Wintersport in Italien: Cappuccino zum Panorama-Blick
Madonna di Campiglio begeistert mit Pisten vor traumhafter Bergkulisse und einem Hauch Gemütlichkeit.
Madonna di Campiglio. Besser kann ein Skitag nicht beginnen: Raus aus dem Hotel, rein in die Gondel und oben am Monte Spinale mit einem lauten "Oha" an die frische Luft. Grund für das Staunen sind die charakteristischen Felszacken der Brenta, die in den blauen Winterhimmel ragen.
Der Blick ist so beeindruckend, dass nur notorische Pistenkilometersammler sofort ihre Tour starten. Alle anderen genießen erst einmal das Panorama. Und wechseln dann die Talseite, denn von gegenüber sieht die Brenta-Gruppe bei Madonna di Campiglio noch viel schöner aus.
Außerdem liegen die Osthänge morgens in der Sonne, so dass die ersten Skifahrer im Ristorante Cinque Laghi auf dem Pancugolo einen Cappuccino auf der Terrasse trinken.
Das sind aber garantiert Touristen. Denn echte Italiener stehen an der Bar, hinter der Natalia Vidi den Überblick behält über die vielen frisch gebackenen Kuchen und über die Gäste, die alle so begrüßt werden, als ob Natalia sie schon jahrelang kennt.
Es gibt 60 überwiegend familienfreundliche Pistenkilometer. Nur wenige Pisten sind so richtig steil wie etwa die Direttissima am Monte Spinale. Legendär ist die FIS-Piste 3-Tre, die ihren Namen einer Wettkampfserie verdankt, die seit den 50er Jahren in Madonna di Campiglio durchgeführt wird.
Damals herrschten goldene Zeiten in dem traditionsreichen Wintersportort - in den 80er Jahren des 19.Jahrhunderts verbrachten sogar die Habsburger Familie und Kaiserin Sissi ihren Urlaub hier. Nach den beiden Weltkriegen wurde Madonna das Ziel der Reichen, man baute viele Hotels, der Verkehr nahm zu und verstopfte die Straßen.
Das ist inzwischen Schnee von gestern, längst hat sich vieles zum Guten gewandelt. Die ehemalige Durchgangsstraße wurde in eine Fußgängerzone umgewandelt, viele Häuser werden modernisiert. Zwischen den altehrwürdigen Hotels gibt es mittlerweile echte Schmuckstücke wie das Biohotel Garni del Sogno, in dem bereits die Ferrari-Stars Schumacher (er hat in Zimmer 203 gewohnt) und Massa logierten.
Das "Formel 1 Press Meeting Wrooom" von Ferrari und der Habsburger Karneval im Februar sind die unübersehbaren Höhepunkte des Winters, andere Festivitäten finden dagegen hinter verschlossenen Türen statt. Die wirklich Reichen feiern in ihren Häusern, die man erst auf den zweiten Blick inmitten der Wälder rings um Madonna entdeckt.
Natürlich haben sich die Geschäfte auf die zahlungskräftige Kundschaft eingestellt, doch selbst als Gast mit durchschnittlicher Kreditkarte fühlt man sich auf Anhieb wohl. Die einen gehen abends in erschwingliche Lokale wie die Pizzeria Focolare, an- dere lassen sich im Hotel Bertelli so richtig verwöhnen.
Zurück auf die Piste. Auf die nachmittags von der Sonne verwöhnten XXL-Hänge unter dem Grosté-Pass mit den zum Greifen nahen Felsen der Brenta und den Hütten am Pistenrand. Im Rifugio Boch animiert nachmittags ein DJ das Skivolk zum Tanzen, während andere sich mit einem Bombardino - einem Mixgetränk aus Eierlikör, Rum oder Whisky, Kaffee und Sahne - wärmen.
Nach Liftschluss sorgen die Carabiniere dafür, dass alle zügig ins Tal abfahren. Da die Pisten bis in den Ort führen, ist es nicht weit in die nächste Bar, in der man den Skitag mit einem Spritz ausklingen lässt - und sich im Anschluss für das Abendprogramm ausruht, das frühestens um 21 Uhr beginnt. Da kann es schon mal etwas später werden, und erklärt, warum die Pisten morgens so angenehm leer sind.
Wer abends schon früher los möchte, bummelt durch den Ort, entdeckt die noch leere Nabucco Ferrari-Lounge, in der es erlesene Weine und perlenden Champagner von Giulio Ferrari gibt (je teurer das Getränk, desto feiner die kostenlos gereichten Snacks), oder unternimmt einen Abstecher ins Museum der Bergführer.
Dort trifft man manchmal den 80 Jahre alten Cesare Maestri, eine Bergsteiger-Legende, der sich liebevoll um die Sammlung kümmert und von den guten alten Zeiten schwärmt. "Früher wurden die Bergführer gleich für drei bis vier Wochen gebucht. Und vom Honorar für eine Tour auf den Campanile Basso konnte ich mir eine Kuh kaufen."
Heute müssen die Bergführer mit der Zeit gehen. So auch Sandro Vidi, der bereits in der vierten Generation als Bergführer arbeitet und heute statt hochalpiner Klettertouren mit seinen Gästen Schneeschuh-Wanderungen unternimmt. Etwa zum Rifugio Lago Nambino, einer auf 1770 Metern Höhe gelegenen Hütte, die sich in einem stillen Seitental direkt am Ufer eines zugefrorenen Sees versteckt.
Am Abend, wenn sich der klare Sternenhimmel über das Tal spannt, gegenüber die Brenta-Gipfel im letzten Abendrot erstrahlen und die Schneeschuhe im Schnee knirschen, ist es dort am Allerschönsten - besser kann ein Skitag nicht enden. Auch nicht in Madonna di Campiglio.