Für Naturfreaks und Normalos - Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen
Gülzow (dpa/tmn) - Bauen mit Holz, Lehm, Stroh und Reet war früher selbstverständlich. Heute sind nachhaltige Baustoffe bei vielen Bauherren wieder gefragt. Sie geben das gute Gefühl, etwas für die Umwelt und für sich selbst zu tun.
Bauen mit nachwachsenden Materialien ist längst nicht mehr nur etwas für Restauratoren denkmalgeschützter Gebäude oder eingefleischte Naturfreaks. Holz, Lehm, Kork, Harze, Leinöl, ätherische Öle und Cellulose halten Einzug in den Wohnungsbau. „Es gibt ein angenehmes Raumklima“, findet René Görnhardt von der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe. „Man merkt einfach den Unterschied, wenn man ein Haus betritt, in dem natürliche Materialien verbaut wurden. Es strahlt eine gewisse Behaglichkeit aus.“
Der Klassiker ist das Holzhaus. Es gibt industriell vorgefertigte Bauteile, die schnell auf der Baustelle montiert werden. Und sie können, müssen aber nicht, von außen wie ein Holzhaus aussehen. „Trotz dieser Vorzüge entscheiden sich viele Bauherren am Ende doch für konventionelle Baumaterialien“, sagt Görnhardt. Ein Grund seien die strengen Auflagen der Energieeinsparverordnung (EnEV). „Das wird Holzhäusern und Naturmaterialien oft nicht zugetraut - dabei ist es durchaus machbar.“
Allerdings muss dazu meist mehr Geld in die Hand genommen werden. Entscheidend ist hier etwa die Wärmeleitfähigkeitsgruppe (WLG) eines Dämmstoffs. „Einige Naturdämmstoffe haben einen höheren WLG-Wert als beispielsweise Mineralwolle“, erklärt Görnhardt. „Je höher dieser Wert ist, umso mehr Dämmstoff muss verwendet werden, um die geforderten Kriterien der EnEV zum Beispiel für eine Außenwand zu erreichen.“ Und das bedeutet, die Wand wird dicker.
Für den Bau eines Hauses auf natürlicher Basis braucht man einen Architekten oder Planer mit Erfahrung. „Das ist relativ schwierig, denn es gibt nur wenige Experten, die sich auf ökologisches Bauen spezialisiert haben“, sagt Dieter Leukefeld vom Verband Privater Bauherren (VPB). Sein Verband hilft bei der Suche. Auch das Institut für Baubiologie Neubeuern (IBN) sowie der Bund Deutscher Architekten (BDA) haben Datenbanken für ökologisch tätige Architekten.
Den größten Nutzen für Natur, Umwelt und die Gesundheit bringt das Haus, wenn es zu hundert Prozent mit Naturmaterialien gebaut wird. „Nachwachsende Rohstoffe können in nahezu allen Bereichen und Gewerken verwendet werden, von tragenden Konstruktionen über Wärmedämmung, Fassadenverkleidung, Dächer, Bodenbeläge, Anstriche und vieles mehr“, sagt René Görnhardt.
Vielseitig einsetzbar im Haus ist zum Beispiel Lehm. Bauelemente und Materialien aus Lehm gibt es in industriell konfektionierten Formen, so dass sie leicht eingesetzt werden können. Im Innenbereich des Hauses wird das Material meist als Putz verwendet. „Lehm reguliert durch die Aufnahme und Abgabe von Wasserdampf die Luftfeuchtigkeit auf natürliche Weise“, erklärt Stephan Jörchel, Geschäftsführer des Dachverbands Lehm. „Das verbessert das Raumklima und beugt Schimmel vor.“ Lehm ist deshalb besonders für Räume wie die Küche oder das Bad geeignet, in denen viel Wasserdampf entsteht.
Allerdings dürfen die Lehmbaustoffe nicht mit Farbstoffen oder Abdeckungen abgedichtet werden, die ihre Diffusionsfähigkeit beeinträchtigen. Das ist ein Fehler, der in der Praxis bei unerfahrenen Hand- und Heimwerkern häufiger vorkommt. Es gibt aber vom Fachverband die zertifizierte Zusatzausbildung Fachkraft Lehmbau. „Ein Handwerker oder Architekt, der Bauherren dieses Zertifikat vorweisen kann, gibt ihnen die Sicherheit, dass er sich mit dem Metier auskennt“, sagt Stephan Jörchel.
Bauherren, die mit nachwachsenden Rohstoffen bauen wollen, müssen viel Eigeninitiative an den Tag legen, um das passende Material zu finden. „Eine gute Quelle sind Naturbaustoffhändler“, sagt Görnhardt. Viel läuft aber auch über Handwerker, die mit den entsprechenden Firmen zusammenarbeiten und die Produkte bestellen. Prüfsiegel für Naturprodukte helfen nur begrenzt weiter. „Weil sie Geld kosten, lassen sich nicht alle Hersteller darauf ein“, sagt Görnhardt. Also kann es auch sehr gute Produkte geben, die kein Prüfsiegel haben.
Er rät deshalb Verbrauchern, die Verpackungen genau zu studieren. Bei der sogenannten Volldeklaration müssen Firmen lückenlos alle Inhaltsstoffe auflisten. „Da kann der Verbraucher besser als durch ein Prüfzeichen erkennen, woran er ist.“