Niagarafällen soll das Wasser abgedreht werden

Niagara Falls (dpa) - Zwölf Millionen Touristen kommen jährlich zu den „Niagara Falls“, die zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten in Nordamerika zählen. Doch wenn alles nach Plan läuft, könnte dem Naturspektakel wegen Bauarbeiten in ein paar Jahren der Wasserhahn abgedreht werden.

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Grund für das groß angelegte Bauvorhaben: Schönheitskorrekturen. Die Fußgängerbrücken, die Besucher zur Insel Goat Island führen, seien „ästhetisch unattraktiv“, heißt es im Projektbericht der zuständigen Parkbehörde im Staat New York. Außerdem versperrten sie den Blick auf die Strömung. Mehr noch: Diese sogenannten Mabey Bridges waren nur gebaut worden, weil die 115 Jahre alten, längst verfallenen Brücken geschlossen werden mussten. Ihre Zementbögen bröckeln heute dahin.

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Doch kann eine Baufirma mehrere Brücken einreißen und neu bauen, wenn darunter eine reißende Strömung fließt und kurz darauf in die Tiefe donnert? 2,6 Millionen Liter Wasser stürzen pro Sekunde über die Abbruchkante der Niagarafälle. Der Fluss soll trockengelegt werden. Zwar wären nur die bis zu 30 Meter hohen American Falls auf US-Seite betroffen - einer der insgesamt drei Wasserfälle also, aus denen die Niagarafälle bestehen. Über die bekannteren, 57 Meter hohen Horseshoe Falls auf kanadischer Seite, die wegen ihrer Krümmung nach einem Hufeisen benannt sind, würde das Wasser weiter und dann sogar noch kräftiger strömen.

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Andrea Czopp spricht trotzdem von einer Gelegenheit, die für viele Touristen nur einmal im Leben käme. Von den benötigten 26 Millionen Dollar (23 Mio Euro) sei aber noch kein Geld gesichert, sagt die Sprecherin deWer Tourismusbehörde. Allein die Finanzierung werde vier bis fünf Jahre dauern, bevor mit Planung und Bau weitere zwei bis drei Jahre verstrichen. Sorgen, dass Touristen ausbleiben, dass Hotelbetten und Restaurants leer bleiben könnten, wischt sie beiseite. Entscheidend sei der Spin, das richtige Marketing. „Wir glauben, dass es eine sehr positive Sache wird“, sagt Czopp.

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Es wäre nicht das erste Mal. 1969 leiteten Bauingenieure der US-Armee das Wasser der American Falls um und studierten über fünf Monate die Folgen der Bodenerosion. Rick Elia war dabei. Die Firma seines Vaters baute den Damm, weshalb Elia als 15-Jähriger durch das Flussbett spazieren konnte. „Für mich war das ziemlich cool“, sagt Elia der Deutschen Presse-Agentur. „In das ausgetrocknete Flussbett zu gehen, das zu den Fällen führte, war eine ziemliche Erfahrung.“

Gute fünf Jahrzehnte später könnte er seinen Spaziergang wiederholen. Elia übernahm das 1917 gegründete Familienunternehmen seines Vaters und hätte durchaus Interesse, sich die Strömung noch einmal vorzuknöpfen. „Es ist einmalig für einen Menschen, die mächtigen Gewässer zu stoppen.“ Schon damals habe das Projekt eine Menge Aufmerksamkeit erzeugt, samt Besuch des Gouverneurs von New York.

Auch mit Bulldozern und Muldenkippern ist der Bau des sogenannten Kofferdamms an einer solchen Strömung kein Leichtes. Am oberen Ende der Strömung werden Erdmassen in den Fluss gepresst, nach und nach arbeiten sich die Maschinen zur anderen Uferseite. „Der schwierigste Teil kommt zum Schluss“, sagt Elia. Denn wo eine bis zu 90 Meter breite Strömung auf wenige Meter reduziert und letztlich abgeschnitten wird, entwickelt das Wasser eine umso größere Kraft.

Was das Flussbett dann für Geheimnisse bergen könnte, zeigen Berichte von 1969: Millionen Münzen, die Besucher vermutlich als Glücksbringer in die Strömung geworfen hatten, fanden Bauarbeiter damals und trugen sie mit Eimern ans Ufer. Nach Angaben der ehemaligen Stadthistorikerin Michelle Kratts fanden Arbeiter auch sterbliche Überreste - womöglich von Menschen, die sich das Leben genommen oder waghalsige Stunts gewagt und nicht überlebt hatten.

Vielleicht wäre das schon jetzt als einzigartig beworbene Vorhaben aber auch einfach ernüchternd: Robert Borgatti war 13 Jahre alt und lebte in der Stadt, als die American Falls trockengelegt wurden. Der Lokalzeitung „Buffalo News“ erzählte er im Januar: „Ich erinnere mich, ein bisschen enttäuscht gewesen zu sein, denn die Szenerie war nur eine öde Landschaft aus Steinen, Geröll, Ästen und Baugeräten.“

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