Mallorca in Corona-Zeiten „Vom Ballermann hat das hier nichts mehr“

Palma · Rund 400 deutsche Touristen sind am Montag im Rahmen eines Pilotprojektes auf Mallorca gelandet. Doch wie erholsam kann Urlaub in Zeiten von Maskenpflicht und Sicherheitsabstand sein?

Peter Wackel kniet vor dem geschlossenen Bierkönig. Mit einem Blumenstrauß hat er die ersten Mallorca-Gäste persönlich begrüßt.

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In den Straßen von Mallorcas bekanntester Urlaubsregion ist es immer noch ungewöhnlich ruhig. Kein Plätschern von Pools, kein unterschwelliges Brummen riesiger Klimaanlagen, statt dessen auch hier der Soundtrack der Corona-Krise: lautes Vogelgezwitscher. Die Glastüren der großen Hotelanlagen sind noch mit Tüchern verhängt, in den Gartenanlagen stapeln sich die Liegestühle. Nur ganz vorne, eine Querstraße hinter der berühmten Playa de Palma, tut sich etwas.

Vor dem Hotel Riu Concordia wartet eine Handvoll Journalisten auf die Ankunft der zweiten Ladung Urlauber, die im Rahmen des Pilotprojektes der Balearenregierung testen sollen, wie Urlaub in Zeiten von Covid-19 aussehen kann. Das Presseaufgebot steht in keinem Vergleich zu dem Spektakel, mit dem am Montagmorgen die ersten deutschen Touristen des Fliegers aus Düsseldorf empfangen wurden: Die am frühen Abend aus Frankfurt ankommenden Passagiere können den Bürgersteig zwischen Bus und Hotelstufen relativ unbehelligt zurücklegen.

Es bildet sich trotzdem eine Schlange. Die Gäste werden nur einzeln zur Rezeption vorgelassen, wo bei jedem erneut mit Wärmebildkamera die Temperatur gemessen wird. Der rundliche Empfangschef bemüht sich charmant scherzend, die Stimmung entspannt zu halten. „Herzlich willkommen, Sie sehen gesund aus – ja, Sie sehen auch gesund aus, aber nicht so schön wie Ihre Frau“, ist in Spanisch eingefärbtem Deutsch zu hören. Die Urlauber nehmen es mit dankbarem Lächeln auf.

In der Schlange wartet auch Olaf Gruß. Der Fußball- und Mallorca-Fan kommt für gewöhnlich während der großen Fußballturniere nach Arenal, um die Spiele von hier aus zu verfolgen. Normalerweise wäre er also schon einige Tage lang hier und hätte sich an den ersten Spielen der nun auf 2021 verschobenen EM erfreut. Doch normal ist dieser Tage nichts: „Von Ballermann hat das hier ja überhaupt nichts mehr“, urteilt der erfahrene Playa-de-Palma-Besucher.

Fliegen mit Maske, bargeldloses Bezahlen, eine Vielzahl auszufüllender Formulare und ein ungewohnter Hindernislauf am Flughafen von Palma hätten die Anreise anstrengend gemacht, sagt er. Beim von Tui und Inselregierung organisierten Probelauf dabei zu sein, bereut er trotzdem nicht: „Dass ich dazu gehöre, ist schon auch schön. Das ist ja fast so spannend wie der Mauerfall in Berlin.“

Als sich die Treppen vor dem Hotel nach zehn Minuten wieder geleert haben, machen sich Dana Meier und Markus Fuchs auf den Weg zur Autovermietung. Das Paar aus Rostock ist schon am Morgen angereist. „Ich hätte mir alles unangenehmer vorgestellt“, sagt die 30-Jährige mit Blick auf die Sicherheitsvorkehrungen.

Sie hätten kurzentschlossen im Internet zugeschlagen, erklärt er. Direkt danach seien kurz Bedenken aufgekommen, vor allem wegen der Reaktionen von Freunden und Familie, die die Reiseentscheidung als „sehr mutig“ beurteilt hätten. „Aber nach dem ersten Tag kann man jetzt schon sagen: Alles richtig gemacht“, resümiert er zufrieden.

