Ananas, Elefanten und Fahrräder: Reise-Überraschungen in Gelderland

Natur und Kultur: Die niederländische Provinz hat von beidem reichlich zu bieten.

Das Paleis Het Loo in Apeldoorn.

Foto: Martina Thöne

Apeldoorn/Vorden. Was haben Ananas und Elefanten-Mist gemeinsam? Nicht viel, könnte man meinen. Die niederländische Provinz Gelderland beweist das Gegenteil.

In der östlichen Mitte der Niederlande kann der geneigte Gast Entscheidendes über tropisches Obst und tierische Hinterlassenschaften lernen: Im Barockschloss Paleis Het Loo etwa, dem früheren Wohnsitz des Königshauses in Apeldoorn, reicht dafür ein Blick nach oben.

Papier aus Elefanten-Dung - hergestellt in der Papierfabrik De Middelste Molen.

Foto: Martina Thöne

Am reich verzierten Kronleuchter ist eine künstlich geformte Ananas zu entdecken. Genüsslich macht Führerin Tatjana Meijvogel-Volk auf die Symbolik aufmerksam, die vor mehreren Jahrhunderten im erlauchten adeligen Kreis gepflegt wurde: "Es war der Gipfel an Gastfreundschaft, wenn man eine Ananas zum Dessert anbieten konnte."

Schloss Vorden kann besichtigt werden. Hier können Gäste übernachten und Hochzeiten gefeiert werden.

Foto: Martina Thöne

Wozu Nahrung gut sein kann, wenn sie denn erst einmal den Weg in und durch den Körper gefunden hat, zeigt sich in der historischen Papierfabrik De Middelste Molen. In Loenen weiß man, wie man aus Verdautem Geld machen kann. Dick Kool, der durch Hollands einzige betagte Mühle führt, die im Originalzustand erhalten ist, hat deshalb auch allen Grund zum Schmunzeln: Woraus das graue Papier, das sich am Ende im Verkaufsraum stapelt, entstanden ist? "Aus Elefanten-Mist!"

Das Material liegt quasi vor der Haustür: Es stammt aus dem nicht weit entfernten Burgers' Zoo in Arnheim. Neben der grauen Ware, die bezeichnenderweise den Namen "Olifant" trägt, finden sich Papiersorten, die mit Tabak, Spargel, Jeans, Orange und Wolle verfeinert wurden. Das Besondere daran: In Loenen wird Papier noch nach guter alter Tradition hergestellt - wenn nicht gerade maschinell hergestellt, dann von Hand geschöpft.

Wie viel Papier die Mühle am Tag produziert? Kool lächelt, denn er ist mit einer guten Prise Humor gesegnet. "Wir haben eine Maschine von 1890. Die arbeitet dann und wann." Neben dem Frohsinn ist auch etwas anderes nicht zu überhören: Dick Kool ist stolz auf die Mühle, in der seit 1622 Papier durch Wasser und Dampf erzeugt wird.

"Sie ist die einzige in den Niederlanden, die noch durch Wasserrad und Dampfmaschine angetrieben wird." Das Ergebnis ist Papier, das vor allem Profis zu schätzen wissen. "Bei uns kaufen viele Künstler." Wer will, kann gleich neben der Mühle direkt aktiv werden: Im Atelier werden Kurse angeboten.


Doch zurück zur Ananas: Im Schloss Paleis Het Loo, in dem die Frucht in künstlicher Form nicht etwa am seidenen Faden, sondern am Kerzenleuchter hängt, tischt Tatjana Meijvogel-Volk neben harten Fakten auch leicht bekämmliche Anekdoten auf. Was etwa haben zwei Rollen an den Esszimmer-Stühlen zu suchen?

"Sie waren unter den Holzfüßen befestigt, damit die Diener die adeligen Gäste bequem an den Tisch schieben konnten." Da die erlesenen Gäste ein üppiges Mahl gewohnt waren, schienen Rollen wohl vonnöten gewesen sein, wie Meijvogel-Volk verrät. Was die Hamburgerin vor fast 20 Jahren in die Niederlande verschlagen hat? "Die Liebe", sagt die Schlossführerin und schmunzelt.

Ein Rundgang hält weitere Überraschungen bereit - beispielsweise die Treppe, die in der Kapelle den Weg von unten nach oben weist. "Auch die Diener konnten dem Gottesdienst beiwohnen, durfte den Raum aber nicht durch den Haupteingang betreten." Die Personaltreppe - direkt neben dem Hauptportal - war sozusagen ein stufenweiser Kompromiss.

Das Schloss Het Loo liegt am Rand von Apeldoorn - inmitten des Waldgebietes Veluwe. Drei Jahrhunderte lang diente es Statthaltern, Königen und Königinnen als Sommersitz. Heute können sich Besucher auf eine Zeitreise durch die königlichen Räume begeben, durch die barocken Schlossgärten streifen, die Wagensammlung des Königshauses bewundern und Wechselausstellungen genießen. Es lebe das 17. Jahrhundert: Wer durch den barocken Park - an Springbrunnen und Blumenbeeten - schlendert, fühlt sich wie ein kleiner König.


Seit 1984 ist der frühere Wohnsitz des niederländischen Königshauses - nach gründlicher Renovierung - auch für "Normalsterbliche" geöffnet. Die möblierten Räume zeigen, wie die Oranier 300 Jahre lang lebten, speisten und nächtigten - von König-Statthalter Wilhelm II. (1650-1702) bis zu Königin Wilhelmina (1880-1962). Auf ihren Reisen und Staatsbesuchen, aber auch durch Ehen mit ausländischen Prinzen und Prinzessinnen lernten die Oranier exklusive Kunst und Formgebung kennen.

