Mehr als Sport Winter im Simmental: Skifahren und ein bisschen Schwefel
Lenk (dpa/tmn) - Anemone hat dichte Wimpern über ihren dunklen Augen. Die langen Beine sind gut proportioniert, das Haar glänzt. Miss Lenk 2016 bringt rund 700 Kilo auf die Waage - guter Durchschnitt für ein reinrassiges Simmentaler Rind.
Doch Schönheit allein reichte nicht, als Anemone beim Älplerfest am Ende des Sommers zur schönsten Kuh des Simmentals bestimmt wurde. Auch Milchleistung und Gebärfreudigkeit der Dame mussten stimmen.
Das Fleisch der Simmentaler Rinder gilt als Spezialität unter Köchen. Zart ist es, schmackhaft und mager. Von Juni bis Oktober leben die Kühe auf der Alm. Jetzt im Winter stehen sie im Stall - und Wintersportler haben die Hänge übernommen.
Auf den Bergen herrscht reger Betrieb. Skifahrer und Snowboarder sind auf Metschstand und Betelberg unterwegs. Die Skiregion Adelboden-Lenk ist für die wilderen Fahrer, die es gern etwas steiler haben. Am Betelberg geht es gemütlicher zu: Hier sind die Pisten blau oder rot und schön breit, ideal für Familien und Anfänger. Doch man muss am Betelberg nicht Ski fahren, um in Bewegung zu bleiben. Von der Bergstation Leiterli in 2000 Metern Höhe kann man Winterwandern, Schlitten fahren, Langlaufen und auf Schneeschuhen spazieren.
Wenn das Wetter mitspielt, sieht man ein unvergleichliches Bergpanorama. „Direkt hinter der Bergkette liegt das Wallis“, sagt Marc Zeller, an der Lenk geboren und immer wieder zurückgekommen. Diese Nähe war vor allem in früheren Jahrhunderten Fluch und Segen zugleich: Die Kantonsgrenze zum Wallis war viel näher als die eidgenössische Hauptstadt Bern. Man trieb erfolgreich Handel mit den Wallisern, öfters lag man allerdings im Clinch.
Die „Weiberschlacht“ vor rund 500 Jahren ziert sogar das Wappen des Ortes Lenk, der den Talabschluss bildet. „Die Männer waren damals im Krieg, und die Walliser kamen und stahlen das Vieh“, erzählt Zeller. Das ließen die Frauen nicht auf sich sitzen: Sie gingen mit den Kindern ins Gebirge, wo die Walliser ihren Triumph feierten. „Dann ließen sie die Kinder so lange mit den Kuhglocken läuten, bis sie ihr Vieh wieder in Sicherheit gebracht hatten.“ Die Sieger wurden zu Besiegten.
Unweit der Stelle, an der heute die Gondel auf den Betelberg fährt, hat man einst eine stinkige Entdeckung gemacht: eine Schwefelquelle, die stärkste in Europa.
So baute man gleich unterhalb der Quelle eine Kuranstalt, die über Jahrhunderte Menschen aus der ganzen Schweiz anlockte. Die Besucher kurierten ihre Knochen, Hauterkrankungen und die oberen Atemwege - dafür soll das Wasser gut sein. Als jedoch die Eidgenossen ihr Kursystem einstampften, war es auch um das riesige Gebäude mit seiner mehr als 350-jährigen Geschichte schlecht bestellt.
„In den 1980er Jahren fand sich ein Investor, der sanierte und renovierte, und seither gibt es den „Lenkerhof““, sagt Hoteldirektor Jan Stiller, selbst gebürtiger Lenker. Heute ist das Haus eine Luxusunterkunft. Trotz Wellness und Haute Cuisine steht der Schwefel noch immer im Mittelpunkt. Je nachdem, wie der Wind steht, wabert der Geruch fauler Eier ins Zimmer. „Aber das gehört dazu“, sagt Stiller. Der Schwefel-Außenpool hat 34 Grad warmes Wasser. Sitzt man einmal darin, ist der Geruch überhaupt nicht mehr so schlimm.