Fröhlich ist auch Luís Menor. Dem Besitzer des Restaurants „Mama Muú“ ist schon von weitem anzusehen, dass er sich über die Wiedereröffnung des gegenüberliegenden Hotels freut. „Ich war heute Morgen da, um auch zu klatschen“, sagt er. Es seien schließlich keine deutschen Touristen, die kämen – es seien Kunden und Freunde, die jedes Jahr wieder da seien. Dafür halte man sich doch gern an die strengen Hygienemaßnahmen – die Speisekarte gibts per QR-Code auf das Handy, das Besteck muss einzeln in Plastiktüten eingepackt werden, die Zahl der Tische ist deutlich reduziert, um den Mindestabstand einzuhalten.

Vorne an der Strandpromenade setzen Anuschka und Paul Lauterbach gerade zum Selfie an. Das Ehepaar aus Neuss ist ebenfalls seit dem Morgen da, hat bereits am Hotelpool ein Bier in der Sonne genossen. Im Speisesaal seien Mundschutz und Handschuhe Pflicht, am Büffet dürfe man sich nicht selbst bedienen, die gewünschten Speisen würden von einem Hotelmitarbeiter auf den Teller gefüllt. „Man fühlt sich schon ein bisschen als Versuchskaninchen“, sagt Frau Lauterbach.

Der Start des Testprojekts mit den Deutschen eine knappe Woche vor der offiziellen Wiederöffnung der spanischen Grenzen löst auf Mallorca aber nicht nur Freude aus. Viele hätten Angst, dass es auf der Insel wegen der Besucher zu einem Wiederaufflammen der Coronavirus-Krise komme, sagte Biel Barceló, Leiter der Bürgerinitiative „Ciutat de s'Arenal“. „Ich spreche mit vielen darüber. Einige brauchen Einnahmen und freuen sich, dass der Tourismus nach drei Monaten wieder langsam in Gang kommt, klar. Aber die Sorge ist weit verbreitet“, erzählt er der Deutschen Presse-Agentur. „Die Neuansteckungsraten sind in Deutschland aktuell höher als bei uns.“

Die Amüsiertempel des „Ballermanns“ dürfen jedoch noch nicht wieder öffnen, weil die Regionalregierung entschieden hat, dass Discos und Clubs nach wie vor geschlossen bleiben. Für die Lauterbachs ist das kein Problem. „Den Bierkönig brauche ich nicht.“

Nur wenige Meter entfernt sitzt in einer offenen Kneipe einer, der den Bierkönig sehr wohl braucht. Deshalb hat Party-Sänger Peter Wackel es sich auch nicht nehmen lassen, die ersten Mallorca-Gäste persönlich zu begrüßen: Mit einem Blumenstrauß stand er vor dem geschlossenen Bierkönig, der keine hundert Meter vom Riu Concordia entfernt liegt und auf dessen Bühne er normalerweise mit Stimmungsmusik unterhält. „Ich hatte ein bisschen Sehnsucht, normalerweise begrüße ich ja beim Saison-Opening mindestens 500 Leute per Handschlag.“

Am Montag waren es nun viel weniger: Rund 15 treue Anhänger hatten sich dank entsprechender Ankündigung auf Facebook um Wackel versammelt. Er habe sie nicht nur begrüßen, sondern sich auch bedanken wollen, dass sie nach Mallorca gekommen seien: „Es ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit zu zeigen, dass eventuelle Ängste deutscher Gäste vor dem Mallorca-Urlaub gänzlich unberechtigt sind.“

Solange seine Wirkungsstätte geschlossen bleibe, kehre er nun eben zurück zu seinen Wurzeln: Vor 20 Jahren sei er auch den Strand entlang getingelt und habe vor den Sonnenbadenden gesungen. Vor allem seinen ersten großen Hit werde er wohl anstimmen, der sieben Jahre nach dem Erscheinen „wieder sehr an Aktualität gewonnen hat“: „Scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr...“

(dpa)