Kreuzfahrt: Der familiäre Charme der "Astor"
Von Bremerhaven durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Kopenhagen.
Düsseldorf. Evgeny Makarevich hat den Schalk im Nacken. Wenn der Russe spricht, lächelt er. Und wenn er lächelt, weiß man nie, wie viel Ernst und wie viel Ironie in seinen Sätzen steckt. Tatsache ist: Der Concierge der MS Astor steht am Steuer, obwohl er gar kein Kapitän ist. „Ich bin gern hier“, sagt er — und lächelt. „Mein Bruder ist U-Boot-Offizier und ich habe Germanistik studiert. Man könnte auch sagen: Ich bin quasi durch die Gedichte von Heinrich Heine zur Schifffahrt gekommen.“
Und so steht der Germanist sichtlich zufrieden am wichtigsten Platz des Kreuzfahrtschiffs und genießt die Blicke, die er auf sich zieht: „Wenn meine Mutter sehen könnte, dass ihr jüngster Sohn jetzt am Steuer steht, dann wäre sie mächtig stolz.“
Das darf sie schon deshalb sein, weil der charmante Concierge der perfekte Gastgeber ist. Der Russe ist zwar kein Kapitän, aber weil keiner so redegewandt die verschiedenen Schifffsflaggen an Bord erklären kann wie er, darf er an diesem Tag die Brückenbesichtigung anführen.
Der Seemann spricht perfekt Deutsch. Auf einem Schiff, auf dem das Personal aus 16 verschiedenen Nationen stammt und das unter der Bahamas-Flagge fährt, auf dem die Bordsprache aber Deutsch ist, qualifiziert ihn das für eine Schlüsselposition: Sein kleines Büro hat er direkt gegenüber der Rezeption.
Was er dort am häufigsten zu hören bekommt? Skurriles wie die Frage „Ist immer noch Wasser draußen?“ oder Skeptisches wie Kommentare zur russischen Trinkfestigkeit. „Es gibt strenge Kontrollen“, stellt Makarevich klar. „Ich selbst trinke selten Alkohol.“ Der Concierge betont es mit trockenem Humor, augenzwinkernd. „Sie wissen doch: Wenn Russen trinken, dann trinken sie gern reichlich.“ Da gerät man am besten gar nicht erst in Versuchung, schließlich sollte der eigene Gang nur dann wellenartig werden, wenn die Windstärke daran Schuld trägt.
Doch die Gäste haben diesmal Glück. Es ist ruhig vor, während und nach der Fahrt durch den Nord-Ostsee-Kanal. Und so bleibt zwischen Skatrunde, Kaffeeklatsch auf dem Sonnendeck und Abendshow noch genügend Zeit für einen kleinen Abstecher in Richtung Kommandobrücke.
„Wenn wir Vollgas fahren und im Drei-Motoren-Betrieb sind, verbrauchen wir 2,7 Tonnen Schweröl pro Stunde“, weiß der Concierge, der sich auf der Astor, das 1987 gebaut und 2010 modernisiert wurde, bestens auskennt. Wie lang die Ankerkette ist? „270 Meter!“ Und auch das erklärt Evgeny Makarevich mit strahlenden Augen: „Wir haben ein GPS-System, zeichnen die Route aber trotzdem auch immer noch auf Karten.“
Apropos Route: Viele Wege führen nach Bremerhaven, Sylt und Kopenhagen. Genauso viele führen allerdings auch zur Schifffahrt. Ein Germanist mag zu den Exoten unter den Seebären gehören, doch auch Gabi Eidam ist ein Sonderfall unter den professionellen Weltenbummlern. Die Kreuzfahrtdirektorin ist Biologin.
Evgeny Makarevich, Concierge
Seit zehn Jahren aber ist sie auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Die Neugier auf fremde Länder hat sie aufs Meer getrieben. „Meine Kinder sind erwachsen und in der Welt verstreut“, erzählt die Frankfurterin. „Das passt also.“ Eidam hat im fließenden Übergang Erfahrungen gesammelt — als Kursleiterin in Sachen Kommunikation, als Concierge, Reiseleiterin und Lektorin. Heute ist sie verantwortlich für das Team der Reiseleiter, die Gestaltung der Tagesprogramme für bis zu 578 Gäste und die Koordination der Künstlerauftritte, die sie selbst ansagt. Ein Job zwischen Schreibtisch und Showbühne. Regelmäßig heuert die Freiberuflerin auf verschiedenen Schiffen an. Mal als Direktorin, mal als Lektorin. „So habe ich das Gefühl, nie in einen Trott zu geraten.“
Ein Plus des schwimmenden Küchenangebots ist, dass ein Besuch in den Spezialitätenrestaurants — im Gegensatz zu manch anderen Kreuzfahrtschiffen — keinen Aufpreis kostet. Wer keine Lust auf die normale Tisch-Sitzung im Waldorf-Restaurant hat oder sich alternativ am Buffet im Übersee-Club satt gegessen hat, besitzt zwei zusätzliche Wahlmöglichkeiten: das Ristorante Toscana oder ein „Romantisches Dinner“.
Wo auch immer gespeist wird: Neu im Angebot sind Getränke- und Weinpakete zu den Tischmahlzeiten.
Auch wenn das Schiff nicht behindertengerecht ist: Medizinisch gesehen hat die Astor schon im Jahr 2002 eine Marktlücke entdeckt. Bis zu zwölf Patienten können während einer Kreuzfahrt an den vier Dialysestationen behandelt werden. Passagieren, die die Dialyse-Betreuung in Anspruch nehmen, wird nicht nur eine individuelle Ernährung, sondern auch ein Reisepreisabschlag versprochen.
Schiffe anderer Mitbewerber mögen moderner sein — Transocean wirbt dafür mit dem familiären Charme der Astor. In der Tat: Durchschnittlich 65 Prozent der Gäste sind nicht zum ersten Mal an Bord.
Im Club Columbus, in dem Vielfahrer die Welt erkunden, sind derzeit fast 6000 Astor-Fans vereint.
Dass die Mehrheit regelmäßig Kurs auf die Astor nimmt, freut natürlich auch Evgeny Makarevich — auch wenn der gelernte Germanist inzwischen andere persönliche Zukunftspläne hat. „Ich möchte gern an eine Hochschule und als Sprachlehrer arbeiten“, verrät er.
Dabei lächelt der Russe schon wieder so galant, dass man kaum glauben mag, dass er in nicht allzu weiter Ferne der Seefahrt für immer den Rücken kehren will. „Wer weiß, vielleicht komme ich ja auch nach einiger Zeit wieder? Die Seeluft werde ich auf jeden Fall vermissen.“