Oberengadin: Von Bergrettern und Seilbahnern
Schnee ist hier bis Anfang Mai garantiert und eine schöne Teufelin verführt Besucher.
Düsseldorf. Die Sonde bohrt sich in die tiefe Schneeschicht. Plötzlich stößt sie auf etwas Hartes. Wir versuchen es weiter rechts nochmals, mit dem gleichen Ergebnis. "Das ist nur Fels, wir müssen es woanders erneut versuchen", kommentiert Paul unser Bergführer den Fund. Der Piepston im LVS, im Lawinenverschüttungs-Suchgerät, wird stärker.
Wieder verschwindet die Spitze der Sonde im Schnee. Dann trifft sie auf einen leicht nachgebenden Widerstand. Vorsichtig gehen wir mit der Lawinenschaufel an die Arbeit. Zum Glück liegt der Gegenstand nur etwa 40 Zentimeter tief. Zuerst kommt ein blauer Stoffzipfel zum Vorschein, dann ein Skischuh und endlich ist auch das Gesicht frei gelegt. Die lebensgroße Puppe muss nicht wieder belebt werden. Sie wird, nachdem wir unsere Lektion gelernt haben, wieder eingegraben für die nächsten Übenden.
Jede Wintersaison sind die Bergretter nicht nur im Engadin mit den gleichen Problemen konfrontiert. Frisch gefallener Schnee verführt zu Abfahrten neben oftmals ungesicherten Pisten. Die neue Schneeschicht hat sich noch nicht mit der alten verbunden und gerät ins Rutschen. Wir sind im Piz Bernina Alpine Safety Center, dem ersten kompletten und permanenten Lawinentrainingszentrum der Alpen.
Die Aussicht ist grandios. Umgeben von Drei- und Viertausendern führt uns Paul von der Bergwacht in die Problematik der Rettung Lawinenverschütteter ein. Wer sich abseits der Piste bewegt, muss auch dementsprechend ausgerüstet sein, das heißt: ein auf der Haut getragenes LVS und im Rucksack Schaufel und Sonde.
Zuvor gilt es, sich über die Lawinengefahr zu informieren, die täglich an den Bergbahnstationen angeschlagen oder im Internet abrufbar sind. Gerät man trotz aller Vorsichtsmaßnahmen unter die Schneemassen, ist die Rettung durch die nicht verunglückten Kameraden am erfolgreichsten. Jetzt zählt jede Minute.
Selbst ein sofort alarmierter Rettungsdienst braucht seine Zeit. Auch ein Lawinenhund ist nur begrenzt einsetzbar. Der Schnee verdeckt erstmal alle Gerüche des Menschen. So braucht es eine gewisse Zeit, bis der Hund die Spur aufnehmen kann.
Endlos könnte Paul aus seinem Leben erzählen: Von den wunderbaren Augenblicken, wenn man einen Verschütteten wieder ins Leben zurückholt, aber auch den Ereignissen, wo Leichtsinn Menschenleben kostete und zudem das der Retter auf eine harte Probe stellte.
Von der 2978 Meter hohen Diavolezza führen breite Traumpisten ins Tal. Besonders gefragt ist die zehn Kilometer lange Gletscherabfahrt über den Pers- und Morteratschgletscher, die jedoch nur bei sehr guter Schneelage frei gegeben wird.
Das dreizackige Massiv des Piz Palü erhebt sich bis zu 3905 Metern. Der König der Berge ist nicht erst seit Luis Trenkers Geschichte berühmt, der 4049 Meter hohe Piz Bernina mit dem Biancograt. Der Ausblick ist atemberaubend. Nervenkitzel finden diejenigen, die sich am Corn Diavolezza beim Eisklettern versuchen.
Die eisige Wand kann in zwei bis drei Stunden erklommen werden. Bequemer ist da wohl der Winterwanderweg, der von der Bergstation Diavolezza nach Sass Queder führt. Wer nicht viel von Schnee und Eis hält, kann vom höchst gelegenen heißen Sprudelbad Europas aus die gewaltigen Bergriesen genießen.
Gespenstisch ist die Atmosphäre, wenn im Mondlicht die Skier beinahe lautlos übers glitzernde Weiß gleiten. Glüna Plaina bedeutet im Rätoromanischen: Voller Mond. Einer Sage nach soll die Bergfee Diavolezza, die schöne Teufelin, einst mit ihrer außergewöhnlichen Schönheit die jungen Männer aus dem Tal ins Verderben geführt haben auch heute noch die Gegend unsicher machen.
Bei der Glüna Plaina Abfahrt vergisst man schnell die Gruselgeschichten. "Man muss schon die Berge lieben, sonst hat es keinen Sinn", sagt Thomas. Seilbahner möchte er werden. Die Ausbildung ist neu in der Schweiz und erst seit 2006 möglich. Ausbildungsbereich und Betätigungsfeld sind sehr vielseitig und fordern umfangreiches Wissen über Verbrennungsmotoren, die Umsetzung komplexer Baupläne bis zu Kenntnissen in der angewandten Physik.
Der begeisterte Skifahrer, Wanderer und Biker hat seine Bestimmung gefunden. "Das Beste an dieser Arbeit: Man ist den ganzen Tag in den Bergen" schwärmt der zukünftige Seilbahner.
Die Kabinenbahn ist bis auf den letzten Platz besetzt. Leicht schwankend setzt sie sich in Bewegung, um die Sportler auf den höchsten mit einer Bergbahn befahrenen Berg des Engadins zu bringen. Der 3303 Meter hohe Corvatsch ist ein Traum für Alpinisten und Skifahrer.
Ein gepflegtes Pistennetz bietet abwechslungsreiche Abfahrten nach Hahnensee und zur Alp Surlej. Oder man wechselt per Sessellift ins Skigebiet Furtschellas. Selbst für Nichtsportler lohnt sich die Fahrt auf den Gipfel. Die Aussicht ist bei gutem Wetter grandios: Mont Blanc, Monte Rosa, Ortler und andere bekannte Gipfel breiten sich aus. Die Pisten sind weitläufig und bieten eine der besten Abfahrten im Alpenraum.
Über die vergangenen Jahre wurde viel in die Engadiner Bergbahnen investiert. Sie bieten den Sport- und Naturfreunden eine sichere Beförderungsmöglichkeit, die sie bequem zu den Skiabfahrten und zu Ausgangspunkten zahlreicher Wander- und Klettertouren bringt.
Im Winter sorgen 56 Luftseil-, Gondel-, Standseilbahnen, Sessel- und Bügellifte für einen reibungslosen Transport, um 65 000 Wintersportler pro Stunde auf 350 Pistenkilometer zu verteilen.
Im Mellow Park beginnt Parkbauer Menduri Willy mit großen Maschinen und viel Feinarbeit bereits vor der Skisaison mit dem Modellieren der Rampen für mutige Boarder und Freestyler. Schon ein paar Zentimeter Abweichung können eine wesentliche Änderung der Flugbahn herbeiführen.
Viel Handarbeit ist gefragt, um dem Gebilde den richtigen Schwung zu verleihen. Den Parcours gibt es für verschiedenen Schwierigkeitsgrade.