Toledo: Mittelalter auf sieben Hügeln
Das spanische Toledo atmet Geschichte. Reisende fragen in der Stadt zunächst nach El Greco, dem berühmten Maler.
Düsseldorf. El Greco: Reisende, die nach Toledo kommen, wollen meist auf den Spuren dieses großen Malers wandeln. Als Domínikos Theotokopoulos um 1541 auf Kreta geboren, schuf er in der spanischen Provinzhauptstadt, die auf sieben Hügeln erbaut wurde, 37 Jahre lang herausragende Werke - bis zu seinem Tod 1614. In der Kirche Santo Tomé ist sein Meisterstück, "Das Begräbnis des Grafen Orgaz", zu sehen.
"El Greco ist bedeutend, aber man darf deshalb die anderen Sehenswürdigkeiten Toledos nicht vergessen", mahnt Pedro Pantoja, Historiker an der Universität Toledo. "Die Stadt hatte bereits im 13. Jahrhundert europäische Bedeutung als Zentrum von Wissenschaft, Philosophie und Dichtung." Hier entstanden bedeutende Übersetzungen aus dem Hebräischen und Arabischen ins Lateinische.
"Stadt der drei Kulturen" wird Toledo auch genannt. Denn hier begegneten sich im Mittelalter Christentum, Judentum und Islam in Toleranz und inspirierten sich gegenseitig.
Auf dem Platz der einstigen Hauptmoschee erhebt sich heute die mächtige, fünfschiffige Kathedrale mit ihrem 90 Meter hohem Turm. Sie entstand zwischen 1227 und 1493. Sie war einst die reichste Kirche im Land. In der Schatzkammer kann die größte Monstranz Spaniens besichtigt werden. Der aus Köln stammende Goldschmied Enrique de Arfe schuf das kostbare Stück zwischen 1517 und 1524.
Auch Werke El Grecos gehören zur Kathedrale. In der Sakristei hängen der Apostelzyklus und die "Entkleidung Christi". Die beeindruckenden Gemälde "Johannes der Evangelist" und "Johannes der Täufer" sind dagegen im Kloster Santo Domingo El Antiguo zu sehen, wo der Künstler auch seine letzte Ruhestätte fand.
Mehr als 20 Werke, darunter der "Blick auf Toledo", sind im ehemaligen Wohnhaus El Grecos im alten Judenviertel zu sehen, das heute ein Museum ist. Juden waren schon immer in Toledo zu Hause.
Sie lebten ihren Glauben und bereicherten das intellektuelle und künstlerische Leben, von dem noch zwei erhaltene Synagogen aus dem Mittelalter zeugen: Santa María la Blanca, heute ein Museum, und die Sinagoga del Tránsito, die Teil des Sephardischen Museums ist, das die Geschichte des spanischen Judentums erzählt.
"Das alte Toledo muss man erwandern, dann erst offenbart sich der Charakter dieser einst imperialen Stadt", rät Historiker Pantoja. Er beginnt den Spaziergang am Ufer des Tajo, der von der knapp 200 Meter langen Alcântara-Brücke überspannt wird. Sie gilt als das bedeutendste erhaltene römische Brückenbauwerk.
Über der Stadt thront der Alcazar, der Palast der moslemischen und christlichen Herrscher. Jahrhundertelang residierte hier der spanische König, ehe der düstere Philipp II. im Jahr 1561 die Hauptstadt nach Madrid verlegte. Für die spanische katholische Kirche und ihren Primas aber blieb Toledo das Machtzentrum.
"So viele Klöster, Mönche und Nonnen gibt es sicherlich nirgendwo in Spanien. Man könnte meinen, die Kirchen und Klöster würden allein die Stadt ausmachen", berichtete der polnische Kronprinz Jakob Sobieski (1667-1737).
Spaniens Nationaldichter Miguel Cervantes (1547-1616) beschrieb die Stadt als einen "bedrückenden Felsblock". Ernst, streng und verschlossen wirkt sie auch heute noch. Dazu trägt schon die mittelalterliche Gassen-Architektur bei; für Autos ist sie nicht gemacht. Eilige Passanten haben es schwer voranzukommen, wenn zeitweise Touristenmassen die Gassen bevölkern.
Eine schnelle Bahnverbindung macht Toledo quasi zu einem Vorort von Madrid. Die Fahrt dauert nur eine halbe Stunde und kostet zehn Euro. Deshalb kommen viele Besucher als Tagesgäste in die 77000 Einwohner zählende Stadt. Eine Attraktion schon bei der Ankunft ist die Bahn-Station im kopierten Mudéjar-Stil, jener Bauweise, die Moslems unter christlicher Herrschaft zur Blüte brachten.