Gewitter im Gehirn: Epilepsie beim Hund
Hamburg (dpa/tmn) — Die Krampfanfälle kommen aus heiterem Himmel. Von einer Sekunde auf die nächste kippt der Hund um, verliert das Bewusstsein, sein Körper versteift sich, und er beginnt rhythmisch zu zucken.
Meist speichelt das Tier stark und setzt unkontrolliert Kot und Urin ab. Nach etwa zwei Minuten ist der epileptische Anfall vorbei.
Dauert ein Anfall länger als zehn Minuten oder folgen Serienanfälle so rasch aufeinander, dass der Hund das Bewusstsein nicht wiedererlangt, handelt es sich um einen lebensgefährlichen Status epilepticus. Er kann das Hirn stark schädigen und muss sofort intensivmedizinisch behandelt werden.
„Epilepsie ist eine neurologische Krankheit. Die Krampfanfälle entstehen durch übermäßige Erregung von Nervenzellen im Gehirn“, erklärt Andrea Tipold, Professorin für Veterinärneurologie und Vizepräsidentin der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Die Krankheit kann entweder genetische Ursachen haben oder auf einer Gehirnerkrankung basieren. Die meisten Hunde mit ererbter Epilepsie erkranken zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr. Bei Hunden, die ihren ersten Krampfanfall im Alter von über fünf Jahren erleiden, handelt es sich meist um erworbene Epilepsie, beispielsweise einen Unfall. In diesen Fällen sollte laut Tipold eine Magnetresonanztomographie (MRT) gemacht werden.
Zirka fünf Prozent aller Hunde leiden an Epilepsie. Eine konstante Zahl, auch wenn in Internet-Foren rund um den Hund über den Zusammenhang zwischen Impfungen und Krankheitsfällen spekuliert wird. „Dafür, dass Impfungen Auslöser von Epilepsie sein sollen, haben wir keine Belege“, sagt Prof. Theodor Mantel von der Bundestierärztekammer. „Hauptsächlich sind die Krankheitsfälle genetisch bedingt. Hier sollte man die Züchter in die Pflicht nehmen.“ Sie müssten beispielsweise Inzucht vermeiden.
Dem pflichtet Prof. Tipold bei: „Studien haben ergeben, dass sich die Krankheitshäufigkeit bei der Gesamthundepopulation seit Jahren nicht geändert hat.“ Es gibt jedoch Rassen, bei denen Epilepsie besonders häufig auftritt wie Deutscher Schäferhund, Beagle, Golden Retriever, Berner Sennenhund, Boxer, Border Collie und Australian Sheperd.
Der siebenjährige Australian Shepherd Tomte ist ein Rassehund mit ererbter Epilepsie. „Die ersten Anfälle bekam Tomte, als er knapp zwei Jahre alt war“, sagt seine Halterin, die Hamburger Tierärztin Stephanie Mauer. „Bei Tomte zeigten sich die Anfälle in Form von Schluckattacken, die zogen sich teils bis zu zwölf Stunden hin.“ Tomte bekommt Medikamtente. Anfänglich musste Mauer die Dosis alle paar Wochen leicht erhöhen. Tomte war so längere Zeit anfallfrei.
„Epilepsie ist meist unheilbar“, sagt Prof. Tipold. Doch mit Medikamenten können die Anfälle abgeschwächt und unterdrückt werden. Aktuell gibt es drei Wirkstoffe auf dem Markt: Phenobarbital, Kaliumbromid und Imepitoin. Betroffene Hunde müssen individuell vom Tierarzt eingestellt werden. Das kann drei bis sechs Monate dauern. In dieser Zeit sind regelmäßige Blutuntersuchungen notwendig, um zu überprüfen, ob der Gehalt des verwendeten Medikamentes im Blut ausreichend ist.
Leider sind laut einer Studie der Epilepsie-Expertin Prof. Dorothea Schwartz-Porsche 20 bis 40 Prozent der epileptischen Hunde therapieresistent, wie der siebenjährige Terrier-Mischling Keule. „Wir haben nahezu alle Medikamente gegen Epilepsie ausprobiert“, erzählt sein Halter Thomas Germeshausen aus Leinefelde. Nichts hat langfristig geholfen. Die längste Pause zwischen zwei Anfällen dauerte sieben Wochen. Dann schien sich Keule an die Dosierung gewöhnt zu haben. Stattdessen litt der Hund unter Nebenwirkungen und schlich beim Gassigehen apathisch hinterher.
Gerade bei aussichtslosen Fällen wenden verzweifelte Hundehalter der Schulmedizin oft den Rücken und suchen bei der Homöopathie Hilfe. „Es gibt einzelne Berichte, dass Hunde auf homöopathische Mittel ansprechen“, sagt Prof. Tipold. Dies beruht aber auf einem Placebo-Effekt.
Tipold empfiehlt eine derartige Behandlung daher nicht. Die besten Therapiechancen haben Halter, wenn sie möglichst früh mit einer Therapie mit Antiepileptika beginnen. Denn Hunde, die auf die Therapie ansprechen, haben die gleiche Lebenserwartung wie gesunde Artgenossen.