Wenn James Bond auf Kreuzfahrt geht
Unterwegs mit der AIDAvita: Volles Programm im Mittelmeer.
Palma de Mallorca. Shuffleboard, Tanzkurs oder Kochschule? Das sind Fragen, die Kreuzfahrer bewegen. Denn an Bord der AIDAvita ist das Schwitzrisiko groß: Wer sich nicht gerade im Fitnesskurs auf Deck neun auspowert, kann der Sonne eine Etage höher - im Liegestuhl auf dem Pooldeck - genüsslich den Rücken zukehren.
Braungebrannt, Single und immer für einen Drink zu haben? Das sind Vorurteile, die Skeptiker bewegen. Ganze Generationen von Mittelmeer-Freunden beweisen jedoch das Gegenteil: Diesmal sind es hauptsächlich Familien samt Großeltern und junge Paare, die Leben auf das Schiff mit dem Kussmund bringen. Die siebentägige Sommer-Route von und bis Palma de Mallorca lockt mit wenig Seegang und ganz viel Sonne. Am Horizont zeichnen sich - Tag für Tag - neue Ziele ab: Olbia, Civitavecchia und Ajaccio gehören genauso zur See- und Seh-Erfahrung wie Cannes und Barcelona.
Apropos: Wie weit kann man eigentlich von der Brücke aus sehen? Auf dem 28 Meter hohen Pooldeck ist der sichtbare Horizont rund 20 Kilometer vom Schiff entfernt, rechnet Tobias Pietsch vor. Sein Publikum kann sich auf den Kapitän und dessen Lautsprecher verlassen: Morgens begrüßt Pietsch seine Gäste mit Wetteraussichten und Hafeninfos, abends gibt er Auskunft über Wind und Wellen, schürt die Vorfreude auf den nächsten Hafen und erklärt, wann und wo der lokale Lotse - der dem Kapitän beim An- und Ablegen zur Seite steht - an Bord springt.
Um den Sprung nicht zu verpassen, stehen die Profis unter den Schaulustigen rechtzeitig an der Reling in den Startlöchern: Versammeln sie sich am besten auf der linken Seite (Backbord) des Schiffes oder nähert sich das kleine Boot mit dem Lotsen eher von der rechten (Steuerbord)? Auch dies ist gut zu wissen: In jedem Hafen werden 12 bis 14 Leinen angebracht, die das Schiff gegen die Kräfte aus allen Richtungen fest an der Pier halten.
Wenn es die Ausflügler an Land zieht, wird so manche Mittelmeer-Stadt regelrecht überlaufen. Zumal die angesteuerten Häfen auch bei anderen Kreuzfahrt-Riesen hoch im Kurs stehen und die Kussmond-Flotte nicht selten direkt neben Mitbewerbern andockt. Das macht die Reise für eingefleischte Aida-Fans umso interessanter, denn Schiff an Schiff lässt sich gut in fremde Kabinen blinzeln und darüber philosophieren, ob Größe wirklich alles ist.
Rein quantitativ gibt es beim Unterhaltungsprogramm nichts zu meckern: Die AIDAvita hat neben Vorträgen über Land und Leute, Fitnesskursen und Abend-Shows eine Route zu bieten, die mit wohl dosierten Reiseetappen, zuverlässigem Sonnenschein und reizvollen Aussichten gesegnet ist. Insgesamt 2256 Kilometer legt die schwimmende Kleinstadt zurück, dabei ist kein Tag wie der andere. Denn abgesehen von einem einzigen Seetag, der direkt zu Beginn ansteht, gibt es an jedem einzelnen eine neue Stadt zu entdecken.
Und Olbia ist nur der Anfang: Wie ein Fußabdruck sehe Sardinien aus, meinten die alten Griechen. Wer ein wenig Fantasie hat, gibt ihnen heute noch recht. Das gilt natürlich nur für die, die das Anlegen nicht verschlafen, weil sie noch von der jüngsten Pool-Party samt Willkommens-Drink träumen. Wer stattdessen früh aus den Federn steigt, das erste Möwen-Geschrei genüsslich aufsaugt, Bikini oder Boxershort einpackt, hat beste Aussichten: An der Costa Smeralda wechseln sich Badestrände mit schroffen Felsen ab. Schon griechische Seefahrer schätzten die geschützte Lage in der westlichen Bucht der Insel so sehr, dass sie die Kolonie Olbia, die Glückliche, nannten.
