Krankheit verursacht Pferdesterben - Ahornsamen unter Verdacht
Hannover (dpa) - Manche Pferdebesitzer denken, Kriminelle hätten ihre Tiere vergiftet. Doch hinter dem mysteriösen Sterben auf den Pferdekoppeln steckt eine Krankheit, die erst allmählich erforscht wird.
Experten scheinen der Ursache jetzt näher gekommen zu sein.
Eine für Pferde tödlich verlaufende Muskelkrankheit verbreitet bei Tierfreunden zunehmend Sorge. Es geht um Pferde, die auf der Weide gehalten werden und plötzlich mit Vergiftungserscheinungen verenden.
Der Name der Krankheit lautet „atypische Weidemyopathie“ - wobei der Begriff Myopathie für Muskelerkrankung steht. Tiermediziner gehen inzwischen davon aus, dass das pflanzliche Gift Hypoglycin A hinter den Erkrankungen steckt. Es ist zum Beispiel in den Samen des Berg-Ahorn enthalten. Das würde erklären, weshalb nur Weidetiere betroffen sind - und das vor allem jetzt im Herbst, wenn die verwelkten Samen zu Boden fallen.
„Eine Vergiftung beginnt meist mit Schwitzen, Koordinationsstörungen, Koliken und Muskelzittern“, hieß es in einer Mitteilung der Städteregion Aachen. Der Tierarzt Johannes Hörmeyer vom Veterinäramt der Städteregion empfahl Pferdebesitzern, zu überprüfen, ob Ahornbäume auf der Weide und in der Umgebung stehen.
Die Expertin Jessika Cavalleri von der Klinik für Pferde der Tierärztlichen Hochschule Hannover sagt: „Es handelt sich um eine sehr gefährliche Erkrankung, die meistens tödlich verläuft.“ Die Krankheit trete offensichtlich in Wellenbewegungen auf - in den Jahren 2005 und 2009 seien besonders viele Fälle bekannt geworden. Möglicherweise liege das an den Wetterbedingungen der jeweiligen Jahre oder an schwankenden Toxinbelastungen der Bäume, vermutet Cavalleri.
Nach verschiedenen Medienberichten sollen in den vergangenen Wochen allein in Nordrhein-Westfalen Dutzende Pferde an der atypischen Weidemyopathie verendet sein. Die Fachtierärztin für Pferde Prof. Heidrun Gehlen von der Freien Universität Berlin spricht von einer regional auffälligen Häufung in Nordrhein-Westfalen. Aber weil die Krankheit nicht meldepflichtig ist, können weder Wissenschaftler noch Behörden wie beispielsweise das Landesumweltamt genaue Zahlen nennen. Und wenn über steigende Fallzahlen berichtet wird, kann das auch daran liegen, dass die atypische Weidemyopathie mittlerweile eher erkannt wird als noch vor einigen Jahren.
Die Universität im belgischen Lüttich, die mit der Forscherin Dominique Votion zu den führenden Einrichtungen bei diesem Thema gehört, hat bis Mitte November zwölf Fälle in Deutschland registriert. Vermutlich gebe es aber viel mehr, bisher nicht gemeldete Fälle, sagt Expertin Cavalleri - ebenso wie ihre Kollegin Katja Roscher, Tierärztin an der Klinik für Pferde der Universität Gießen.
Roscher weist auf immerhin einen beruhigenden Aspekt hin: „Auch wenn die Erkrankung für die betroffenen Pferde meist tödlich endet, gibt es zumindest keinerlei Hinweise darauf, dass sie auf andere Pferde übertragen werden kann.“ Um eine Tierseuche handelt es sich also nicht.
Die atypische Weidemyopathie hat auch schon die Polizei auf den Plan gerufen - so etwa im besagten Jahr 2009. Damals hatten etliche Pferde auf einem Gestüt in Büren-Ahden in Nordrhein-Westfalen Vergiftungserscheinungen gezeigt, sechs der Tiere verendeten schließlich. Der betroffene Pferdebesitzer schaltete die Polizei ein. Erst die veterinärmedizinischen Untersuchungen ergaben, dass keine kriminellen Machenschaften zum Tod der Tiere führten.