Alonissos: Die Insel der würzigen Kräuter

Auf der noch wenig bekannten Insel Alonissos heißt das Motto: Immer der Nase nach!

Athen. Sehenswürdigkeiten? Fehlanzeige! Sandstrände? Ein einziger. Ausgehen? Fällt flach. Aber: Das ist gerade der Trumpf von Alonissos, denn der Massentourismus hat die griechische Insel bisher verschont. Dafür verwöhnt sie mit viel Ruhe und Natur.

Alonissos muss man mit der Nase erkunden. „Was diese Insel ausmacht, ist ihr Duft“, sagt Waltraud Alberti. Aha, und wie riecht Alonissos? Sie hält etwas Gelbes unter die Nase. Erinnert das nicht an Ouzo? Das ist doch bestimmt Anis. „Nein“, korrigiert sie, „das ist wilder Fenchel.“ Und das hier? Ein bisschen wie Pfirsich. „Weinraute“, erklärt die Deutsche.

Sie muss es wissen: Die Insel ist ihr zweites Zuhause, seit Jahren bietet sie hier Seminare zu Heilpflanzen an.

Ankunft in Patitiri, dem Hafenstädtchen. An der Küste mischt sich die salzige Meerluft mit dem Geruch der Aleppokiefern. Alles geht „Siga, siga“, wie die Griechen sagen — langsam, langsam. Die Einwohner fahren nicht mit dem Auto, sie tuckern auf kleinen Treckern vorbei.

Alonissos gilt als grüne Insel. Eigentlich ist das Grün aber sehr bunt. Je nach Jahreszeit wachsen lilafarbenes Heidekraut, rosa Alpenveilchen, weiße Meerzwiebeln oder gelber Fenchel.

Es gibt 14 ausgeschilderte Wanderwege auf der Insel. Chris Browne kennt sie alle auswendig. Er führt Urlauber seit Jahren auf Wanderungen über die Insel. Neben Heilkräutern gibt es dabei viele Vögel zu sehen, wie den Eleonorenfalken.

Ein Weg führt den „Eselspfad“ hinauf in das alte Bergdorf, die Chora. „Eigentlich ist es das neue Bergdorf, das alte wurde bei einem Erdbeben zerstört“, erläutert Chris.

Trotzdem wirkt es so urig, als sei die Zeit stehengeblieben. Auf dem Platz in seiner Mitte liegen die Katzen und Hunde auf den warmen Steinen, die Alten trinken Ouzo und spielen an blau angemalten Holztischen vor weiß getünchten Häusern Tavli, die griechische Variante von Backgammon. Dahinter glitzert die blaue Ägäis. Das ist Griechenland wie im Bilderbuch.

Das Meer ist von Chora aus nicht weit: Zehn Minuten läuft man zur Bucht Megalos Mourtias südlich hinunter, wo man sich nach einer Wanderung im türkisblauen Wasser abkühlen kann. Mit dem Auto ist man genauso schnell in Chrissi Milia an der Ostküste, dem einzigen richtigen Sandstrand der Insel.

Morgens krähen die Hähne, und die Esel schreien. Welcher Tag ist heute eigentlich? Im Sommer wird auf Alonissos nur zwischen Wochentag und Wochenende unterschieden. Dann legen die Ausflugsboote an, vor allem im Juli und August, und es kommt Bewegung auf.

Laut wird es aber nur, wenn im Sommer ein Dorffest gefeiert wird. Dann tritt Chris mit seiner Band auf und spielt neben griechischer Musik ein paar Rock’n Roll-Stücke.

Normalerweise tummeln sich die Urlauber abends in den Restaurants in einer höher gelegenen Gasse von Chora. Beim Essen hat man von dort einen schönen Ausblick auf die kleinen, unbewohnten Inseln rund um Alonissos. Um das Eiland spannt sich ein 2200 Quadratkilometer großer Meeresnationalpark.

Im Sommer werden Touren zu umliegenden Inseln angeboten. Dabei folgen Urlauber den Spuren von Odysseus: Auf Gioura soll der Zyklop aus dem Epos gehaust haben.

Weiter entfernt ist Psathoura, eine Vulkaninsel, auf der schwarze Lavasteine die Sandstrände säumen. Wer Glück hat, sieht vom Ausflugsschiff aus Delfine oder sogar eine der Mönchsrobben, für die das Gebiet zur Schutzzone erklärt wurde.