Wenn der Hund vergesslich wird
Auch Tiere können an Demenz erkranken. Doch der Besitzer kann viel für ihre Lebensfreude tun.
Düsseldorf. Die Menschen werden älter als früher — die Hunde ebenfalls, denn auch ihre Lebensbedingungen und ihre Ernährung haben sich verbessert. Und die Vierbeiner erleben die gleiche Kehrseite eines langen Lebens: Auch sie leiden an Alterserscheinungen wie Demenz.
„Sie äußert sich ganz ähnlich wie beim Menschen“, sagt der Bonner Tierarzt Stefan Seifert. „Ein deutliches Zeichen ist die Orientierungslosigkeit: Der Hund bleibt stehen und guckt starr in die Ferne, wirkt kurzzeitig nicht ansprechbar. Man hat den Eindruck, als hätte er etwas vergessen oder würde nicht mehr wissen, was er hier will.“
Wann die Demenz einsetzt, „ist wie beim Menschen sehr, sehr unterschiedlich, die einen haben es schon mit 50, die anderen erst mit 80“. Auch beim Hund kann es irgendwann im letzten Lebensdrittel auftreten. Auf jeden Fall ist es ein irritierendes Bild, das ein früher aktiver, stets herumschnüffelnder Hund dann abgibt — doch das beeinträchtigt ihn noch lange nicht in seiner Lebensqualität.
Zunächst sind diese Momente auch kurz und nicht sehr häufig, doch sie verstärken und verlängern sich im Laufe der Zeit. Irgendwann stellen sich sogar Orientierungsschwierigkeiten in der gewohnten Umgebung ein, der Hund findet aus dem Garten nur noch schwer zurück, sucht sein Körbchen. Noch eine Parallele zur Humanmedizin: Eine Heilung gibt es auch für die Hundedemenz nicht, „man kann aber die Symptome mit durchblutungsfördernden Präparaten sowie naturheilkundlichen und homöopathischen Mitteln lindern“, sagt Stefan Seifert.
Es hilft dem Tier, wenn man die Nahrung auf häufigere Mahlzeiten verteilt und mehr Vitamine als beim jungen Hund zusetzt. Der Halter muss zudem auf einen ausgeglichenen Wasserhaushalt achten — auch die vierbeinigen Senioren vergessen leicht zu trinken.
Auch wenn sich der Hund wegen der Demenz mehr zurückzieht, auch wenn er die seit Jahren praktizierten Rituale auslässt und nicht mehr zur Begrüßung an der Tür steht, sollte der Besitzer ihn durch häufige, kurze Spaziergänge sowie Spiele geistig anregen. „Aber nichts Wildes, sondern ein gezieltes Trainingsprogramm, um bestimmte Funktionen anzuregen“, erklärt der Bonner Tierarzt. Anleitung erhält man bei speziell ausgebildeten Hundetrainern.
Dennoch bleibt der Weg vorgezeichnet. „Der Hund wird wie ein dementer Mensch immer hilfloser, er braucht mehr Unterstützung, mehr Nähe, mehr Anleitung“, so Seifert. Es können auch Angstzustände auftreten, gegen die es aber Medikamente gibt.
Trotzdem kann es anstrengend werden, etwa wenn man jede Nacht zwei bis drei Mal wach wird, weil der Hund unruhig ist, sich in der Zimmerecke festläuft und nicht mehr zurückfindet. Und weil der Hund möglicherweise auch nicht mehr gut hört und sieht, muss man jedes Mal aufstehen und ihn zu seinem Körbchen zurücklotsen.
Andererseits ist dies auch noch mal eine besonders innige Phase mit einem langjährigen Lebensgefährten. Stefan Seifert kennt aus seiner Praxis jedenfalls kaum ein Beispiel, „wo die Leute das nicht ertragen haben“.
Solange der Hund nicht nur vor sich hindämmert und solange Inkontinenz — die oft körperliche Ursachen hat — nicht zum beherrschenden Thema wird, kann das Dasein dem Tier trotz der Beeinträchtigung noch einiges an Lebensqualität und -freude bieten. Denn Vergesslichkeit ist das eine, abends aufs Sofa springen und einen Keks abholen das andere.