So dürften am Ende alle glücklich sein - diejenigen, die es in kühle Fluten zieht, genauso wie all jene, die lieber über Olbias Promeniermeile (Corso Umberto) schlendern, um im Herzen der Altstadt (Piazza Margherita) das pulsierende Leben zu entdecken.
Die nächste Etappe lässt sich buchstäblich im Schlaf bewältigen. - natürlich nur für die, die Urlaub haben. Wachsam bleiben hingegen alle, die das Schiff in den nächsten Hafen manövieren. Für alle anderen gilt: Als Gast darf man ruhen, wenn andere arbeiten - und aufwachen, wenn erneut die Sonne lockt.
Denn 233 Kilometer von Olbia entfernt bestätigt sich ein altes Sprichwort aufs Neue: Alle Wege führen nach Rom. Zumindest gilt das für Aida-Gäste, die in begeisterten Scharen die Rucksäcke richten und Civitavecchia nur als Sprungbrett für weitere Ziele nutzen. Die Mehrheit zieht es Richtung Rom - in die ewige Stadt. Der Tagesausflug mit Bus oder Bahn lohnt sich - nicht zuletzt, weil der vergleichsweise kleine Kreis an Verweilern erkennen muss, dass Civitavecchia als solches nicht unbedingt das attraktivste Ziel der Route ist.
In Rom hingegen stolpern die Italien-Entdecker bei jedem Schritt über die Spuren tausendjähriger Geschichte: Um die Sehenswürdigkeiten aus allen Epochen zu bestaunen, könnte man wochenlang in der Hauptstadt verweilen. Den Passagieren bleiben immerhin einige Stunden, um in die pulsierende Metropole einzutauchen und das Areal rund um Petersdom, Kolosseum, Forum Romanum, spanische Treppe und Trevibrunnen zu erobern.
Bleibt ein Tipp für alle, die Rom schon vor der Reise bestens kannten: Niemand muss von Bord - wenn er nicht will. So können es sich Entspannungssuchende auch einfach bequem machen: Während andere ausschwärmen, schlägt für Wellness-Fans die große Stunde - so leer wie an diesem Tag wird es am Pool und im Fitnesscenter nie wieder werden.
Am nächsten Morgen - sozusagen 337 Kilometer später - taucht Korsika am Horizont auf. Und wieder lockt ein sonniger Tag: Auf den Namen "Kalliste", die Schönste, tauften die alten Griechen Korsika. Ein Großteil der Landschaft besteht aus Gebirge mit dichten Wäldern und kristallklaren Bergseen. Der schmale Küstenstreifen ist gesäumt von Sandstränden. Auch Napoleon, der in Ajaccio geboren wurde, schwärmte von seiner Insel. Vom Meer aus habe er sie schon am intensiven Duft erkannt, den die Macchia-Blüte im Frühjahr verströmt.
Auf den Spuren von Napoleon geht es durch die Altstadt: Ein Spaziergang führt zur Taufstätte, seinem Geburtshaus und dem Napoleonbrunnen. Ein Glück, dass der Kern der Stadt recht kompakt ist - so kann die Vergangenheit Schritt für Schritt in die Gegenwart geholt werden. Der Kriegsherr scheint noch heute allgegenwärtig zu sein: Im Napoleon-Museum werden Erinnerungsstücke rund um den Kaiser seine Verwandtschaft gezeigt.
Auch das Kunstmuseum Palais Fesch kann sich sehen lassen - zu bewundern sind Gemälde aus dem 14. bis 18. Jahrhundert, die Napoleons Onkel, Kardinal Fesch, zusammengetragen hat. Auf dem Place d'Austerlitz zeigt sich die wohl imposanteste Napoleon-Statue von allen. Napoleon ist hier in seiner bekannten Pose dargestellt - mit Dreizack auf dem Kopf am oberen Ende einiger Stufen, als ob er mit einem gewissen Stolz auf die Stadt Ajaccio zu seinen Füßen schaue.
