Mit Hochleistung dabei: Blindenhunde sind kostbare Begleiter

Berlin/Winsen (dpa/tmn) — Wenn Bonja mit ihrem Herrchen Gassi geht, ist der Labrador stets im Dienst. Solange sie ihr Führgeschirr trägt, ist sie hochkonzentriert - kein Schnüffeln, kein Pinkeln, keine anderen Hunde.

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Stattdessen zählt nur eins: ihren blinden Gespannsführer sicher durch die Stadt leiten. Bonja beherrscht mehr als 30 Kommandos. „Als Blindenhund führt sie ihr Herrchen sicher an Hindernissen vorbei oder zeigt sie durch Stehenbleiben an“, erklärt Roderich Sondermann, Tierarzt vom Berufsverband der Hundeerzieher und Verhaltensberater (BHV) in Berlin. Bonja findet Bänke, Briefkästen und Haltestellen und lotst ihren Anvertrauten durch den Verkehr.

„Trotzdem ist ein Blindenführhund kein GPS“, warnt Tatjana Rusch, Vorsitzende des Bundesverbands Gespannprüfer Blindenführhunde e.V. (BGBFH e.V.) in Winsen. Vielmehr sei es Aufgabe des Führhundhalters, Anweisungen zu geben - und Aufgabe des Hundes, diese auszuführen oder zu verweigern. Bekommt Bonja vor einem Abgrund das Kommando, voranzugehen, wird sie den Befehl nicht ausführen. Das nennt sich intelligenter Ungehorsam.

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„Ein Blindenführhund bedeutet Freiheit, Unabhängigkeit und Sicherheit“, sagt Rusch. Voraussetzung dafür ist eine gute Ausbildung des Hundes. Und dass die Chemie im Gespann stimmt. Auch der Halter muss wissen, wie er sein Tier zu lesen hat und Trainings absolvieren. Nicht jeder Hund eignet sich für den anspruchsvollen Job. „Er muss körperlich gesund sein und ein freundliches, im Umgang mit Menschen und Hunden sicheres und ausgeglichenes Verhalten mitbringen“, sagt Sabine Häcker vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) in Berlin. Ist ein Hund aggressiv, hat ein ausgeprägtes Territorial- oder Jagdverhalten, dann kommt er nicht infrage.

„Außerdem muss er eine entsprechende Größe haben: Sie sollte nicht unter 50 cm Schulterhöhe liegen“, ergänzt Rusch. Viele Rassen, die heute als Familienhunde gehalten werden, sind auch als Führhunde geeignet, sagt Sondermann. Während früher vor allem Schäferhunde und Spitze genutzt wurden, sind es inzwischen vor allem Labrador und Golden Retriever sowie Großpudel und Riesenschnauzer.

Normalerweise leben die Tiere zuerst bei einer Patenfamilie, bevor sie mit einem Jahr in die Ausbildung starten. „Währenddessen finden Besuche beim zukünftigen Hundehalter statt“, sagt Rusch. Die Ausbildung eines Blindenführhundes ist nicht zentral geregelt. „Leider gibt es keine verbindlichen Vorgaben, jeder kann einen Hund schulen und sagen, es ist ein Blindenführhund“, bedauert Rusch. Die Kosten trägt die Krankenkasse. Als anspruchsberechtigt gilt, wer blind oder hochgradig sehbehindert ist, das heißt, wer weniger als fünf Prozent Sehkraft besitzt.

Offizielle Zahlen über Führhunde in Deutschland gibt es nicht. Schätzungen gehen von 1800 bis 3000 aus, sagt Häcker. Sie nimmt an, dass nur etwa ein bis zwei Prozent der blinden Menschen ein solches Tier haben. Trotzdem beträgt die Wartezeit auf einen Hund laut Sondermann zwei bis drei Jahre. „Wenn man bedenkt, dass über 40 Prozent der Blindengeldempfänger über 80 sind, wird klar, warum sich ein großer Teil der stark Sehbehinderten körperlich und gesundheitlich nicht in der Lage sieht, so einen Hund zu halten“, sagt der BHV-Tierarzt.

Denn die Haltung eines Blindenführhunds unterscheidet sich nur bedingt von der eines normalen Hunds. „Der Blindenführhund ist ein Berufstätiger, der natürlich auch Freizeit hat“, beschreibt Rusch. Und die sehe aus wie bei jedem Hund. So darf Labrador Bonja nach Feierabend vor dem Sofa dösen oder im Garten nach Mäusen buddeln. „Ein Hochleistungshund braucht dringend Erholung, Spiel und Sozialkontakte“, sagt Sondermann. Und Streicheleinheiten. Den meisten ermöglicht ein solches Tier nicht nur Mobilität, sondern dient auch als Freund, der vor Vereinsamung bewahrt.

Neben dem Blindenführhund gibt es auch Assistenztiere für andere gesundheitliche Probleme. „Es gibt Hunde für gehörlose und hörbehinderte Menschen, Begleithunde für Menschen, die einen Rollstuhl, Rollator oder andere Gehilfen nutzen, Begleiter für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen und Anzeigehunde für Diabetiker oder Epileptiker“, zählt Häcker auf. Diese Spezialtiere werden allesamt nicht von der Krankenkasse finanziert, erklärt Rusch. Die BGBFH-Vorsitzende warnt vor Geschäftemacherei: „Menschen sind bereit, Unsummen für einen vermeintlichen Spezialhund zu bezahlen, weil sie verzweifelt sind.“ Sie empfiehlt, immer genau aufzupassen, ein Tier aus seriöser Hand zu bekommen.