"Loo ist ein altniederländisches Wort und bedeutet Lichtung", erklärt Meijvogel-Volk. "Die Idee war, ein Jagd- und Wochenend-Schloss zu bauen." Dabei durften auch malerische Trophäen nicht fehlen: Die Gemälde-Galerie bezeichnet die Führerin augenzwinkernd als Showroom. "Man zeigte, wie wichtig man war und welche Kunstwerke man sich leisten konnte."

Wie ein Leben als Prinzessin jenseits der niederländischen Grenzen aussehen kann, zeigt die aktuelle Wechselausstellung: Bis zum 26. Oktober 2014 wird im Schloss Het Loo eine schillernde Persönlichkeit aus einem der ältesten europäischen Fürstenhäuser gefeiert. Kleidung, Accessoires, Filmbilder und Fotos lassen sie lebendig werden: Die Ausstellung "Grace Kelly, Prinzessin und Stilikone" erzählt die Geschichte der Fürstin Gracia von Monaco.


Wer in Gelderland Natur und Kultur gemeinsam erleben möchte, sollte sich auch ein anderes Datum merken: Im Van-Gogh-Jahr 2015, in dem sich der Todestag des Malers zum 125. Mal jährt, sollen "Van Gogh & Co." alle Blicke auf sich ziehen. Die gleichnamige Ausstellung wird vom 25. April bis zum 27. September 2015 im Kröller-Müller Museum präsentiert. Was erwartet werden darf?

Ein Blick, der über das einzelne Genie hinausgeht. Stillleben, Landschaften, Naturmotive, Stadtbilder und Porträts von Vincent van Gogh werden den Arbeiten seiner Zeitgenossen gegenübergestellt. Neben 50 Gemälden des niederländischen Meisters werden Werke von Floris Verster, Odilon Redon, Henri Fantin-Latour, Paul Cézanne und Claude Monet gezeigt.

So viel darf bereits verraten werden: Van Goghs "Stillleben mit Bartmannkrug" weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit François Bonvins "Stillleben: Töpfe und Hüte" auf. Vergleichsweise auffallend ist auch dies: Während seines Aufenthalts in der Provence malte Van Gogh unter anderem "Zypressen mit zwei Figuren". Paul Cézanne wählte einen vergleichbaren Blickwinkel auf einer Straße für sein Gemälde "Der Weg zum See".

Auch Porträts gehörten zum Werk Vincent van Goghs. Das zeigt sich bereits bei den frühen, in Nuenen entstandenen Darstellungen von Bauern, vor allem aber bei den berühmten Arbeiten von Freunden und Bekannten in Arles - wie "L'Arlésienne" (Porträt der Madame Ginoux). Van Gogh wusste auch die Porträts von Adolphe Monticelli zu schätzen, die im kommenden Jahr ebenfalls zu bewundern sind.


Um solche An- und Einsichten zu gewinnen, können sich die Gäste gerne abstrampeln. Ausleihen ist ausdrücklich erwünscht: 1800 kostenlose weiße Fahrräder stehen im 5400 Hektar großen Nationalpark "De Hoge Veluwe" parat. Im Herzen der grünen Oase liegt das Kröller-Müller Museum. Mit mehr als 300 000 Besuchern pro Jahr gehört der Kulturtempel zu den am meisten besuchten Museen der Niederlande. Kein Wunder: Mit rund 90 Gemälden und 180 Zeichnungen besitzt das Museum die zweitgrößte Van-Gogh-Sammlung der Welt.

Die Idee, Natur und Kultur zu verbinden, hatte eine Düsseldorferin: Helene Müller war eine begeisterte Kunstsammlerin, ihr Mann Anton Kröller ein ebenso passionierter Jäger und erfolgreicher Geschäftsmann. Zwischen 1907 und 1922 kaufte Helene Kröller-Müller fast 11 500 Kunstwerke - ihre Sammlung gehört zu den größten Privatsammlungen des 20. Jahrhunderts. Sie träumte von einem eigenen "Museumshaus", einem Ort, an dem sie ihre Liebe für die moderne Kunst mit anderen teilen konnte. 1938 wurde die Vision Wirklichkeit. Heute kann mitten im Naturpark auch ein 25 Hektar großer Skulpturenpark Schritt für Schritt bewundert werden: 160 Blickfänge weisen den Weg - entworfen von Künstlern wie Auguste Rodin und Henry Moore.


Im Land der Fahrräder und Pfannkuchen gibt es schließlich noch mehr zu entdecken: In der Villa Mondriaan in Winterswijk beispielsweise zeigt sich, dass sich Piet Mondriaan (1872-1944) zunächst als realistischer Landschaftsmaler versucht hatte, bevor er seine berühmten Abstraktionen schaffen sollte.

Und auf der Acht-Schlösser-Route wird deutlich, wo das "schlossreichste Dorf der Niederlande" zu finden ist: Der Superlativ krönt die Stadt Vorden, die insgesamt acht herrschaftliche Bauten zu bieten bat - eines davon, das Schloss Vorden (Kasteel Vorden), kann besichtigt werden.

"Die Radroute gibt es schon seit mehr als 100 Jahren", schwärmt der Niederländer Bjorn de Voer. "Bei gutem Wetter schafft man die 36 Kilometer in zwei Stunden." Wer zum Durchhalten Vitamine benötigt, kann sich ja eine Ananas als Wegzehrung einpacken...