Am nächsten Morgen heißt es: Auf zur Stippvisite nach Cannes. Und das ist für viele eine ganz neue Erfahrung. Denn an der Côte d'Azur, vor den Augen der Schönen und Schöngemachten, werden die gelben Beiboote zu Wasser gelassen. Tendern in Cannes - für viele ein seltenes Vergnügen, für manch andere eine mentale Hürde und zugleich eine Herausforderung für den Gleichgewichtssinn. Das azurblaue Meer ist zwar ruhig, doch im Unterschied zum Kreuzfahrtschiff wirkt ein Tenderboot relativ klein und die Wasseroberfläche verdächtig nahe. Wie auch immer: Die AIDAvita liegt in einiger Entfernung zur Küste vor Anker. Die Gäste dürfen in Tenderbooten Platz nehmen, um an Land zu gelangen.
Cannes war bis zum frühen 19. Jahrhundert ein verschlafener kleiner Fischerhafen. Heute fasziniert das Gegenteil: Die elegante Stadt ist ein quirliger Urlaubsort, an dem die Luxusyachten genauso glänzen wie die Augen der Touristen, die sich an den Reichen und Prominenten ein Beispiel nehmen. Festspielhaus, Einkaufsstraßen, Strandareal - wer alles erkunden will, muss sich sputen, hat aber eine ideale Verbindungslinie. Die weltberühmte Promenade (Boulevard de la Croisette) erstreckt sich mehr als zwei Kilometer entlang des Wassers. Der elegante "Laufsteg" führt zu feinen Sandstränden - einige sind in privater Hand, andere öffentlich.
Während die Kreuzfahrer ausschwärmen wie unruhige Hummeln, bleibt einer standfest. Der Anker hält die AIDAvita auf Position und hat beeindruckende Maße: Er wiegt 6,5 Tonnen, die Kette ist ingesamt 300 Meter lang. Sein Einsatz ist allerdings nicht von ewiger Dauer: Als sich der Abend nähert, wird der Anker gelichtet. Die AIDAvita verlässt den Golf de la Napoule und passiert eineinhalb Stunden später die Bucht von Saint-Tropez. An der Îles d'Hyères dreht Kapitän Tobias Pietsch auf einen südwestlichen Kurs, der die Kussmund-Gemeinschaft durch den Golf von Lion nach Barcelona bringt.
482 Kilometer trennen Cannes und Barcelona. Unter spanischer Sonne staunen die AIDA-Jünger nicht schlecht: Die Hauptstadt Kataloniens scheint an diesem Tag ein einziger Tummelplatz für Touristen zu sein, die Wasser, Abwechslung und Meeresluft lieben. So viele Kreuzfahrtschiffe wie im Hafen von Barcelona sind selten einträchtig vereint. Wie die Ameisen gehen die Gäste von Bord. Alle kennen zunächst nur ein Ziel: die Promenade Las Ramblas.
Der kollektive Ausflug führt in die Welt des Antoni Gaudí und Pablo Picass. Im Gotischen Viertel mit der Kathedrale, dem alten Rathaus und dem Bischofssitz fühlt man sich schnell in vergangene Jahrhunderte versetzt. Ein absolutes Muss ist ein unvollendetes Meisterwerk: Gaudís Sagrada Familia. Neben der Basilika gehört das Picasso-Museum zu den bekanntesten Attraktionen Barcelonas. Der spanische Maler Pablo Picasso (1881-1973) hatte einen Teil seiner Jugend in der Stadt verbracht, das Museum öffnete noch zu seinen Lebzeiten - im Jahr 1963 - die Pforten.
Wer die Souvenir-Jagd mit Museumsbesuchen verbindet, beweist, dass eine Kreuzfahrt nicht nur lustig, sondern auch kulturell wertvoll sein kann. Das gilt auch in den Abendstunden an Bord: Kultur tankt jeder auf seine Weise - ob allein mit einem guten Buch an der Reling oder im voll besetzten Theater, das sich über zwei Decks zieht und neben Gefühl, Gänsehaut und Geheimagent (James-Bond-Revue) auch eine Pistolen-Parodie (Western-Show) im Programm hat.
Danach ist der Abend aber noch lange nicht vorbei: In den Bars finden sich am Ende auch die, die braungebrannt, Single und für jeden Drink zu haben sind. Wer es ruhiger mag, kann die Reise kurz vor der Rückkehr nach Palma de Mallorca noch einmal Revue passieren lassen: Ein Sonnenuntergang ist und bleibt die schönste Sehenswürdigkeit, die das schwimmende Hotel mit Meerblick zu bieten hat.