Die Deutschen reklamieren gern

Kempten/Potsdam (dpa/tmn) - Urlaub - die schönste Zeit des Jahres. Und dann das: Schlangen am Buffet, kalte Tortellini, Schimmelflecken im Bad. So manchem Urlauber platzt dann der Kragen. Um vom Reiseveranstalter Geld zurück zu bekommen, ist aber ein kühler Kopf gefragt.

Die Deutschen klagen ja angeblich gerne. Und wenn es um den Urlaub geht, stimmt das auch. Es gehört fast dazu, über kaltes Essen, verdreckte Strände und zu kleine Zimmer zu meckern. „Manche sagen sogar: Gar nicht schlecht, wenn was schief läuft“, sagt Prof. Ernst Führich. Denn der deutsche Tourist verlangt vom Veranstalter nur zu gern sein Geld zurück. Das ist oft voll und ganz berechtigt, oft auch nicht - und meistens gar nicht so einfach.

Dass sich unzufriedene Urlauber nach der Reise beklagen, ist kein Einzelfall: Führich hält eine Million Beschwerden pro Jahr für eine realistische Größenordnung. Bei rund 30 Millionen Pauschalreisen entspräche das einer Beschwerdequote von drei Prozent. Einzelne Veranstalter haben deutlich höhere Werte. In den seltensten Fällen sehen sich beide Parteien aber vor Gericht wieder.

Im Laufe der Jahre seien die Veranstalter sensibler geworden, sagt Beate Wagner, Juristin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen - vor allem, wenn es um einen geringen Streitwert geht. Dann überlegten sie heute gründlich, ob es sich lohnt, sich dafür vor Gericht zu streiten und so einen Kunden endgültig zu vergraulen.

Besonders oft sind Urlauber mit dem Flug unzufrieden. Das liege auch daran, dass die Rechtsprechung noch so sei wie in den Zeiten, als es noch keine Billigflieger gab, kritisiert Wagner. Verbraucherfeindlich sei zum Beispiel, dass Urlauber Verspätungen von weniger als vier Stunden hinzunehmen haben.

Streit gibt es häufig auch, weil die Kunden nicht wissen, dass die beiden An- und Abreisetage noch nicht als Urlaub gelten. Rechtlich gesehen ist es völlig in Ordnung, wenn sich die Flugzeiten kurzfristig ändern - im schlimmsten Fall so, dass die Urlauber am ersten Tag erst abends ankommen und am letzten früh morgens starten. Ansprüche an den Veranstalter entstehen dadurch in der Regel nicht.

Regelmäßig beklagen sich Reisende über das Hotel. Gerichte verlangen aber von Kunden durchaus, dass sie den Katalog gründlich lesen und sich Gedanken machen: „Wenn dort steht, es sei eine 'internationale Anlage', dann kann ich mich nicht darüber beschweren, dass es dort viele Urlauber aus anderen Ländern gibt“, erklärt Sabine Fischer-Volk von der Verbraucherzentrale Brandenburg.

Allerdings dürfen die Formulierungen nicht so verklausuliert sein, dass der Durchschnittskunde sie nicht deuten kann. Manchmal ist das gar nicht so einfach: Der Hinweis auf ein „aufstrebendes Urlaubsgebiet“ klingt auf den ersten Blick harmlos, aber er legt nahe, dass dort Bauarbeiten wahrscheinlich sind. „Damit muss der Kunde dann auch rechnen“, sagt Fischer-Volk.

Wenn der Veranstalter weiß, dass das Hotel davon betroffen ist, ist er allerdings verpflichtet, vor Reisebeginn darauf hinweisen. „Und der Kunde muss seinerseits mitteilen, dass er sich dann Mängelansprüche vorbehält.“ Tut er das nicht und beschwert sich hinterher doch, geht er leer aus.

Ein großes Missverständnis sieht Prof. Führich in der Erwartungshaltung vieler Urlauber, der Veranstalter sei für alles haftbar zu machen, was den Spaß im Urlaub beeinträchtigt. Ein ernstes Beispiel sind Unfälle: Wer auf der unerwartet steilen Treppe zum Restaurant stürzt oder am Pool auf feuchten Fliesen ausrutscht, hat oft Wut im Bauch und verlangt Kompensation. „Schuld soll dann der Veranstalter sein“, sagt Führich.

Oft aber stellen die Gerichte fest, dass das nicht so ist. „Das ist aus Sicht der Richter das eigene Lebensrisiko“, erklärt der Reiserechtler - stürzen könnte man ja auch zu Hause in der Küche.

Literatur:

Führich, Ernst R.: Reiserecht - Guter Rat bei Urlaubsärger, Beck kompakt, 6,80 Euro, ISBN-13: 9783406617676