Die schwebende Straßenbahn - 100 Jahre Seilbahn zum Zuckerhut
Rio de Janeiro (dpa) - Der Zuckerhut ist eines der markantesten Wahrzeichen Rio de Janeiros. Die Fahrt mit der Seilbahn ist ein Muss für jeden Touristen und das seit 100 Jahren. Die „Bondinho“ ist zum Kult geworden.
Der Ausblick ist atemberaubend. Vom 395 Meter hohen Zuckerhut aus entfaltet die Metropole Rio de Janeiro ihren ganzen Charme. Weiße Strände, azurblaues Meer, das saftige Grün der bewaldeten Hügel, ein unendlich anmutender Horizont und zu Füßen die „Cidade Maravilhosa“, die „Zauberhafte Stadt“, wie Rios zweiter Name lautet. Schätzungsweise 40 Millionen Menschen haben die Seilbahn zu dem Wahrzeichen bislang benutzt. Vor 100 Jahren ging die von den Brasilianern „Bondinho“ genannte Seilbahn an der Guanabara-Bucht erstmals auf Fahrt. Möglich machten es mutige brasilianische Architekten und deutsche Technologie.
Die Fahrt beginnt am Praia Vermelha, dem „Roten Strand“. Sanft schwebt die Gondel, die bis zu 65 Passagiere befördert, hoch zum 220 Meter hohen Morro da Urca, dem „Hügel von Urca“. Dort heißt es Aussteigen. Über bewaldete und befestigte Wege geht es zu Fuß weiter vorbei an kleinen Geschäften, Restaurants und einem Hubschrauberlandeplatz bis zur nächsten Station, wo die zweite Teilstrecke zum Pão de Açúcar, also zum Zuckerhut, beginnt. Beide Fahrten dauern jeweils drei Minuten. Oben eröffnet sich ein spektakulärer Blick auf das zweite weltbekannte Markenzeichen der Stadt: die nur wenige Kilometer entfernte Christusstatue auf dem Corcovado-Berg.
Am 27. Oktober 1912 wurde die erste Strecke der Seilbahn eröffnet, am 18. Januar 1913 folgte das zweite Teilstück zum Zuckerhut. Damals waren weltweit nur wenige Personenseilbahnen im Einsatz, etwa in der Schweiz am Wetterhorn oder in Spanien am Monte Ulia. In Brasilien hatte der Architekt Augusto Ferreira Ramos im Jahr 1908 die Idee. Er wollte den bislang nur für wagemutige Bergsteiger vorbehaltenen Ausblick für Touristen zugänglich machen. Vier Jahre später entschwebte die erste Gondel mit 17 Passagieren zur Jungfernfahrt. Die Technologie stammte vom renommierten deutschen Seilbahnpionier Julius Pohlig aus Köln.
Damals glich die vier Meter lange und 1,80 Meter hohe Gondel einem Straßenbahnwaggon aus Holz, was der Seilbahn den Namen „Bondinho“ einbrachte. Im Innenraum waren Sitzbänke montiert, die später aber rauskamen, um mehr Platz für Passagiere zu schaffen. Die Fahrt über beide Teilstrecken dauerte zehneinhalb Minuten. Wurden am Anfang 500 bis 600 Touristen pro Tag befördert, sind es heute je nach Saison 2000 bis 6000 Passagiere.
Die „schwebende Straßenbahn“ aus Holz war 60 Jahre praktisch unverändert im Einsatz, bis die „Bondinho“ 1972 neue moderne Gondeln bekam, die dann 2007 durch die heutigen Panaromakabinen aus der Schweiz ersetzt wurden. Der Zuckerhut und seine Seilbahn sind Wahrzeichen, die in Rio auf T-Shirts, Ölbildern, Postern und Postkarten zu finden sind. Die Kulisse wurde mit dem James-Bond-Film „Moonraker - Streng geheim“ (1979) weltbekannt, in dem sich 007 alias Roger Moore in schwindelerregender Höhe einen Kampf mit dem Bösewicht „Beißer“ liefert, der mit seinem Eisengebiss filmgerecht ein dickes Stahlseil durchbeißt.
Dem Pão de Açúcar machten auch Papst Johannes Paul II., Albert Einstein und John F. Kennedy ihre Aufwartung. Auch bewältigten die Drahtseilstrecke schon Artisten per Motorrad und zu Fuß nur mit einer Balancierstange ausgerüstet. Bei Alpinisten gilt der Berg auch heute noch als Herausforderung. Der schnellste, einfachste und sicherste Weg nach oben bleibt aber die „Bondinho“. Was allerdings ein kostspieliges Vergnügen ist: Hin- und Rückfahrt kosten umgerechnet 20 Euro.