Der will auf keinen Fall spielen: Körpersprache bei Hunden deuten
Kiel (dpa/tmn) - Der knurrt nur aus Spaß? Von wegen. Weil Menschen die Körpersprache von Hunden falsch interpretieren, kommt es häufig zu heiklen Situationen oder Unfällen. Statt einzelne Signale deuten zu wollen, müssen Halter immer das ganze Tier im Blick behalten.
Gerade schleudert Henry noch entspannt sein Dummy durch die Luft. Doch im Bruchteil einer Sekunde fixiert der Labrador plötzlich den Hund gegenüber. „Dass aus sozialem Spielen aggressiver Ernst wird, kann schnell gehen“, erklärt die Kieler Hundeverhaltensforscherin Dorit Feddersen-Petersen.
Obwohl die Tiere ein sehr fein differenziertes Ausdrucksverhalten besitzen, das ihre Stimmungen, Gefühle und Absichten ausdrückt, interpretieren Menschen es häufig falsch. „Menschen, die unsicher sind und sich um ihren Hund sorgen, neigen dazu, viel zu schnell in Begegnungen mit anderen Hunden einzugreifen“, sagt die Fachtierärztin.
Auch Ariane Ullrich bestätigt: „Das Fehlinterpretieren der Hundesprache ist eine der häufigsten Quellen für Unfälle.“ Ullrich ist Verhaltensbiologin und Mitglied im Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV). Ein typisches Beispiel ist das Wedeln mit dem Schwanz. Entgegen der allgemeinen Meinung ist es nicht automatisch ein Zeichen für Freude und Freundlichkeit. „Es bedeutet zuallererst einmal Aufregung“, sagt Ullrich. „Die kann sowohl positiv sein, als auch Spannung ausdrücken.“
Auch Bellen oder Knurren können von der Aufforderung zum Spiel bis zur Warnung alles bedeuten. Um den Hund richtig zu verstehen, sollten sich Menschen daher nie auf einzelne Zeichen beschränken. „Es ist immer ein Bündel an Signalen, von der Nasen- bis zur Schwanzspitze“, sagt Feddersen-Petersen.
Je weiter nach vorn Körper, Ohren und Lefzen gerichtet sind, desto gefährlicher für das Gegenüber. Kommt jetzt noch ein Knurren dazu, wird der Hund bald zur Abwehr schnappen. „Offene Aggression des Hundes zeigt sich durch eine erhobene, leicht pendelnde Rute. Die Ohren zeigen nach vorn, der Körper ist angespannt. Die Läufe sind durchgedrückt, der Blick fixiert das Gegenüber, die Zähne sind gebleckt, die Mundwinkel kurz“, zählt die Tierärztin Katrin Umlauf vom Deutschen Tierschutzbund in Bonn auf.
Doch nicht nur aus Übermütigkeit oder Wachsamkeit kann Aggression werden. Auch wenn ein Hund scheinbar unterwürfig wirkt, kann daraus ein Angriff werden. Nach hinten gelegte Ohren zusammen mit eingeknickten Hinterbeinen und einer Rute unter dem Bauch, meist mit weit nach hinten gezogenen Lefzen, zeigen Unsicherheit bis Panik.
Am ungefährlichsten ist ein Hund in Spiellaune. „Macht der Hund übertriebene Gesten, wedelt mit der Rute, hat große Augen, reißt das Maul auf und stellt den Vorderkörper tief, dann will er - zumindest für diesen Moment - wirklich nur spielen“, sagt Umlauf. Doch selbst dann kann er schnappen. Barbara Schöning, Tierärztin für Verhaltenskunde vom Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH), erklärt: „Damit signalisiert ein Hund dem anderen, dass es ihm zu heftig wird.“
Zum Verstehen der Körpersprache können sich Halter an Hundeschulen wenden oder spezielle Seminare besuchen. Verhaltensforscherin Feddersen-Petersen schlägt vor, den Hund beim Spiel oder dem Kräftemessen mit anderen Tieren zu filmen. „Zu Hause kann man dann die Einzelbilder der Auftritte genau ansehen. Sie werden staunen, wie nah sie ihrem Hund dadurch kommen.“
Literatur:
Dorit Feddersen-Petersen: Hundepsychologie, Franckh Kosmos Verlag, 496 S., Euro 49,99
Barbara Schöning/Kerstin Röhrs: Hundesprache, Franckh Kosmos Verlag, 128 S., Euro 14,99
Martin Rütter: Sprachkurs Hund, Franckh Kosmos Verlag, 156 S. Euro 19,95