Von der „Ananas“ zum Champion: Bei den Boxern auf Kuba
Havanna (dpa/tmn) - Kubanische Boxer genießen einen hervorragenden Ruf. Viele Titel haben die Amateure von der Tropeninsel bereits bei Olympischen Spielen gewonnen. In den Boxschulen des Landes feilt der Nachwuchs an der Karriere - auch für Touristen ist das sehenswert.
Seit Stunden steht die Sonne hoch über den Dächern von Havanna Vieja. Trotz der Hitze pulsiert das Leben in der Altstadt der Karibikmetropole im Norden Kubas. Wie jeden Tag. Hier ist das Zuhause des neunjährigen Alberto Gonzaléz. Wenn er nicht gerade mit seinen Freunden auf den Straßen spielt oder in der Schule ist, gehört seine Leidenschaft dem Boxen. „Wenn ich groß bin, will ich Sport studieren“, sagt er und blickt dabei leicht verlegen auf den Boden. Und nach kurzer Pause fügt er leise hinzu: „Und Champion werden.“
Sein Hang zum sportlichen Zweikampf im Ring kommt nicht von ungefähr. Schließlich ist sein gleichnamiger Vater einer der berühmtesten Boxtrainer der Insel. Der kräftige Mann hat in seiner langen Laufbahn schon viele Boxer trainiert, Talente kommen und gehen sehen. Heute arbeitet er in der „karibischen Ananas“. So nannten die Kubaner früher die berühmte staatliche Box-Schule Gimnasio de Boxeo Rafael Trejo in der Calle Cuba 815, unweit des Stadthafens.
In Kuba hat Boxen einen anderen Stellenwert als in Deutschland. Boxer gelten hier nicht als rabiate Schlägertypen, sondern als Sportler mit hohem technischen Geschick, Kraft, Ausdauer und Stärke. Für Alberto seien dies aber nicht die Gründe gewesen, als kleiner Junge erstmals in den Ring zu klettern. „Boxen ist eben ein Sport, der mir viel Spaß macht“, erklärt er.
Neben ausländischen Sportlern sind auch Touristen in der „Ananas“ gern gesehene Gäste. Wer die historische Sportstätte besichtigen will, muss jedoch Geduld mitbringen, da es keine festen Öffnungs- oder Trainingszeiten gibt. Die Kubaner nehmen sich dann gerne Zeit, ihren Besuchern das Stadion zu zeigen oder die eine oder andere Anekdote zu erzählen - ein paar Spanischkenntnisse sind jedoch nicht schlecht.
Alle Boxschüler sind heute pünktlich, denn Vater Alberto und seine Trainerkollegen legen großen Wert auf Disziplin. „Die braucht man, um erfolgreich zu sein und im Ring bestehen zu können“, sagt Miguel.
Um die Kondition zu steigern, sprinten die Kinder die steilen Tribünen hoch und runter, verausgaben sich an den großen und kleinen Boxsäcken, machen Klimmzüge an Stahlstangen. „Besser sie verausgaben sich hier mit Sinn als auf der Straße“, sagt Alberto.
Irgendwann ertönt dann ein schriller Pfiff. Neben klaren Worten, deutlicher Mimik und unmissverständlichen Gesten sind die Trillerpfeifen für die Trainer das wichtigste Kommunikationsmittel. Jetzt heißt es für alle Schüler: „Auf zum Ring!“. Während Alberto und ein deutlich schmächtigerer Junge die großen Boxhandschuhe angelegt bekommen, stellen sich die anderen rund um den Ring auf. Auch die Älteren, die zuvor abseits des Trubels für sich alleine trainiert haben, stehen nun am Rande der Bretter, die für die Boxer die Welt bedeuten.
Was nach dem nächsten Pfiff im Ring folgt, ist kubanisches Boxen in Reinkultur. „Baila!“, ruft Alberto den Jungs zu. Und es wirkt. Sofort erscheinen ihre Bewegungen tänzerischer. Getanzt wird aber nur mit den Füßen. Mit den Händen wird knallhart zugelangt. Geschont wird im Training niemand. „Im Wettkampf gibt es auch keine Schonung“, sagt Alberto. „Das ist beim Boxen doch auch gar nicht möglich.“