Lebensversicherung und Erbe Der Wettlauf der Erben

DÜSSELDORF · In alten Dokumenten stehen oftmals Regelungen, die so nicht mehr gewollt sind. Der Rat: die Bezugsberechtigung einer Lebensversicherung prüfen.

Lebensversicherungsverträge können ungewollte Regelungen enthalten.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Der Schnellste bekommt das Geld. So ließe sich die Rechtslage umschreiben, die von Juristen auch als „Wettlauf der Erben“ bezeichnet wird. Es geht um die Fälle, in denen zum Nachlass eines Verstorbenen auch eine Lebensversicherung zählt.

Der Fall: Der Erblasser hat in der Police jemanden als Bezugsberechtigten eingesetzt, der nicht zum Erbenkreis gehört, zum Beispiel einen Geliebten oder eine Geliebte. Dann können die Erben, wenn sie davon wissen und wenn sie schnell sind, dafür sorgen, dass die Versicherungssumme am Ende doch bei ihnen verbleibt.

Sven Gelbke ist Rechtsanwalt und Geschäftsführer des Erbrechtsportals „Die Erbschützer“. Er sagt: „Setzt der Versicherungsnehmer in dem Vertrag mit einem Versicherer eine dritte Person als Bezugsberechtigten ein, so liegt darin ein Schenkungsversprechen. Damit dieses wirksam wird, muss die Schenkung entweder notariell beurkundet oder vollzogen werden.“ Wenn der Bezugsberechtigte, also in dem Beispielsfall die Geliebte oder der Geliebte, über den im Versicherungsvertrag versprochenen Geldsegen erst nach dem Tod des Versicherungsnehmers durch Mitteilung der Versicherung erfährt, dann wird die Schenkung erst dadurch vollzogen, dass der Bezugsberechtigte die Schenkung annimmt. Erst dann hat er oder sie Anspruch auf Auszahlung des Geldes.

Weil nun aber die Erben des Verstorbenen in dessen  Rechte und Pflichten eintreten, werden sie damit auch Versicherungsnehmer des Lebensversicherungsvertrages. „Als solche können sie das Schenkungsangebot des Verstorbenen gegenüber dem Bezugsberechtigten widerrufen“, sagt Gelbke. Das ist aber nur so lange möglich, wie das Versicherungsunternehmen das Schenkungsversprechen noch nicht an den Bezugsberechtigten übermittelt hat. Gelbke hält das  Ergebnis für „mitunter nicht überzeugend, weil es mehr oder weniger vom Zufall abhängt, ob die Erben den Widerruf schneller erklären als die Versicherung den Bezugsberechtigten über die Schenkung informiert“.

Das Landgericht Frankenthal (Urteil vom 12.10.2022, Az.: 8 O 165/22) hatte einen solchen Fall zu entscheiden. Ein Mann hatte gegenüber seiner Versicherung angegeben, dass die nach seinem Tod fällige Riester-Rentenversicherung in Höhe von rund 11 500 Euro nicht an seine Erben, sondern an eine Bekannte ausgezahlt werden sollte. Das hatte er seiner Bekannten aber nicht erzählt. Damit, so das Landgericht Frankenthal, habe aber lediglich ein Schenkungsangebot des Mannes vorgelegen. Dieses hätten die Erben wirksam widerrufen, weil die Versicherung das Schenkungsangebot zu diesem Zeitpunkt noch nicht an die Bekannte übermittelt habe.

Die Bekannte ging letztlich leer aus. Da sie von der geplanten Zuwendung zu Lebzeiten des Mannes nichts erfahren hatte, konnte ein Schenkungsvertrag allenfalls noch nach seinem Tod zustande gekommen sein, befand das Gericht. In dem Auftrag des Erblassers an die Versicherung, im Todesfall die Leistung an seine Bekannte auszuzahlen, liege gleichzeitig der Auftrag an den Versicherer, das Schenkungsangebot an die Beschenkte zu übermitteln. Diese müsse es dann nur noch annehmen. Der Haken dabei: Bis zur Überbringung des Schenkungsangebots kann dieses von den Erben noch widerrufen werden. Das war hier geschehen.

Sven Gelbke erklärt, wie der Erblasser dafür hätte sorgen können, dass seine Bekannte die Versicherungssumme auf jeden Fall bekommen hätte. „Die Einsetzung der Bezugsberechtigten hätte mit Abschluss des Lebensversicherungsvertrages ausdrücklich als unwiderruflich erfolgen müssen. Dann wäre die Schenkung vollzogen und die Erben hätten keinen Zugriff mehr auf das Geld gehabt“ so der Rechtsexperte. Eine weitere Möglichkeit, dass die Bekannte das Geld auf jeden Fall bekommen hätte, wäre gewesen, mit ihr einen Schenkungsvertrag abzuschließen.

Ärger mit der Auszahlung der Lebensversicherung droht auch zwischen früherem und neuem Ehegatten. Nämlich dann, wenn es der Verstorbene nach der Scheidung versäumt, den Namen des Bezugsberechtigten zu aktualisieren, oder als Bezugsberechtigten nur abstrakt „Ehegatte“ eingesetzt hatte. Anwalt Gelbke: „Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden, dass der frühere Ehegatte bezugsberechtigt aus der Lebensversicherung bleibt – und zwar selbst dann, wenn er namentlich nicht benannt wurde.“

Die Experten der Plattform „Die Erbschützer“ schildern den Fall, anhand dessen der Bundesgerichtshof dies entschieden hat (Az.: IV ZR 150/05): Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zwischen der Versicherung und der verstorbenen Ehefrau 1979 war diese in erster Ehe mit einem anderen Mann verheiratet. Für die in diesem Fall bei Tod fällige Beitragsrückgewähr war in dem Versicherungsantrag als Bezugsberechtigter der „Ehegatte der versicherten Person“ angegeben. Die erste Ehe der verstorbenen Ehefrau war 1985 geschieden worden. Von 1993 bis zu ihrem Tod 1994 war sie mit Ehemann Nummer 2  verheiratet.

Nach dem Tod der Frau zahlte die Versicherung jedoch dem Mann aus  erster Ehe Versicherungsleistungen von gut 6000 Euro aus. Das wollte Ehemann Nummer 2 sich nicht gefallen lassen und klagte. Doch ohne Erfolg. Nach Ansicht der Richter wurde durch den Versicherungsvertrag der zum Zeitpunkt der Erklärung aus dem Jahr 1979 in bestehender Ehe lebende Partner der Versicherungsnehmerin, also Ehemann Nummer 1, begünstigt. Diese Erklärung werde bei einer etwaigen Scheidung der Ehe nicht „automatisch“ unwirksam. Die Ehefrau hätte nachträglich ihren zweiten Ehemann gegenüber dem Versicherer als Bezugsberechtigten einsetzen müssen. Fazit: Wer eine Rentenversicherung abschließt und für den Todesfall als Bezugsberechtigten „Ehegatte der versicherten Person“ einträgt, sollte daran denken, dies gegebenenfalls bei einer Scheidung und Wiederheirat zu ändern.