Schützenswert, edel und selten - Wildäpfel aus Boppard
Boppard (dpa) - Sein Holz ist hart, seine Früchte auch. Der Wildapfel, „Baum des Jahres 2013“, ist einer der seltensten in Deutschland. Ein Projekt in Rheinland-Pfalz will das ändern.
Zielsicher steuert Gerd Loskant auf einen Baum im Bopparder Stadtwald zu. Der Leiter des Forstamtes hat sich ein ganz besonderes Gewächs ausgesucht, das er den Besuchern einer Waldexkursion näherbringt: den Wildapfel, Baum des Jahres 2013. Dieser und anderen Wildobstarten kommen in Boppard besonders viel Aufmerksamkeit. Denn im Stadtwald werden seit zwei Jahrzehnten seltene heimische Wildobstbaumarten gepflanzt. Insgesamt sind schon mehr als 20 Hektar zusammengekommen - ein in dieser Form einzigartiges Projekt in Rheinland-Pfalz.
„Wildäpfel und kultivierte Äpfel haben nichts miteinander zu tun“, erklärt Loskant. Der Wildapfel sei die ursprüngliche Sorte in Mitteleuropa. Die gelb-grünen Früchte des Baumes sind sehr hart, daher werden sie auch Holzäpfel genannt. Roh sind sie kaum genießbar, erst gekocht oder gedörrt sind sie schmackhaft. Getrocknet werden sie auch zu Tee verarbeitet.
Nach Angaben des Kuratoriums „Baum des Jahres“ gehört der Wildapfel zu den seltensten Bäumen Deutschlands. Seine Früchte und auch anderes Wildobst seien vielen Menschen nicht mehr bekannt, sagt Loskant. Das Bopparder Projekt soll das zumindest im Kleinen ändern. Zu den im Stadtwald gepflanzten Baumarten gehören unter anderem auch der Speierling, die Wildbirne und die Elsbeere.
Der Gedanke hinter dem Projekt des Forstamtes ist einfach: Mit der Pflanzung der Bäume soll die Vielfalt der Natur bewahrt werden. Gleichzeitig bringen Holz und Früchte Geld. Genutzt werden dafür Flächen, auf denen die Orkane Wiebke und Vivian 1990 wüteten. „Hier sind jetzt Wildobstbaumarten zu Hause, deren Bestand gefährdet ist“, sagt Loskant. Es gehe vor allem darum, Holz zu produzieren, ergänzt Ralf Kerber, Leiter des Forstreviers Boppard I. Die Früchte seien ein Nebenprodukt.
Es dürfte noch einige Jahre dauern, bis die Stämme der Bäume dick genug sind, dann aber erhofft sich die Behörde vom Verkauf des Holzes hohe Erträge. Denn solche Hölzer seien etwa in der Möbelindustrie oder bei Instrumentenbauern begehrt. Das trifft vor allem auf die Kirschpflaume mit ihren elliptischen Blättern zu. „Das ist das wertvollste Holz, das wir produzieren“, schwärmt Loskant.
Ein Stück weiter stoppt er an einem Baum, dessen Blätter denen eines Ahorn ähneln. Es ist eine Elsbeere, auch ein sehr seltener Waldbaum. Sein Holz ist sehr widerstandsfähig, Fachleute zählen es zu den edelsten Hölzern Mitteleuropas. Die Frucht sieht aus wie eine Hagebutte. Wenn sie im Oktober reif ist, hat sie eine rotbraune Farbe. „Sie ist in der Gesellschaft wenig bekannt“, sagt Loskant. Ihr Geschmack sei süß-säuerlich, die Kerne hätten ein Mandelaroma.
Rund 300 Kilogramm Elsbeeren wurden im vergangenen Jahr geerntet, erklärt Loskant. In diesem Jahr habe die große Feuchtigkeit im Frühjahr die Ernte zunichtegemacht. Die Erträge schwankten sehr stark. Insgesamt habe das kleine Geschäft mit Wildfrüchten und Produkten im Jahr der Elsbeeren-Ernte rund 5000 Euro eingebracht.
Begehrt sind die Früchte bei Gastwirten aus der Region, darunter die Gemeinschaft der „Welterbe-Gastgeber“ im Mittelrheintal. Sie verfeinern mit der Elsbeere und anderen Wildfrüchten Speisen, produzieren Marmeladen oder Brände. Auf den Speisekarten der Region findet sich entsprechend auch Holzapfel-Meerrettich, Holzapfel-Senf oder Riesling-Holzapfel-Sorbet.
Eine der „Welterbe-Gastgeber“ ist Martina Lorenz, die in St. Goar ein Weinhotel betreibt. Gäste und Menschen aus der Region nähmen immer mehr wahr, was alles an guten Produkten daraus entstehen könne, sagt sie. „Dadurch wächst auch das Verständnis dafür, was der Wald alles hergibt.“ Ähnlich sieht das Margit Gronen, Besitzerin von Ferienwohnungen in Boppard-Oppenhausen. „Das kommt bei Gästen gut an.“ Viele suchten nach dem Besonderen - und das sei Wildobst nunmal.
Sara Scheer vom Zweckverband Welterbe Oberes Mittelrheintal findet, das Wildobst-Projekt verschaffe allen Beteiligten Vorteile. Dem Forstamt brächten die Früchte kleine Einnahmen, die Welterbe-Gastgeber könnten Besuchern Geschichten rund um die Speisen erzählen. „Sie sind Imageträger für die Region“, so Scheer.
Lob kommt auch von der rheinland-pfälzischen Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken (Grüne): „Dies ist ein Beitrag zur Nachhaltigkeit im besten Sinne“, sagt sie. Es sei ein gutes Beispiel dafür, wie von nachhaltiger Forstwirtschaft die Artenvielfalt und die Vielfalt auf dem Teller profitieren könne.