Bücher- und Bunkerstadt lockt Besucher in alte Kriegszentrale
Wünsdorf (dpa) - Im Wald bei Wünsdorf südlich von Berlin wird Geschichte lebendig. Aus der alten Befehlszentrale der Wehrmacht ist eine Bücher- und Bunkerstadt geworden. Sie beherbergt noch Geheimnisse.
Von einer wichtigen Fernmeldezentrale im Zweiten Weltkrieg zur Bücher- und Bunkerstadt im märkischen Kiefernwald: Der alte Wehrmachtsbunker „Zeppelin“ bei Wünsdorf 40 Kilometer südlich von Berlin hat eine lange Geschichte hinter sich. Vom Marschbefehl für Wehrmachtssoldaten bis zum Befehl für den Überfall der Armee Hitlers auf Polen - alle Funksprüche und Telefonate liefen von 1939 bis 1945 über dieses Postamt, das tief unter der Erdoberfläche verborgen war. Seit 15 Jahren werden Besucher durch die historischen Anlagen geführt.
Die Journalistin Sylvia Rademacher steigt ehrenamtlich durch die oberirdischen Ruinen und in den Untergrund. „Ich will mithelfen, dass auch dieser Teil unserer Geschichte nicht vergessen wird“, begründet sie ihr Engagement. Obwohl damals am 15. März 1945 - an dem Tag, an dem auch Oranienburg seine schwerste Bombardierung erlebte - rund 6000 Bomben über der Wehrmachtsanlage im Fläming abgeworfen wurden, blieb der Bunkerkomplex fast unversehrt. „Das meiste ging zwischen der Bundesstraße 96 und den Bahnschienen runter“, berichtet die Journalistin.
Unter den 70 000 Besuchern aus aller Welt, die jährlich die Bücher- und Bunkerstadt besichtigen, kommen etwa 25 000 zu Touren und Führungen durch die Bunker. Werner Borchert, Geschäftsführer der Bücherstadt-Tourismus GmbH, sagt: „Bücher und Bunker sind für uns Synonyme für Frieden und sinnvollen Umgang mit Gegenwart und Geschichte.“ Die Idee der Bücherstadt entstand 1962 in Wales, und 1998 wurde das Konzept in Wünsdorf übernommen.
Inzwischen ziehen in Wünsdorf-Waldstadt tausende Bücherschätze die Gäste zum Stöbern und Kaufen an. In drei Antiquariatshäusern sind alle Wissens- und Sammelgebiete vertreten. Dazu gehören auch Abhandlungen über die fast hundertjährige Militärgeschichte des Standortes. Dessen wechselvolle Geschichte wird aber auch bei den abenteuerlichen Wanderungen durch die Bunkeranlagen tief unter der Erde erlebbar.
Oberhalb der Anlage täuschten die als Landhaussiedlung getarnten Stabsbunker „Maybach I“ und „Maybach II“ eine friedliche Ortschaft vor. In den großen Häuserblöcken war das Oberkommando des Heeres untergebracht. Ende der 1930er Jahre arbeiteten in dem unterirdischen Postamt 300 Leute pro Schicht. An den 70 Vermittlungsplätzen wurden per Hand täglich 120 000 Gespräche weitergegeben. Nach dem Krieg wurden die Bunker und der „Zeppelin“ gesprengt. Später nahm die Rote Armee die Fernmeldezentrale wieder teilweise in Betrieb.
Das Team um Borchert steigt regelmäßig unter die Erde. Wichtigste Utensilien sind Taschenlampe, Generalschlüssel und Pullover. „Im "Zeppelin" sind immer nur zehn Grad Celsius“, berichtet Rademacher. Die Schlüssel öffnen Tore und Türen, vor allem aktivieren sie die Lichtanlage. Dadurch werden die für Ortsunkundige unübersichtlichen Gänge beleuchtet. Überschaubarer werden sie deshalb aber nicht. Rademacher: „Wir kennen uns hier im Dunklen aber mittlerweile aus“, bemerkt Borchert.
Wieder oben angekommen, bleibt bei den meisten Besuchern ein beklemmendes Gefühl. „Die Bunkergeschichte zu begreifen heißt auch, die richtigen Lehren für die Gegenwart zu ziehen“, betont Borchert. „Wir hoffen, dass unsere Besucher neben den abenteuerlichen Momenten auch Erkenntnisse mitnehmen, wie man das, was sich in Wünsdorf im Zweiten Weltkrieg und zur Zeit des Kalten Krieges abgespielt hat, gegenwärtig und künftig verhindern kann.“