Die Adria-Halbinsel steht ganz im Zeichen ihres kulinarischen Schatzes Trüffelherbst in Istrien: Ein Fest für Feinschmecker
Von Claudia Kasemann
Trüffelhund Pippo ist voller Tatendrang. Der Labradormischling kann es kaum erwarten loszustürmen, doch Frauchen Daniela Puh will den Gästen erst noch etwas über die begehrten Pilzknollen im Boden erzählen. „Er kennt das schon, das langweilt ihn“, sagt sie, lässt Pippo von der Leine und schaut ihm amüsiert nach, wie er durchs Unterholz stromert. Der Hund braucht keine Schautafeln zum schwarzen und weißen Trüffel. Beide Sorten finden sich im grünen, dichtbewaldeten Norden Istriens, und nicht nur Waldbesitzer wie Familie Puh schätzen ihren Wert seit Generationen.
Vierbeinige Helfer bei
der Schatzsuche im Boden
In diesen Wochen steht die kroatische Adria-Halbinsel ganz im Zeichen des weißen Trüffel aus dem Mirnatal, zelebriert in Restaurants und bei zahlreichen Volksfesten, gefunden von vierbeinigen Helfern wie Pippo. Der schnüffelt und scharrt - „meist nach Maulwürfen“, sagt Daniela Puh lachend. Erst ein bestimmtes Kommando, ein Singsang aus Schnalzen und Zischeln, signalisiert dem Hund, dass es nun um Trüffel geht. Emsig ist er mit gesenktem Kopf unterwegs, hält hier und da kurz an, schlägt Haken. Über Minuten geht das so, dann läuft er plötzlich auf einen Baum zu, vor dem er engagiert zu scharren beginnt. „Ah! Da ist einer“, sagt Frauchen, lobt und belohnt Pippo mit einem Leckerli und sticht mit einer langstieligen Schaufel vorsichtig in das Erdreich um den vermuteten Trüffel. Der tischtennisballgroße Pilz ist nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche und lässt sich leicht entnehmen. Er bleibt der einzige auf der Tour: „Hier war erst kurz vor uns schon jemand“, sagt die Trüffel-Expertin und deutet auf Spuren im Waldboden.
Viele Trüffeljäger sind derzeit unterwegs, schon im Morgengrauen ist in den Wäldern Gebell zu hören. Wer mitsuchen will, braucht eine Lizenz, doch nicht jeder hält sich an die Regeln: „Teils kommen die Leute mit ihren Hunden, zertrampeln die Natur und hinterlassen Löcher im Boden.“ Manch einer wittert ein Geschäft: Ein Kilo des besonders begehrten weißen Trüffels kann gut und gern 2000 Euro kosten, ein Exemplar von der Größe eines Golfballs bringt immerhin noch mehr als 30 Euro. Die Königin der Trüffel, auch Alba- oder Piemont-Trüffel genannt, ist in Istrien und Norditalien zu finden und macht die Adria-Halbinsel deshalb im Herbst zum Treffpunkt für Fans.
Überall wird getrüffelt – ob gehobelt im Spitzenrestaurant oder geraspelt in Landgasthäusern, den „Konobas“, mit teils hervorragender Küche wie sie beispielsweise die Konoba Stari Podrum in Momjan bietet. Gelegen ist das Lokal gleich beim Weingut von Familie Kozlovic, die vor allem Weißwein der Rebsorte Malvasia produziert. Exportiert werde er nur zum Teil, sagt Gianna Kozlovic: „Viele Besucher, auch aus Deutschland, wissen gar nicht, was für exzellente Weine Istrien zu bieten hat.“ Erst allmählich ändere sich das und spreche sich die gute Qualität herum, bestätigt Marina Visintin vom Weingut Veralda mit dem Schwerpunkt Schaumwein in Champagnerqualität und biologische Weine.
Italienische und
österreichische Einflüsse
Überraschend wie die Weine sind auch Kultur und Lebensart in Istrien, wo italienische und österreichische Geschichte Spuren hinterlassen haben. Vielerorts wird ein Dialekt aus Italienisch, Kroatisch und Slowenisch gesprochen. Auch deutsche und jiddische Worte sind lebendig auf der Halbinsel, und Menschen wie Gianna Kozlovic wachsen selbstverständlich zwei- oder gar dreisprachig auf. „Bei uns gab es in relativ kurzer Zeit so viele Wechsel von Regierungen und Staatsformen“, sagt sie, „dass wir uns eigentlich als Istrier fühlen.“
Und international denken. Natürlich liefere man auch an Privatleute im Ausland, betonen die Winzer der Region. Lediglich in ausgewählten Geschäften in Deutschland sind ihre Produkte zu finden, zu denen oft auch ausgezeichnetes Olivenöl gehört. Mehr würde das Volumen wohl auch nicht hergeben. Und so kostet eine Flasche des in geringeren Mengen produzierten Kozlovic-Spitzen-Rotweins denn auch 50 Euro. Überhaupt ist Istrien als Treffpunkt von Feinschmeckern ein wunderbares, aber kein Billig-Reiseziel – und zur Trüffelzeit noch gefragter.
Bis in den November gibt es Veranstaltungen. Die Zigante-Trüffeltage in Livade erstrecken sich über sieben Herbstwochenenden. Im Städtchen Buzet wird beim Volksfest „Subotina“ in einer Riesenpfanne eine fritaja (Rührei) mit mehr als 2000 Eiern und 10 Kilogramm Trüffeln zubereitet, und im November steigt im Ort eine zweitägige Trüffelmesse.
Mit Pippo und Co. unterwegs: Trüffeltour für jedermann
Zum Thema ist also viel los, auch Touristen interessiert es natürlich. Einige lizenzierte Trüffelsucher, Tartufai, nehmen Gäste mit auf Tour. Die Preise richten sich nach der Dauer und liegen zwischen 30 und 80 Euro pro Person, inklusive Verkostung. Anbieter sind unter anderem Pietro & Pietro, Karlic Tartufi und Zigante, die über die Pilze, ihre Besonderheiten und Zubereitungsformen informieren: vom Aufstrichen bis zur Schokolade, vom Käse bis zur Salami.
Wald und Meer,
spannende Kontraste
Was den Trüffelherbst in Istrien auch außergewöhnlich macht, das sind die landschaftlichen Kontraste. Tagsüber streift man entlang von Olivenbäumen und Weinbergen, genießt Pasta und Wildgerichte in mittelalterlichen Städten wie Motovun, die wie Festungen auf Hügeln thronen, um nur wenige Kilometer entfernt abends bei Fischspezialitäten wunderbare Sonnenuntergänge am Meer zu erleben. Zum Beispiel im postkartenschönen Rovinj oder in der netten kleinen Stadt Novigrad.
Und was ist nun die beste und talentierteste Hunderasse für die Trüffelsuche? Es heißt ja immer, Lagotto Romagnolo seien besonders findig. Daniela Puh winkt ab: „Man kann jeden Hund darauf trainieren.“ Nur müsse man das richtig machen und Glück mit einem Vierbeiner haben, der das intensive Aroma schätzt: „Denn beileibe nicht jedes Tier mag Trüffel.“ Womit sich zeigt, dass Hunde eben auch nur Menschen sind.