der Bucerius Law School in Hamburg. „Daher fällt es schwer, dringend notwendige vernünftige internationale Regeln aufzustellen.“
Die Forscher streben die Gründung einer Europäischen Ozeankommission mit Sitz in Hamburg an. Sie solle wichtige wissenschaftliche Erkenntnisse künftig schneller in die Politik bringen. „Eine enge Zusammenarbeit mit der bereits bestehenden amerikanischen Ozeankommission wird angestrebt, um globale Herausforderungen wie die Verschmutzung der Ozeane und den schnell fortschreitenden Klimawandel über die Grenzen der Kontinente lösen zu können“, hieß es. Die beiden weiteren Konferenzen sollen 2012 in New York und 2013 in Lissabon organisiert werden.