Mit Ruhe und Futterspur: Entwischten Vogel wieder einfangen
Hannover (dpa/tmn) - Man wollte bloß schnell lüften und war nur eine Sekunde unaufmerksam... und schon ist es passiert: Der Vogel ist seinem Instinkt gefolgt - raus in die vermeintliche Freiheit. Doch Wellensittiche und Co. haben in der Natur sehr schlechte Chancen, alleine zu überleben.
Grundsätzlich sollten Unterkünfte wie Käfige oder Volieren natürlich immer so verschlossen sein, dass der Vogel nicht ausbrechen kann, sagt Tierheimleiterin Gabi Wittläufer. Die Fenster rüsten Halter am besten so aus, dass man lüften kann, ohne dass der Vogel entwischt. Denkbar wären bei kleineren Vogelarten Fliegennetze, bei größeren Tieren sollten es stabilere Vorrichtungen sein. Besondere Vorsicht gelte bei hellen Vögeln, da sie in der Natur sehr auffällig sind. „Da steigt die Gefahr, dass ihn ein Greifvogel packt“, sagt Fritz Emrich vom Deutschen Kanarien- und Vogelzüchterbund.
Falls das Tier es schafft zu entwischen, sollte man schnell handeln. Denn von Menschen gehaltene Vögel haben nicht gelernt, sich alleine zu versorgen. „Am schlimmsten ist es zu denken, dass der Vogel schon wieder von alleine nach Hause findet“, sagt Emrich. „Schauen Sie am besten sofort in der unmittelbaren Nachbarschaft und legen Sie eine Futterspur zu Ihrem Haus, um den Vogel anzulocken.“
Eine weitere Möglichkeit ist, den Käfig draußen hinzustellen, um dem Vogel seine bekannte Umgebung zu zeigen. Auf, vor und in den Käfig sollte das Lieblingfutter verteilt werden. Falls der Vogel in sein bekanntes Gebiet zurückkommt, würde ihn das anlocken, sagt Norbert Kummerfeld von der Klinik für Heimtiere, Reptilien, Zier- und Wildvögel in Hannover. „Auch das Fenster, aus dem er entflogen ist, sollte weit geöffnet werden, damit er im Zweifel wieder zurück finden kann.“
Wichtig sei auch, bekannt zu machen, dass der Vogel entflogen ist. „Hängen Sie Plakate oder Zettel in Tierheimen, beim Tierarzt, im Supermarkt und der nächsten Tankstelle auf und schalten Sie eine Anzeige in der Zeitung“, rät der Tierarzt.
Auch diejenigen, denen Vögel zufliegen, sollten schnell handeln. „Im Tierheim werden viele entkräftete Ziervögel abgegeben. Die sind entflogen, haben nichts zu fressen gefunden und landeten dann in einem Garten oder Balkon“, sagt Tierheimleiterin Wittläufer. „Wenn Sie es schaffen, den Vogel vorsichtig zu fangen, sollten Sie unbedingt darauf achten, ob der Vogel eine Kennzeichnung hat.“ Mit dem Ring am Fußgelenk könne man das Tier identifizieren. In einigen Anlaufstellen wie beispielsweise im Tierheim könne dann nachgeforscht werden, von welchem Züchter der Vogel sei. „Und der Züchter wiederum hat meistens die Informationen des neuen Halters.“
Beim Einfangen sollte auf keinen Fall versucht werden, den Vogel hektisch mit einem Netz zu fangen, sagt Wittläufer. Das Tier würde nur in Panik geraten und noch weiter davon fliegen. In der Ruhe liegt die Kraft gelte also auch beim Einfangen eines Vogels. „Versuchen Sie den Vogel ruhig anzulocken, statt panisch hinter ihm her zu rennen.“
Die Suche nach dem entflogenen Vogel sollte auf keinen Fall bereits nach ein bis zwei Tagen aufgegeben werden. Manch einer könne ein wahrer Überlebenskämpfer sein und erst nach mehreren Tagen wieder gefunden werden, so Tierarzt Kummerfeld. Vor allem die aktuell noch niedrigen Temperaturen seien für die meisten Ziervögel keine gute Zeit, da die meisten Vögel ursprünglich aus wärmeren Gegenden kommen und hier auch nur an warme Zimmer gewöhnt sind. Entflogene Stubenvögel würden dann erst einmal einen Schock erleben, meint Kummerfeld. „Im Sommer ist es für die Vögel natürlich einfacher. Dann finden sie Futter wie Samen oder Knospen.“
Wenn sich der Ausreißer in einem Baum oder an einem anderen erhöhten Ort befindet und sich nicht anlocken lässt, könne man ihn mit Wasser bespritzen, rät Fritz Emrich. „Ist der Vogel nass, beschränkt das seine Flugfähigkeit, und er wird nicht mehr weit fliegen können.“ Im besten Fall würde er in Richtung Boden segeln, von wo er dann leichter eingefangen werden kann. Der nasse Vogel sollte allerdings schnell wieder zurück in die Wohnung gebracht werden, damit er sich nicht erkältet.
Wenn der Vogel wieder zurück ist, sollte der Halter vorsichtshalber mit ihm zum Tierarzt gehen, rät Norbert Kummerfeld. Denn in Futterhäuschen und Vogeltränken können Krankheitserreger sein.