Schweden Mit dem Bulli durch Südschweden

Schonen ist malerisch, vielfältig und perfekt für Camping-Anfänger. Der üppigen Natur stets ganz nah, sammelt man in der kleinen Provinz auch in wenigen Tagen unzählige bleibende Eindrücke.

Das Naturreservat Kullaberg lässt sich am besten bei einer geführten Tour erkunden.

Foto: Visit Sweden

Gemächlich zieht die Landschaft vorbei: Friedlich grasen Kühe auf saftigen Wiesen, am Horizont glitzert das Meer in der Sonne, rot-weiß gestrichene Holzhäuschen schmücken die grüne Natur mit freundlichen Farbtupfern, ein Regenbogen steigt fast senkrecht vom Straßenrand in regenschwere Wolken auf. Ein paar Kilometer weiter stehen schmale weiße Birkenstämme in einem Waldgebiet dicht an dicht wie Streichhölzer, ein feudales Schloss ragt in der Ferne auf, und immer wieder führt der Weg durch charmant-verschlafene, liebevoll-einladende Dörfchen. Der Motor des VW-Bullis schnurrt vor sich hin, im Gepäckraum befinden sich alle Utensilien, um jederzeit überall lange oder kurze Rast machen zu können.

Das perfekte
Campingziel

Schonen – schwedisch: Skåne – ist die perfekte Region für Camper. Nicht nur, weil die Straßen in der südlichsten Region Schwedens so gut wie keine Staus kennen. Nicht nur, weil die Landschaftseindrücke der kleinen Provinz so abwechslungsreich sind wie in kaum einem anderen Teil des Landes. Sondern auch, weil ein Etappenziel des rund 11 000 Quadratkilometer umfassenden Areals nie weiter als den sprichwörtlichen Steinwurf vom nächsten entfernt liegt.

So durchzieht die Provinz unter anderem ein gut ausgebautes Wanderwegesystem: Skåneleden heißt der 1250 Kilometer lange Trail – und der nächste Zugang, so bestätigen es die Einheimischen, ist stets in maximal einer halben Autostunde von jedwedem Standpunkt Schonens aus zu erreichen. Das scheint plausibel, denn der Skåneleden teilt sich in knapp 100 Etappen, die sich bei Bedarf kombinieren lassen.

Halbtags-Wanderungen sind ebenso möglich wie mehrtägige Touren mit Übernachtung. Ein Fernwanderweg etwa führt mitten durch den Söderåsen: Mit seinen rund 16 Quadratkilometern Fläche gehört der Nationalpark zu den größten geschützten zusammenhängenden Waldgebieten Nordeuropas.

Und dort kann man sogar den Grand Canyon besteigen. Den inoffiziellen Spitznamen trägt der Kopparhatten, weil der Berg mit 200 Metern Höhe den konkurrenzlosen Gipfelpunkt des Nationalparks markiert. Die Aussicht von der großzügigen hölzernen Plattform – barrierefrei – ist unbestritten spektakulär: Aus unzähligen Baumkronen besteht das Panorama, deren Laub im Herbst in vielen Farben schimmert. Man blickt auf nackte, erdige Hügelrücken voller dunklem Geröll ebenso wie auf helle Steinschluchten, ebenso wie auf helle Steinschluchten, die senkrecht weit in die Tiefe abfallen.

Es verwundert nicht, dass der Ort vor allem an schönen Tagen gut besucht ist von Touristen, fast durchweg mit Kameras ausgestattet und bemüht, die imposante Aussicht für immer einzufangen. Aber auch an Schlechtwettertagen überzeugt der Kopparhatten: mit mystischen Nebelschwaden, dramatischen Schatten- oder abendlichen Farbspielen am weiten Horizont.

