Maya-Pyramidenstadt Toniná - Spiegel des Himmels auf der Erde

Toniná/Ocosingo (dpa) - Am 21. Dezember endet die Zeitrechnung der Maya - und es beginnt eine neue. Viele Menschen denken aber, dass an dem Tag die Welt untergeht. Wie die Maya tatsächlich dachten, ist in einer gigantischen Pyramidenstadt in Mexiko zu sehen.

Die mexikanische Pyramidenstadt Toniná erhebt sich majestätisch aus dem Tal. Sie ist gigantisch mit ihren Tempeln und Palästen auf mehreren Plattformen. Toniná, 14 Kilometer nordöstlich von Ocosingo, ist eine bedeutende Hinterlassenschaft der Maya. Die alte Kultur ist in diesem Jahr aktueller denn je. Ihr Jahrtausende alter Kalender endet am 21. Dezember, und rund um den Globus bereiten sich Menschen auf den Weltuntergang vor.

Sie horten Lebensmittel oder wollen kurz vor Heiligabend in Bunker steigen. Dabei geht nach den Vorstellungen der Maya die Zeit einfach weiter, auch wenn der Kalender aufhört. In Toniná können Besucher mehr darüber erfahren, wie die Maya dachten.

Die riesige Toniná-Anlage besteht aus sieben Plattformen, die übereinanderliegen und sich über 80 Meter einen steilen Berghang hinaufziehen. 13 Tempel und Paläste wurden auf den Plattformen errichtet, teilweise sind sie durch unterirdische Gänge miteinander verbunden. Um zur Spitze zu gelangen, müssen Besucher die 300 Stufen der breiten Haupttreppe erklimmen. Diese erstreckt sich fast über die Gesamtbreite der Talfront.

Für den Betrachter, der von der untersten Ebene hinaufschaut, erscheint die steil aufragende Front wie das Firmament, auf dem die „Akteure des Himmels“ abgebildet sind. So erklärt es der Archäologe Juan Yadeun. Die die Stufen hinaufsteigenden Besucher sehen aus wie winzige Sterne.

In dem höchsten Palast in der Anlage lebten die Militärchefs, die Architekten und die Priester-Astronomen. Die Maya nannten das Gebäude „Rauchender Spiegel des Himmels“. Hier gab es Ornamente, in Stein gemeißelte Beobachtungen des Firmaments. Von den vier Tempeln der vierten Plattform beobachteten Priester und Astronomen den Himmel.

Alle Daten der in Toniná gefundenen hieroglyphischen Inschriften beziehen sich auf die „Larga Cuenta“ (Langzeitrechnung) der Maya, die vor gut 3100 Jahren vor Christus begann und eben am 21. Dezember endet. An diesem Tag will Toninás Chefarchäologe Yadeun Besuchern die Zusammenhänge zwischen Himmel, Erde und der Unterwelt aus Sicht der Maya erklären. In den Bewegungen am Firmament sahen sie einen Krieg der Sterne, den die Sonne an diesem Tag für sich entscheidet.

Yadeun erklärt: „Die Sonne hat den südlichsten Punkt erreicht und besiegt die Mächte der Finsternis. Der Planet Venus in seinen beiden Erscheinungen am Morgen und am Abend hat die himmlische Ordnung wiederherzustellen, die vorher zerstört worden war.“

Rechtzeitig vor dem Beginn des neuen Zeitalters nach dem Maya- Kalender haben die Wissenschaftler deshalb damit begonnen, das Relief „Die vier kosmischen Zeitalter“ zu restaurieren. Auf dem 16 Meter langen und vier Meter hohen Stuckrelief auf einer der vielen Plattformen haben die Maya die vier Zeitrechnungen abgebildet. Die dritte von ihnen endet demnach am 21. Dezember 2012.

„Die beiden ersten Zeitalter waren der Sonne und der zweiköpfigen Schlange, die Venus symbolisiert, gewidmet“, sagt der Archäologe, der seit 20 Jahren die Ausgrabungen in Toniná leitet. „Heute befinden wir uns in der dritten Ära. Und am 21. Dezember beginnt die vierte. In keiner Weise suggerierten die Maya das Ende der Welt, sondern das Ende der einen Periode und den Übergang zur nächsten.“

Die Maya haben das Firmament nicht nur beobachtet, sondern den Himmel auch auf der Erde abgebildet. „Die archäologische Zone von Toniná ist nämlich ein dreidimensionaler Plan des Himmels“, sagt Yadeun. „Sie ist eine Vorführung dessen, was die Maya für die wichtigsten Akteure des Himmels hielten. Dadurch verwandeln sich alle, die durch die Ruinen gehen, in himmlische Wesen wie die Sonne, den Mond, die Venus und andere Planeten. Die ganze Religion des alten Mexikos basiert darauf. Toniná ist ein Spiegel des Firmaments, und die Besucher werden zu Pilgern des Himmels.“