Chancen auf Schadenersatz für Reisende

Potsdam (dpa/tmn) - Vom aktuellen Schneechaos betroffene Flug- und Bahngäste haben nach Ansicht von Experten gute Chancen auf Schadenersatz. Grund: Der Hinweis auf höhere Gewalt durch die starken Schneefälle gilt nicht ohne weiteres.

„Nur wenn die Airline nachweisen kann, dass sie alles getan hat, um die Leute auch auf andere Weise zu ihrem Ziel zu befördern, haben die Gäste keine Anspruch auf Schadenersatz“, erklärte Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg am Montag (20. Dezember) in Potsdam.

Mit dem Hinweis auf höhere Gewalt durch die starken Schneefälle könnten sich Fluggesellschaften hingegen nicht so einfach aus der Affäre ziehen, sagte die Reiserechtlerin: „Höhere Gewalt ist es meiner Meinung nach nur, wenn der Flughafen komplett gesperrt ist.“ Ein wichtiges Kriterium höherer Gewalt sei außerdem die Unvorhersehbarkeit, „und die war spätestens seit dem Wochenende zuvor nicht mehr gegeben“, erklärte Fischer-Volk.

Anders klingt das beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA) in Braunschweig. Das LBA macht Reisenden nur wenig Hoffnung auf Ausgleichszahlungen. Die heftigen Schneefälle der vergangenen Tage seien als „außergewöhnlicher Umstand im Sinn der Fluggastrechteverordnung anzuerkennen“, teilt das LBA mit. Aussichtslos ist eine Anzeige aber nicht. „Letztlich ist es eine Frage des Einzelfalls und jeder Fall wird bei uns einzeln betrachtet“, sagt eine Sprecherin des LBA.

Grundsätzlich erhält ein Kunde von seiner Fluggesellschaft den vollen Flugpreis zurück, wenn der Flug annulliert wurde oder mehr als fünf Stunden verspätet war. Wer die Rückerstattung wählt, verzichtet laut LBA allerdings auf die vorgeschriebenen Betreuungsleistungen wie Getränke und Speisen während der Wartezeit. Wurde der Flug annulliert oder der Fluggast nicht befördert, kann er auch eine anderweitige Beförderung verlangen.

Für den Luftverkehr sieht die EU-Verordnung 261/2004 grundsätzlich vor, dass Passagiere je nach Länge der Flugstrecke 250 bis 600 Euro Schadenersatz fordern können, wenn bestimmte Umstände eingetreten sind. Dazu gehört, dass ein Flug annulliert wurde oder Abflug und Ankunft am Zielort jeweils mindestens drei Stunden verspätet waren. Laut der EU-Fluggastrechteverordnung gibt es als Ausgleichszahlung für betroffene Flüge über weniger als 1500 Kilometer 250 Euro. Bei 1500 bis 3500 Kilometern Flugstrecke werden 400 und bei mehr als 3500 Kilometern 600 Euro fällig. Der Flugpreis spielt dabei keine Rolle.

Falls die Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung ablehnt, muss der Gast diese vor Gericht einklagen. Fischer-Volk riet Fluggästen, zuvor einen Fragebogen beim Luftfahrtbundesamt auszufüllen. „Dieses klärt dann mit der Fluggesellschaft, ob sie wegen höherer Gewalt entlastet ist.“ So könnten Kunden ihre Chancen vor Gericht ausloten.

Urlauber, die bei einem Reiseveranstalter gebucht haben, wiederum dürfen derzeit kaum auf Schadenersatz wegen entgangener Urlaubsfreude hoffen. „Dafür müsste ein Verschulden des Veranstalters vorliegen, zum Beispiel wenn er eine anderweitige Beförderung hätte organisieren können“, erklärte die Verbrauchschützerin. „Das ist beim derzeitigen Wetter aber nicht gegeben.“ Pauschalurlaubern bleibt, beim Veranstalter Mängelansprüche geltend zu machen. Kommt er zum Beispiel erst zwei Tage zu spät zum Urlaubsort, kann er den Reisepreis um genau diesen Anteil von der gesamten gebuchten Urlaubszeit mindern.

Zugreisende, die um Stunden zu spät am Ziel angekommen sind, haben laut Verbraucherschützerin Fischer-Volk gute Aussichten, eine Entschädigung zu erhalten. Grundsätzlich erhalten Bahnkunden bei Verspätungen von mindestens 60 Minute ein Viertel des Fahrpreises für die einfache Fahrt zurück, ab 120 Minuten ist es die Hälfte - sofern sich die Bahn nicht wegen höherer Gewalt entlasten kann. „Das ist eine Frage der genauen Umstände im Einzelfall“, erklärte die Verbraucherschützerin. Die Bahn müsse für den Hinweis auf höhere Gewalt allerdings nachweisen können, dass sie alle notwendigen Vorkehrungen getroffen hat: „Die Berufung auf Schnee und Kälte reicht nicht aus.“

Damit sie einen Beweis haben, sollten sich Zugpassagiere ihre Verspätung vom Zugbegleiter oder am Servicepoint am Bahnhof schriftlich bestätigen lassen. Die Entschädigung machen Bahnkunden dann beim Servicecenter Fahrgastrechte geltend - oder im Reisezentrum, wenn sie das Formular bereits im Zug ausgefüllt haben.

Informationen:

Servicecenter Fahrgastrechte, 60647 Frankfurt, Telefon: 0180/520 21 78, 14 Cent/Minute aus dem deutschen Festnetz