Der Sage nach ist der See
ein Auge des Gottes Oden

Am sagenumwobenen Odensjön ist die Chance höher, eine kleine Weile ganz für sich zu bleiben. Den teils tiefgrün, teils türkis oder anthrazit schillernden See, der eigentlich eine Quelle unbekannten Ursprungs ist, erreichen Wanderer über das ebenfalls eindrucksvolle Nackarpsdalen-Tal des Söderåsen. Das Gewässer liegt in einer Senke, und seine kreisrunde Form inspirierte Menschen schon vor langer Zeit zu Geschichten. Wer hineinspringt, erreicht der Sage nach niemals den Grund – Odensjö soll in Wahrheit das Auge des Oden sein, in der skandinavischen Mythologie einer der bedeutendsten Götter, der laut Legende einst eines seiner Augen gegen Weisheit tauschte.

Man kann im Nationalpark auf den zahlreichen Wanderpfaden oft innehalten und alten Geschichten nachspüren. Oder man genießt die abwechslungsreiche, teils seit 80 Millionen Jahren bestehende Natur aus anderen Perspektiven, etwa auf separat ausgewiesenen Mountainbike- und Downhillstrecken. Oder per Draisine, Kanu oder auf dem Pferd.

Ein Troll lebt in einer Höhle
des Kullabergs

An anderer Stelle in Schonen führt eine Etappe des Skåneleden-Wegenetzes zum Kulla-
berg in Mölle. Auch diesem Naturreservat, insbesondere dem gleichnamigen Berg der felsigen Halbinsel im Nordwesten der Region, entspringt eine Sage. Sie handelt von einem Troll, dem Kullamannen, der in einer Höhle lebt und den Menschen je nach Laune mal übel mitspielt, mal Glück bringt. Gleichzeitig birgt der Kullaberg ein Stückchen Literaturgeschichte: Im Buch „Die wunderbare Reise des Nils Holgersson mit den Wildgänsen“ machte Selma Lagerlöf ihn zum Treffpunkt für den großen Kranichtanz. Kurz darauf erhielt die schwedische Schriftstellerin den Literaturnobelpreis.

Es bleibt dem Besucher überlassen, ob er diese Geschichten auf eine Erkundungstour über den weithin sichtbaren Felsrücken im Nordwesten der Provinz mitnimmt. Mehrere Veranstalter bieten geführte Touren über und durch den Kulla-
berg, ein Besichtigungs-Highlight ist die Silbergrotte – auch wenn Schatzsucher das klassische Edelmetall dort heute nicht mehr finden. Ein Alleingang ist für Ungeübte nicht empfehlenswert, vor allem rund um die Felsabstürze, wo der Berg in der Meerenge Öresund endet. An den Südhängen führt ein vergleichsweise leichter Naturpfad (auf die roten Markierungen achten) von Arild zum Kullens fyr, einem 15 Meter hohen Leuchtturm, knapp 90 Meter über dem Meeresspiegel, dessen Licht weit in die Ferne reicht.

Das Infozentrum lässt
die Natur interaktiv erleben

Daneben befindet sich das „naturum“, ein Infozentrum, das Touristen interaktiv mit der Vogelwelt, den Pilzen, Pflanzen und den Meerestieren vertraut macht. Mit etwas Glück bekommt man auf einer rasanten Schlauchboot-Tour am Fuß des Kullabergs Schweinswale zu sehen.

Das Wunderbare an einem Camping-Trip durch Schonen ist, dass man all die Besonderheiten der Region absolut entspannt genießen kann – ganz im Sinne der schwedischen Gelassenheit, die sich auf der Fahrt über die beschaulichen Straßen ohnehin schnell einstellt. Denn mehr als 30 der rund 400 Campinganlagen im ganzen Land befinden sich in dieser Provinz, vom Zelt- und Wohnmobilplatz über die Hütte bis hin zum voll ausgestatteten Ferienhaus.

Darüber hinaus ist auch wildes Campen in Schweden erlaubt, solange man sich nicht ungefragt auf Privatgelände niederlässt. Der Weg zum Schlafplatz ist also meistens vergleichsweise kurz, ob vom verwunschenen Wald, von der wellenumspülten Sandstrandbucht, vom Museum in der Stadt, vom kleinen Farmladen am Feldrand oder vom schnuckeligen Café im malerischen Dörfchen.

Die Autorin reiste mit Unterstützung von Visit Sweden.