Kampf dem Müllberg: Baumwollwickler machen mobil
München (dpa) - Im Schnitt 4,5 Windeln täglich und das rund 30 Monate lang: Ein Durchschnitts-Baby verbraucht über 4000 Einwegwindeln und verursacht rund 150 Kilo Windelmüll. Die Alternative: Stoffwindeln.
Die Geschäftsidee: ein Windelservice.
Stoffwindeln sind umweltfreundlicher und besser für empfindliche Babyhaut, loben Umweltschützer. „Wegwerfwindeln machen viel Müll. Ihr Anteil am Müllaufkommen liegt in manchen deutschen Städten bei zehn Prozent“, teil der Umweltverband BUND mit. Dieser empfiehlt Windeln aus ökologisch angebauter und verarbeiteter Baumwolle. Der Verband räumt allerdings ein: „Auch Stoffwindeln belasten die Umwelt, aber ihre Ökobilanz lässt sich leicht verbessern.“ Demnach sollen Windeln nur bei 60 Grad mit einem umweltschonenden Waschmittel gewaschen und anschließend zum Trocknen aufgehängt werden.
Aber nicht jeder will Stoffwindeln waschen. Doch das kann ein Windeldienst übernehmen. Das kostet zwar etwas mehr, spart aber Zeit und Mühe. Auch zwei Väter aus München machen in Sachen Stoffwindeln mobil. Thomas Frasch und Dominik Mayer sind überzeugte Baumwollwickler. Die beiden Väter betreiben seit sechs Jahren den Windelservice München. Die Idee: Einmal pro Woche beliefern sie ihre Kunden mit frisch gewaschenen Windeln und nehmen dafür die benutzten Windeln zur Reinigung mit.
Das Konzept ist nicht ganz neu. Schon Anfang der neunziger Jahre habe es in Deutschland einige Windeldienste und sogar einen Verband für Windeldienste in Europa gegeben, sagt Frasch. Der promovierte Chemiker kam während seines Studiums mit der Technologie der Wegwerfwindeln in Kontakt. Nach der Geburt seines Sohnes im Juli 2003 entschied er sich für Baumwollwindeln. „Selbst gewaschen habe ich die Windeln aber nie“, sagt der 37-Jährige. Er bezog sie lieber von einem Windeldienst. Als dieser den Geschäftsbetrieb einstellte, gründete Frasch gemeinsam mit dem studierten Sonderpädagogen und Krankenpfleger Mayer einen eigenen Windelservice.
Seit April 2005 beliefern sie mit ihrem Erdgasauto zwischen 110 und 150 Familien aus München und dem nahen Umland. Damit sind sie nach eigenen Angaben der größte von schätzungsweise fünf vergleichbar professionellen Windeldiensten in Deutschland. Frasch kümmert sich um den Windelservice, Mayer betreibt den Online-Shop und hält im Ladengeschäft die Stellung. Unterstützung bekommt er von zwei Teilzeitkräften.
Frasch erklärt seinen Kunden am liebsten „am lebenden Objekt“ wie der Windeldienst funktioniert. Jedes Kind bekommt sein eigenes Paket aus nummerierten Baumwollwindeln. Zum Anlegen ist keine besondere Falttechnik nötig. Überhosen mit Klettverschluss sollen den waschbaren Stoffteil halten und vor Auslaufen schützen. „Das ist kein Origami. Sogar Männer können mit dem System ihre Kinder wickeln“, meint Frasch. Bis zum nächsten Abholtermin werden die benutzen Windeln in einem geruchsdichten Behälter gelagert, der ebenfalls vom Windelservice gestellt wird. Zwar sei der Service nicht billig - die „Windel-Flatrate“ bis das Kind trocken ist, kostet 1800 Euro - aber die Vorteile seien es wert.
„Die Kinder haben weniger Hautprobleme als mit Wegwerfwindeln“, erklärt Frasch. Außerdem würden sie früher trocken; die meisten zwischen zwei und drei Jahren. „Meine persönlichen Erfahrungen zeigen eindeutig, dass Babys mit Wegwerfwindeln häufig weit länger als nur dreißig Monate Windeln tragen. Gerade nachts haben selbst fünfjährige Kinder noch sehr häufig eine Wegwerfwindel an", sagt Frasch. Wegwerfwindeln schließen die Feuchtigkeit sofort ein, so dass die Kleinen den Zusammenhang zwischen „Pipi“ und nassem Popo nicht erkennen. Bei Stoffwindeln setze der Lerneffekt schneller ein, weil die Windeln fühlbar nass würden - warm und feucht, aber nicht unangenehm, sagt Frasch.
Der ökologische Vorteil von Stoffwindeln hänge stark von regionalen Gegebenheiten ab, erklärt der Unternehmer. In München sei der Windelservice sinnvoll. Die Wege zu den Kunden seien mit drei bis vier Kilometern kurz und die Großwäscherei liege zentral. Da sich die Stadt im Wasserüberflussgebiet befinde, könnten Wasserkosten vernachlässigt werden. Zudem sei das Waschmittel biologisch abbaubar und die Reinigung in der Großwäscherei sparsamer als in der heimischen Waschmaschine.
Frasch räumt auch Wegwerfwindeln eine Daseinsberechtigung ein. Wie die meisten Baumwollwickler nutzt auch er ab und an Einwegwindeln. Da müsse jeder seine Mischung finden. Als großes Problem der Wegwerfwindeln betrachtet der Chemiker ihren negativen Brennwert, der die Entsorgung aufwändiger macht. Verlässliche Studien, die eindeutige Vorteile für die eine oder die andere Windelvariante belegen, gebe es aber nicht, sagt der Firmengründer.
Die Wickelnden treffen dennoch eine eindeutige Wahl: In über 95 Prozent aller Familien werden Einwegwindeln verwendet, schätzt der Verband der Hersteller von absorbierenden Hygieneartikeln (EDANA). Die übrigen Wickelkandidaten freuen sich über Angebote wie den Windelservice von Thomas Frasch und Dominik Mayer.