Rasenmäherersatz Alpakas weiden in Deutschland
Bautzen (dpa) - Leise öffnet Jörg Hübner das Stalltor. In dem Holzhaus mit Futterkrippe und dicken Strohbündeln duftet es nach frischem Heu. Der 43-Jährige geht durch eine weitere Tür und ruft: „Amaretto, Macchiato, Purdy“.
Die Alpakas traben los.
Ein milchkaffeebrauner Hengst stupst als erster den Züchter an. Über seine Erfahrungen mit diesen besonderen Tieren wird er sich am Wochenende mit anderen Haltern austauschen - dann treffen sich auf seine Einladung Alpaka-Liebhaber aus ganz Deutschland in Burgstädt bei Chemnitz.
Hübners Hof liegt am Fuß der Oberlausitzer Bergkette Czorneboh. Der Tischler ist in dem kleinen Dorf Meschwitz aufgewachsen, irgendwann hat er sich in einen Dreiseithof am Dorfeingang verliebt, von dem heute nur noch zwei Häuser stehen. Dazu gehörte ziemlich viel Land. „Und eigentlich war ich vor knapp 15 Jahren nur auf der Suche nach einem guten Rasenmäher.“
So kamen der Handwerksmeister und seine Frau auf die Idee, sich tierische Graspfleger zuzulegen. Schafe und Ziegen kamen für sie nicht in Frage, sie hinterlassen bei jedem Schritt ihre duftenden Haufen. Anders Alpakas, die sich auf den Weiden „Toilettenplätze anlegen“ und still Gras und Heu fressen. Das gefiel den Oberlausitzern. Ihre ersten Tiere wurden noch per Flugzeug aus Chile nach Deutschland transportiert, damals gab es nur wenige Züchter.
Die Deutschen entdeckten die Nutztierrasse Mitte der 90er Jahre. In Südamerika werden die Vierbeiner seit rund 5000 Jahren domestiziert. Schon die Inkas züchteten die Anden-Kamele wegen ihrer feinen Wolle. In ihrer Blütezeit erreichte die Alpaka-Wollproduktion ihren ersten Höhepunkt. Sogar die Könige kleideten sich ins „Vlies der Götter“.
Hübner streicht seinen Tieren durch das weiche Fell. Es ist weniger kratzig und fettig als von Schafen und wirkt leichter. „Das ist eine Hohlfaser, deshalb fasst sich das Fell so seidig und kühl an“, sagt er. Längst ist aus dem Laien ein Alpaka-Experte geworden. Er bietet selbst Kurse zur Alpakahaltung an und sucht stets den Austausch mit anderen Züchtern, wie bei dem Treffen in Burgstädt. 240 Alpakas und ihre Halter werden am 15. und 16. Oktober erwartet sowie 100 Aussteller. Dazu gibt es Vorträge, zum Beispiel zum Thema „Artgerechte Fütterung“ und „Schertechniken“ und einen Spinnkurs mit Alpakawolle.
Für den Oberlausitzer Hübner sind die Exoten ein Nebenerwerb. Doch inzwischen gibt es auch landwirtschaftliche Betriebe mit 200 bis 300 Tieren. Ein Tier kann pro Jahr etwa sechs Kilogramm Vlies, wie die Alpaka-Wolle genannt wird, produzieren. Sie gibt es in 22 verschiedenen Farben, von Champagner bis Schokolade.
Nach Großbritannien ist laut den Angaben des Alpaka-Zuchtverbands AZVD Deutschland zum zweitstärksten Markt für Alpakas innerhalb Europas geworden. Im AZVD sind zwischen Ostsee und Alpen 540 Züchter mit mehr als 10 000 Tieren organisiert. Seine Mitglieder hat der Verband aber auch in Polen, Tschechien, Österreich, Frankreich, Norwegen, Schweden und Ungarn, so eine Sprecherin.
Alpakas sind Wollproduzenten, daneben aber oftmals auch Landschaftspfleger und Therapietiere: „Sie werden Delfine der Weiden genannt“, sagt Andrea Reinhardt, Präsidentin des Alpaka- und Lamazuchtverbands Mitteldeutschland. Auch Hübner kann sich vorstellen, seine sanftmütigen Tiere „für die Seele“ einzusetzen. „Es ist schön, mit Tieren helfen zu können“, sagt er. Gern sucht er bei ihnen Ruhe nach Arbeitstagen auf der Baustelle.
Auch Nachbarn sind begeistert von den ruhigen Exoten: Ältere Damen aus dem Dorf spinnen ihr Vlies zu Wolle. Bis es den Alpakas wieder ans Fell geht, dauert es aber noch eine ganze Weile - geschoren werden sie erst wieder im Frühling.