Gärtnern nach Hildegard von Bingen
Berlin (dpa/tmn) — Vor 900 Jahren schrieb eine einfache Äbtissin aus dem heutigen Rheinland-Pfalz ihr Wissen über Pflanzen auf. Die Beobachtungen der Hildegard von Bingen sind bis heute aktuell - und auch bei Hobbygärtnern gefragt.
Das Wissen um Heilpflanzen ist zurzeit wieder gefragt. Viele Apothekergärten sind zuletzt neu entstanden. Dort wird sehr altes Pflanzenwissen genutzt Die Äbtissin Hildegard von Bingen etwa schrieb vor rund 900 Jahren Beobachtungen über Heilpflanzen auf. Diese Informationen und Hildegards ganzheitlicher Blick auf das Leben haben bis heute nicht an Aktualität verloren - was auch Hobbygärtner schätzen.
„Wir können das Leben der Menschen aus dem Mittelalter in unsere Zeit holen und uns dadurch bereichern lassen“, findet Gerda Tornieporth, Autorin des Buches „Hildegard von Bingen - das Gartenbuch“. Sie hat darin einen Hildegard-Garten beschrieben, der 45 Pflanzen enthält. „Für mich waren bei der Idee dieses Idealgartens besonders die Pflanzen wichtig, die auch in meinem Garten stehen: Heilpflanzen, Küchenpflanzen und Blumen.“
Und das geht laut der Autorin sogar auf kleinem Platz: Sie pflanzt auf einer Fläche von etwa acht mal sechs Metern an. Den Mittelpunkt des Gartens bildet ein kugelförmiger Sprudelstein, der den Mond symbolisieren soll. Darum gruppieren sich Beete in Dreiecksform. „Auch Düfte gehören in einen Garten nach Hildegard“, erklärt Tornieporth. „Deswegen haben Lilien und Veilchen ihren festen Platz.“
Hildegard von Bingen (1098-1179) war eine Nonne und Äbtissin im Benediktinerkloster. Sie verfügte über einen enormen Wissensschatz, was Kräuter, Gemüse und Gehölze betraf. In ihrer Sammlung „Physica“, verfasst 1151 bis 1158, beschreibt die Gelehrte rund 300 Kräuter, Sträucher und Bäume und deren Heilwirkung auf den Menschen. Der wohl älteste Garten nach Hildegard ist der Kräutergarten des Benediktinerklosters auf der Reichenau. Die Insel im Bodensee zählt seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe.
Dort gedeiht auch eine wichtige Pflanze des Hildegard-Gartens, die Poleiminze (Mentha Pulegium). Hildegard schrieb der Pflanze eine verdauungsfördernde Wirkung zu, sie fördere die Durchblutung und sei harntreibend. Sie wurde daher im Mittelalter gerne für schwere Speisen verwendet. „Wie die meisten meiner Stauden hier im Garten braucht auch die Poleiminze keinen extrem guten Boden“, sagt der Gärtner Uwe Meier von der Insel Reichenau. „Viel Sonne und wenig Wasser, das tut der Poleiminze gut.“ Die winterharte Pflanze sollte, falls sie in höheren Lage wächst, in den kalten Monaten abgedeckt und so vor dem Erfrieren geschützt werden.
Auch die Quitte (Cydonia oblonga) gehört in den Garten der Hildegard. Sie ist grundsätzlich anspruchslos - mit einer Ausnahme: „Ab 600 bis 800 Metern gedeiht die Quitte nicht mehr“, sagt der Gärtner Friedhelm Strickler, der sich um den „Hildegarten“ in Bingen am Rhein in Rheinland-Pfalz kümmert. Er wässert die Pflanze nur, wenn es sehr heiß ist. Und er schneidet den Baum nur, wenn die Äste zu dicht stehen. „Junge Quitten bindet man am besten an einen Pfahl“, nennt Strickler einen der wenigen Handkniffe, die ein Gärtner machen sollte. Nach zwei bis drei Jahren könne er die ersten Früchte ernten. Laut Hildegard von Bingen sind die gekochten Quitten sehr bekömmlich.
Der Fenchel (Foeniculum vulgare) steht im Neuen Botanischen Garten der Universität Hohenheim in Stuttgart im Beet der Heilpflanzen für die Atemwege. Die Anlage ist in sieben Beete nach den Arten von Erkrankungen eingeteilt, die Hildegard in ihren Schriften erwähnt. Dem Fenchel hat sie auch eine wohltuende Wirkung bei Sodbrennen, Blähungen und Verstopfung zugeschrieben.
„Für den Staudenfenchel, den wir hier anbauen, ist ein lockerer Lehmboden optimal“, sagt Michael Schurer, Gärtnermeister in Hohenheim. „Das Wasser sollte immer leicht abfließen können.“ Er gieße den Fenchel nur beim Einpflanzen an, sonst brauche die Pflanze kaum Wasser. Nach einem Dreivierteljahr können Gärtner die ersten Fenchelknollen ernten. „Wer zu Hause Fenchel anbauen will, sollte darauf achten, dass er artenreine Samen aus Staudengärtnereien bekommt, die sich auf Biogemüse spezialisiert haben“, erläutert Schurer.
Die meisten Pflanzen, die sich für einen Garten nach Hildegard eignen, lassen sich durch Samen vermehren und sind genügsam in ihren Ansprüchen. Sie brauchen keinen besonderen Boden. Der Gärtner muss nur dafür sorgen, dass seine Pflanzen immer genug Wasser bekommen. Für die Anlage eignet sich ein Gelände mit Licht— und Schattenplätzen, denn einige der Pflanzen wie der Hirschzungenfarn lieben schattige Orte.
Gibt es keinen Schatten, kann der Hobbygärtner durch die richtige Bepflanzung dafür sorgen: Am besten kommen höherwüchsige vor niedrigere Pflanzen. Einige der Hildegard-Bäume wie die Zitrone oder die Quitte mögen hingegen sonnige Standorte.