Umwelthilfe: Angebliche Biotüten belasten die Umwelt

Berlin (dpa) - Ökologische Gretchenfrage im Supermarkt: Wie hast Du es mit dem Einpacken der Einkäufe? Ärger gibt es jetzt mit „Biotüten“. Eine Umweltorganisation prüft rechtliche Schritte. Rewe hat nach der Kritik nun den Verkauf der Tragetaschen vorerst eingestellt.

Mit vermeintlich biologisch abbaubaren Plastiktüten täuschen die Handelskonzerne Aldi und Rewe nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe gezielt ihre Kunden. Die Tragetaschen seien anders als von den Unternehmen behauptet nicht mit gängigen Verfahren kompostierbar, sagte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Jürgen Resch in Berlin. Zudem würden sie unter anderem mit Hilfe von gentechnisch verändertem Mais hergestellt. „Diese Tüten sind sogar noch schlimmer als normale Einwegtüten.“

Der Branchenverband European Bioplastics wies die Vorwürfe zurück. „Die Behauptungen auf den Tüten sind alle belegt“, sagte Sprecherin Kristy-Barbara Lange. Das Produkt sei in der Entwicklung. „Das ist ein Prozess, den man nicht abbrechen darf.“

Die seit etwa vier Jahren angebotenen sogenannten Biotüten kosteten im Handel zwischen 30 und 50 Cent und seien damit deutlich teurer als Einwegplastiktüten, sagte Umwelthilfe-Geschäftsführer Resch. „Es handelt sich um einen besonders breiten und dreisten Fall der Verbrauchertäuschung.“ Die Umwelthilfe prüft nun rechtliche Schritte gegen die beiden Unternehmen.

Rewe wies die Vorwürfe zurück, stellte nach der heftigen Kritik den Verkauf der Tragetaschen aber vorerst ein. „Mit diesem Schritt wollen wir dafür sorgen, dass es bei unseren Kunden nicht zu Verunsicherung über die tatsächliche Umweltverträglichkeit dieser Tragetaschen kommt“, sagte Rewe-Sprecher Martin Brüning am Donnerstag (12. April) in Köln laut Mitteilung. Gemeinsam mit Herstellern und unabhängigen Experten will Rewe die Tüten nun noch einmal auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersuchen. Bis neue Erkenntnisse vorliegen, will der Konzern die Tragetaschen nicht mehr verkaufen.

Aldi Süd wies die Vorwürfe zurück. Die „Biotüten“ hätten nicht nur durch die Kompostierbarkeit, sondern auch durch Einsparung von petrochemischen Stoffen Vorteile gegenüber Einwegplastiktüten, hieß es in einer Stellungnahme des Konzerns. Sie seien deshalb ein Teil der nachhaltigen Unternehmenspolitik. Auch der Branchenverband Bioplastics Europe hatte sich gegen die Vorwürfe gewehrt. Das Produkt sei noch in der Entwicklung.

Die Firma Victorgroup, nach eigenen Angaben einer der deutschlandweit größten Produzenten von „Biotüten“, versicherte, die Tragetaschen würden weiter verbessert. „Wir arbeiten fortwährend daran, den erneuerbaren Anteil des Materials stetig zu erhöhen, so dass wir mittelfristig eine Tüte produzieren können, die zu 100 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen besteht“, sagte der Vertriebs- und Marketingleiter des Unternehmens, Jens Boggel.

Bislang liegt der Anteil des aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellten Materials nach Angaben der Deutschen Umwelthilfe bei rund einem Drittel. Unter industriellen Voraussetzungen sei die „Biotüte“ aber schon jetzt vollständig kompostierbar, betonte Boggel.

Wie viele Biotüten jährlich verkauft werden, ist unklar. „Aber allein in den Kompostieranlagen tauchen täglich Hunderte von ihnen auf“, sagte Herbert Probst aus dem Vorstand des Verbandes der Humus- und Erdenwirtschaft Nord. Trotz des Aufdruckes „100% kompostierbar“ sollten die Biotüten aber auf keinen Fall in den Biomüll geworfen werden. Sie bestünden zu 70 Prozent aus erdölbasiertem Kunststoff und nur zu 30 Prozent aus Kunststoff auf der Basis von Maisstärke.

Außerdem herrschten weder im heimischen Kompost noch in Kompostieranlagen Bedingungen, unter denen sich die Tüten nach wenigen Wochen komplett zersetzten, sagte Probst. Diese seien nach einem Dreivierteljahr immer noch so wie zum Zeitpunkt der Entsorgung.