Okavango-Delta: Botswanas grünes Juwel
Unterwegs mit Zelt und Boot auf dem Schwarzen Kontinent. Auf Du und Du mit grauen Riesen im Okavango-Delta.
Düsseldorf/Maun. Ein leises Plätschern. Ein Surren und Zirpen im Moskito-Paradies. Der Blick ist auf die Wasseroberfläche gerichtet — immer auf der Suche nach Augenpaaren, die unser Boot anstarren, uns beobachten, während wir nahezu lautlos über die von Schilf gesäumten Wasserstraßen des Okavango-Deltas gleiten.
In der urwüchsigen Sumpflandschaft im Nordwesten Botswanas gibt es sie: Krokodile und Hippos.
„Aber sie lassen sich selten blicken — im Gegensatz zu den Insekten“, beruhigt uns Rogers. Der 20-jährige Botswaner ist Fremdenführer mit der Lizenz zum „Polen“.
Poler, so heißen die Männer und Frauen, die mit großem Geschick Touristen in traditionellen Booten, den Mokoros, durch das größte Binnendelta der Welt kutschieren. Lange Holzstäbe (englisch: pole) dienen dabei zum Anschieben und Lenken zugleich.
Der südafrikanische Winter ist die beste Jahreszeit für eine Mokoro-Tour durch das Delta: Im Juli und August ist der Wasserstand am höchsten.
Aus den Bergen Angolas kommend, verwandeln die frischen Fluten die knochentrockene Savanne für einige Wochen in ein grünes Paradies, das flächenmäßig größer ist als Schleswig-Holstein.
Fächerförmig strömt das Wasser gen Süden, um am Ende im Nirgendwo der Kalahari-Wüste zu versickern. Vom Mokoro aus lässt sich die Unerschöpflichkeit dieser Oase für Flora und Fauna erahnen. Sattgrüner Schilf und Seerosen, soweit das Auge reicht.
Riesige Raubvögel kreuzen die Lüfte auf der Suche nach Fischen oder kleinen Säugern. Und dann erblicken wir ihn — den Elefantenbullen, der nur gut 150 Meter von unserem Boot entfernt auf einer kleinen Insel steht und seelenruhig grast.
Ein erhabener Moment der Stille, diese Begegnung mit dem grauen Riesen.
Rogers kennt das Delta wie seine Westentasche und führt uns sicher zu einer Stelle, an der wir unser Zelt aufschlagen können. Camping mitten in der Savanne, wo sich Elefant und Löwe „Gute Nacht“ sagen.
Immerhin, die wichtigsten Verhaltensregeln für den Fall einer Konfrontation klingen einfach: Beim Elefanten im Zickzack weglaufen, das verwirrt ihn. Beim Löwen stehenbleiben, um den Jagdinstinkt nicht zu wecken. „Okay Rogers, alles klar“, sage ich — und überlege dabei allerdings, ob ich nicht doch in eine der Luxus-Lodges umziehe, die in den vergangenen Jahren im Okavango-Delta errichtet wurden. Aber nein, diese intensive Afrika-Erfahrung will jenseits von Wänden und Zäunen erlebt werden. Hautnah. Mit allen Sinnen.
„Entfernt Euch nie mehr als 100 Meter vom Camp“, bläut uns Rogers ein. „Auch wenn man die Tiere nicht sieht, sie sind da.“ Die Tiere, damit meint er vor allem die Raubkatzen, Löwen, Leoparden, Geparde, die in der Dämmerung auf Beutefang sind.
Am nächsten Morgen merken wir, dass wir wirklich mitten im wilden Wohnzimmer zelten: Äste knacken, Büsche rascheln und ein lautes Knurren flößt Respekt ein. Ein hungriger Elefant — das Knurren kam aus seinem Magen — bahnt sich behäbig seinen Weg durch das Dickicht in Richtung Wasser. Er hat uns bemerkt, dreht den Kopf und peilt die Lage. „Keine Gefahr im Verzug“, denkt er wohl und trottet kurz darauf ganz gemächlich weiter.
Nach dieser Überraschung beim Zähneputzen gehen wir auf die Pirsch, gemeinsam mit Rogers, der in einem Dorf im Okavango-Delta aufgewachsen ist und Gefahrensituationen schnell erkennt.
Wir wandern über eine der Inseln, die mehr als 60 Reptilien-, 120 Säugetier- und 440 Vogelarten eine Heimat bieten. Paviane kreuzen unseren Weg, sie haben mehrere Jungtiere dabei.
Rogers entdeckt Zebraspuren und führt uns zu einem Wasserloch, an dem die Herde steht und grast. Schallplattengroße Fußabdrücke im angetrockneten Matsch zeugen davon, dass wir einer Elefantenroute folgen. Impalas, Springböcke und andere Antilopenarten ziehen in Herden durch die Graslandschaft, stets wachsam, ob irgendwo ein Feind lauert. Leben in der Savanne.
Auf dem Rückweg im Mokoro zum Ausgangspunkt der Tour halten wir ein letztes Mal Ausschau nach lauernden Augenpaaren über der Wasseroberfläche. Aber statt Hippos und Krokodilen sind wieder nur Insekten unsere hautnahen Begleiter.